Eine Krankenschwester für 100 Patienten: Hildegard Einwag blickt auf spannende Zeit an Eberner Klinik zurück

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Bei der "Nachtwache" im Eberner Krankenhaus nahm Hildegard Einwag, hier ein Foto aus dem Jahr 1962, schon manchmal ein Neugeborenes auf den Arm. Repro: Helmut Will
Bei der "Nachtwache" im Eberner Krankenhaus nahm Hildegard Einwag, hier ein Foto aus dem Jahr 1962, schon manchmal ein Neugeborenes auf den Arm. Repro: Helmut Will
Im Alter von 20 Jahren kam Hildegard Einwag nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester im Jahr 1962 an das Krankenhaus Ebern und arbeitete dort 15 Jahre lang. Heute ist sie 78. Foto: Helmut Will
Im Alter von 20 Jahren kam Hildegard Einwag nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester im Jahr 1962 an das Krankenhaus Ebern und arbeitete dort 15 Jahre lang. Heute ist sie 78. Foto: Helmut Will
 
Als Stationsschwester übernahm die junge Hildegard Einwag, nachdem die Klosterschwestern aus Altersgründen weg waren, Verantwortung. Repro: Helmut Will
Als Stationsschwester übernahm die junge Hildegard Einwag, nachdem die Klosterschwestern aus Altersgründen weg waren, Verantwortung. Repro: Helmut Will
 

Als junge Krankenschwester kam Hildegard Einwag 1962 an das damalige Eberner Kreiskrankenhaus. Die 78-Jährige erinnert sich noch gut an unangenehme Nachtwachen und nächtliche Rauchpausen.

Ebern Im Jahr 1910 wurde im damaligen Landkreis Ebern das Kreiskrankenhaus in der Coburger Straße in Betrieb genommen. Zwei Ordensschwestern aus Würzburg waren die ersten Krankenschwestern in diesem Haus, quasi noch auf einer Baustelle. Im Jahr 1912 ging es dann richtig los: Das Haus hatte damals 40 Betten. Hildegard Einwag aus Ebern kam 50 Jahre später, im Jahr 1962 und noch vor der Gebietsreform, als junge Krankenschwester an das Kreiskrankenhaus Ebern und arbeitete dort bis zum Jahr 1977.

"Als ich nach meiner Ausbildung von Würzburg als junge Krankenschwester nach Ebern kam, waren dort 100 Betten vorhanden", erzählt die heute 78-Jährige. Ihr Wunsch war eigentlich, in Stuttgart als Krankenschwester zu arbeiten. "Aber die Oberin am Rotkreuzkrankenhaus in Würzburg, wo ich gelernt hatte, hat einfach bestimmt, wo ich hinkomme: ,Du gehst nach Ebern, dort wirst du gebraucht‘", sagte sie und habe keinen Widerspruch geduldet. Mit ihr kam auch Irmgard Weiß nach Ebern, mit der sie einige Jahre zusammenarbeitete.

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In Ebern gab es damals, wie sich Einwag erinnert, drei Ärzte: Dr. Emil Bodenberger war Chefarzt und Dr. Walter Petry Oberarzt, außerdem war noch Dr. Wilhelm Stark im Krankenhaus beschäftigt. Zudem waren aus dem Orden der "Barmherzigen Schwestern" sieben Klosterschwestern tätig. "Wir hatten in den 60er Jahren vier Stationen im Krankenhaus", sagt Einwag. Im Erdgeschoss war die Frauen- und Wochen- beziehungsweise Entbindungsstation untergebracht, wo die Hebammen Maria Kerler und Erna Arnold freiberuflich arbeiteten. Beide erhielten später die Bürgermedaille der Stadt Ebern. Im ersten Stock war die Männerstation und im zweiten Stock hatte Stark seine Station.

Beim Rauchen erwischt

Auf jeder Station hatte eine Klosterschwester als Stationsleitung das Sagen. Einwag lächelt und sagt: "Auf der Männerstation war die Klosterschwester Seifriedis besonders streng." Es habe absolutes Rauchverbot geherrscht, aber manche Männer konnten oder wollten sich nicht daran halten und haben, meist in den Nachstunden, zum Fenster hinausgeraucht. "Ihr Pech war, dass Schwester Seifriedis ihr Zimmer oberhalb der Männerstation hatte und manchmal das heimliche Rauchen mitbekam" sagt die Seniorin. Deshalb habe es häufig Ärger gegeben.

