Der Arbeitgeber ist berechtigt, die gekündigten Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Er erfüllt damit gegenüber den eingesetzten Arbeitnehmern seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (BAG v. 16.2.2012 - 8 AZR 693/10). Ist eine etappenweise Betriebsaufgabe geplant, sind die betroffenen Arbeitnehmer zum jeweiligen Zeitpunkten zu entlassen. Dabei muss der Betrieb die unterschiedlichen Kündigungsfristen beachten. Die Kündigungen kann die Firma bereits so frühzeitig aussprechen, dass sie zum Zeitpunkt der geplanten Stilllegung oder Teilstilllegung wirksam sind. Meistens gibt es die Kündigung also schon vor der eigentlichen Betriebsaufgabe.
Kündigungsfristen gelten auch bei Betriebsstilllegung
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen im Normalfall keine Angst haben, dass sie von einem Tag auf den anderen ohne Job dastehen. "Bei einer Betriebsstilllegung gilt in der Regel nichts anderes als bei anderen Formen der betriebsbedingten Kündigung", sagt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Gütersloh, der Deutschen Presseagentur (dpa). Es mache keinen Unterschied, ob eine einzelne Stelle wegfalle oder alle Arbeitsplätze.
Eine Firmenschließung ist also kein Grund für eine fristlose, außerordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber muss seinen Mitarbeitenden ordentlich, betriebsbedingt kündigen. Das bedeutet, es sind die Kündigungsfristen einzuhalten, die im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder gesetzlich festgelegt sind. Die Kündigungsfrist gilt jeweils zum Ende eines Kalendermonats. Wenn die gesetzlichen Fristen (§ 622 BGB) greifen, dann betragen sie:
- 1 Monat bei 2 Jahren Betriebszugehörigkeit
- 2 Monate bei 5 Jahren Betriebszugehörigkeit
- 3 Monate bei 8 Jahren Betriebszugehörigkeit
- 4 Monate bei 10 Jahren Betriebszugehörigkeit
- 5 Monate bei 12 Jahren Betriebszugehörigkeit
- 6 Monate bei 15 Jahren Betriebszugehörigkeit
- 7 Monate bei 20 Jahren Betriebszugehörigkeit
Einige Besonderheiten gelten bei der Betriebsaufgabe
Darf der Betriebsrat bei den Kündigungen mitbestimmen? Gibt es einen Betriebsrat, ist dieser vor der Kündigung anzuhören. Außerdem muss er die Namen und Kündigungstermine erhalten. Er hat bei der Betriebsaufgabe aber keine Mitbestimmungsrechte. Ab wann braucht es einen Sozialplan? Wird das Unternehmen in Etappen geschlossen, ist eine Sozialauswahl notwendig (Wer geht zuerst, wer bleibt noch einige Zeit). Die "sozial Stärksten" müssen zuerst gehen. Kriterien sind dabei zum Beispiel Alter, Familienstand oder Betriebszugehörigkeit.
Muss der Betrieb eine Abfindung zahlen? Normalerweise müssen Arbeitgeber gekündigten Mitarbeitenden keine Abfindung zahlen. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung. In einigen Fällen sind allerdings Betriebe dazu verpflichtet: zum Beispiel, wenn Abfindungen tariflich, im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt sind. Einzelne Beschäftigte können eine Abfindung bekommen, während andere kein Geld erhalten. Letztlich entscheidet das der Arbeitgeber. In Betrieben mit Betriebsrat kann dieser einen Sozialplan mit Abfindungen erzwingen. "Idealerweise habe ich für Abfindungen einen Geldtopf eingerichtet und die Verteilung des Geldes mit dem Betriebsrat vereinbart", erklärt die Arbeitsrechtlerin Dr. Iris Henkel aus Leipzig in der Wirtschaftszeitschrift Impulse.
Welche Regeln gelten für Kleinbetriebe? Unternehmen mit zehn oder weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fallen als Kleinbetriebe nicht unter das Kündigungsschutzgesetz – sie haben es also leichter, Beschäftigte zu entlassen. Wann sind Entlassungen anzeigepflichtig? Von einer Betriebsschließung sind oftmals viele betroffen, Arbeitsmarktexperten der Bundesagentur sprechen dann von einer Massenentlassung. Diese ist schriftlich bei der Agentur für Arbeit zu melden. Selbst dann, wenn Aufhebungsverträge schon abgeschlossen sind. Welche Pflichten der Arbeitgeber genau bei Massenentlassungen hat, regelt § 17 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).
Was passiert mit Azubis, befristet Beschäftigten und mit dem Zeugnis?