Als Praktikantin habe sie im Monat 170 Mark verdient und später als Stationsschwester etwa 1400 Mark. Wenn Einwag an die damaligen Hygienezustände im Krankenhaus denkt, wird sie nachdenklich. "Handdesinfektionsmittel kannten wir nicht. Die Hände wurden mit Seife gewaschen und fertig." Trotzdem kann sie sich nicht erinnern, dass es irgendwelche Probleme gegeben habe, die auf mangelnde Hygiene zurückzuführen gewesen wären. "Wenn jemand entlassen wurde, haben wir sein Bett in den Flur geschoben, es dort abgezogen, mit Sagrotan gereinigt, neu bezogen und wieder ins Zimmer geschoben."

Für alle dasselbe Geschirr

Im Sommer wurden die Bettdecken zum Trocknen einfach auf den Balkon oder am Fenster zum Lüften aufgehängt. "Mit dem Geschirr war es auch so. Für alle war das Geschirr gleich, ob Patient, Arzt, Krankenschwester, Helferinnen oder Reinigungsfrauen. Eine Spülmaschine gab es nicht, alles wurde mit der Hand gespült, egal ob da Geschirr von infektiösen Patienten dabei war oder nicht", sagt sie.

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Dort, wo heute das Hallenbad in der Coburger Straße steht, befand sich, als Einwag als Krankenschwester in Ebern tätig war, ein Gartengrundstück. Dieses wurde vom damaligen Hausmeister Gebhardt bewirtschaftet. "Was dort angebaut wurde, kam zur Verwertung in die Krankenhausküche", sagt die Seniorin. Während des Kochens seien manchmal Leute von der Küche schnell über die Straße hinüber in den "Krankenhausgarten" und hätten zum Beispiel frische Petersilie oder andere Kräuter geholt.

Einwag berichtet auch von den Nachtdiensten, damals "Nachtwachen" genannt, die zwölf Stunden dauerten. Für das gesamte Krankenhaus mit 100 Betten, die auf drei Ebenen verteilt waren, waren eine Schwester und eine Helferin zuständig. "Das war schon sehr anstrengend, und wenn aus einem Krankenzimmer geläutet wurde, mussten wir die Treppen hoch- und runterrennen. Wir wollten die Patienten auch nicht warten lassen, und man wusste ja nie, was los war", so Einwag. Hinzu kam, dass die Nachtschwester, wenn zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall eine Operation erforderlich war, mit in den OP-Saal musste. Dann sei die Helferin ganz alleine gewesen, was bei Einwag immer ein ungutes Gefühl ausgelöst habe.

Gemeinsam Schlachtfest gefeiert

Die Rentnerin zeigt ein Foto, auf dem neben dem Krankenhaus ein kleineres Haus zu erkennen ist. "In diesem Haus waren vier Zimmer mit Betten für acht ledige Schwestern." Auch seien in der Nähe des Wohnheims zwei Schweine gehalten worden, die mit Essensresten aus der Küche gefüttert wurden. "Es gab ab und an auch ein Schlachtfest: eine Schlachtschüssel für die Bediensteten des Krankenhauses und auch für Patienten." Auch ein "Isolierbau" war in diesem Bereich vorhanden.

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Während Einwag im Album blättert, zeigt sie auf ein Foto mit zwei jungen Männern auf Krücken. "Das waren Soldaten aus der Kaserne in Ebern, von denen wir viele im Krankenhaus behandelt haben." Die Klosterschwestern hatten am Abend die Türen der Krankenzimmer zu den Fluren geöffnet und es wurde gebetet und gesungen. "Das habe ich auch weiter beibehalten, als die Nonnen später weg waren", sagt Einwag.

Das Eberner Krankenhaus, jetzt Haßberg-Kliniken, Haus Ebern, gibt es seit nunmehr 110 Jahren. Legt man allerdings das offizielle hundertjährige Jubiläum aus dem Jahr 2012 zugrunde, ist es erst 108 Jahre alt. In der Eberner Klinik werden jährlich etwa 2800 Fälle betreut. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren über die Schließung der Einrichtung nachgedacht. Einwag runzelt die Stirn: "Hoffentlich passiert das nicht."