Kann ich Auszubildenden kündigen? Auch Auszubildende, die ihre Lehrzeit noch nicht beendet haben, sind bei einer Betriebsaufgabe zu kündigen. Allerdings ist der ausbildende Betrieb verpflichtet, bei der Suche nach einem Anschlussausbildungsplatz zu helfen. Für diese Fälle ist die zuständige Kammer (IHK, Handwerkskammer) eine gute Adresse. Sie schaffen es fast immer, einen Anschlussvertrag zu organisieren. Was gilt bei der Betriebsschließung für befristete Verträge? Befristete Verträge sind nur dann vorzeitig zu kündigen, wenn eine entsprechende Kündigungsklausel vereinbart ist. Ist das nicht der Fall, ist eine vorzeitige Kündigung nur möglich, wenn beide Seiten einvernehmlich einen Aufhebungsvertrag abschließen.
Wie kündige ich schwangeren und schwerbehinderten Mitarbeitern? Will der Arbeitgeber Schwangeren oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Elternzeit kündigen, ist vorher die Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde (Gewerbeamt) einzuholen. Bei schwerbehinderten Mitarbeitern ist die Zustimmung des Integrationsamts erforderlich.
Was ist mit einem Zeugnis? Auch wenn es den Betrieb nach der Firmenschließung nicht mehr gibt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Mitarbeitern ein Zeugnis auszustellen – das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschieden (LAG, Urteil vom 3.8.2011, Az.: 9 Ta 128/11). Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber keine Kopfbögen mehr von der alten Firma hat. Notfalls muss er sogar neues Briefpapier gestalten.
Bei einer angemeldeten Insolvenz entsteht eine andere Lage
Bei einer Insolvenz kann der Betrieb seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nicht mehr erfüllen. Gründe für eine Insolvenz sind Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Die Insolvenz des Arbeitgebers ist eigentlich noch kein Grund für eine Kündigung. Schließlich kann es nach einem "erfolgreichem Insolvenzverfahren" auch mit der Firma weitergehen. Dafür gibt es Beispiele (Märklin, Schiesser, Matratzen Direct).
Kommt es aber in Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch zur völligen oder teilweisen Stilllegung des Betriebs, sind betriebsbedingte Kündigungen möglich. Dann kommt laut Arbeitsrechtler Schipp § 113 der Insolvenzordnung (InsO) zur Anwendung. Dort heißt es unter anderem, dass der Insolvenzverwalter ein Arbeitsverhältnis unabhängig von einer vereinbarten Vertragsdauer kündigen kann. Also im Klartext: Bei einer Insolvenz ist also schneller Schluss.
Die Kündigungsfrist beträgt in diesem Fall maximal drei Monate zum Monatsende – "das gilt dann, selbst wenn ich eigentlich eine Kündigungsfrist von sieben Monaten habe", erläutert Johannes Schipp. Zwar ergebe sich in einem solchen Fall ein Schadenersatzanspruch. Der ist aber nicht besonders groß, wenn die Insolvenzverwalterin oder der Insolvenzverwalter kündigen. Auch bei betriebsbedingten Kündigungen in der Insolvenz ist nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine Sozialauswahl durchzuführen. Diese muss die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung der Beschäftigten ausreichend berücksichtigen.
Der Verkauf aller oder einzelner Teile der Firma
Kommt es zu einem Verkauf der Firma oder von Teilen, dann verändert sich die Lage erneut. Nach § 613a BGB übernimmt der neue Inhaber bei einem Betriebsübergang alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen. Er wird quasi automatisch neuer Arbeitgeber der im Betrieb Beschäftigten.
Die Rechte und Pflichten des neuen Arbeitgebers bleiben zunächst einmal dieselben. § 613a BGB ist eine zwingende Schutzvorschrift, von der nur zugunsten der Arbeitnehmer abzuweichen ist. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse auf einen neuen Arbeitgeber bedeutet nicht, dass die Beschäftigten einen neuen Arbeitsvertrag erhalten.
Der neue Arbeitgeber, kann versuchen, die arbeitsvertraglichen Bestimmungen vom Zeitpunkt des Übergangs an zu ändern. Neue Konditionen für die Beschäftigung kann durch Änderungsvertrag, durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages oder durch Änderungskündigung passieren.
Betriebsstilllegungen, Insolvenzen oder der Verkauf der Firma versprechen meistens nichts Gutes
Betriebsstilllegungen, Insolvenzen oder der Verkauf der Firma sind nichts Außergewöhnliches in der Arbeitswelt und in der Marktwirtschaft. Das zeigt beispielsweise die Statistik: 2023 gab es 17.814 Betriebsinsolvenz. Für die Beschäftigten ist die Betriebsaufgabe der Super-GAU. Dass trotzdem die Regeln des Kündigungsschutzes gelten, ist für die Betroffenen von Vorteil. Beim Verkauf der Firma geht es meistens glimpflicher ab: Der § 613a BGB schützt die Beschäftigten. Nach einem "erfolgreichen Insolvenzverfahren" kann es für die Mitarbeiter weitergehen. Allerdings enden nicht alle Insolvenzen mit einem Neustart. Egal, wie du es wendest: Betriebsstilllegungen, Insolvenzen oder der Verkauf der Firma bedeuten für die Beschäftigten in jedem Fall Veränderungen und vielfach kommt am Ende des Tages nichts Gutes heraus.
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