Digitale Stadt: Der Stempel hat bald ausgedient

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Die Stadt Haßfurt ist eine von 13 Modellkommunen, die im Rahmen des Projektes "Smart Cities" gefördert werden. Fotos: Julia Scholl
Die Stadt Haßfurt ist eine von 13 Modellkommunen, die im Rahmen des Projektes "Smart Cities" gefördert werden.  Fotos: Julia Scholl
Viele Behördengänge kann man bereits online erledigen.
Viele Behördengänge kann man bereits online erledigen.
 

Die Ämter haben wegen der Corona-Krise den Publikumsverkehr eingestellt. Jetzt kann sich bewähren, was vielerorts noch in den Kinderschuhen steckt: Doch sowohl Nürnberg als auch Haßfurt sind Vorreiter der Digitalisierung.

In der aktuellen Corona-Krise gäbe es ohne die Online-Welt den völligen Stillstand. Denn vieles, was im persönlichen Kontakt nicht mehr möglich ist, lässt sich per Computer und Smartphone erledigen. Eine der ersten Städte, die "digital" zur Chefsache erklärt haben, ist Nürnberg. Da gibt es schon seit 2003 ein digitales Rathaus. Aber auch der Landkreis Haßberge kann ein Pilotprojekt vorzeigen:

Mit dem Modellprojekt "Smart Green City" soll Haßfurt in eine digitale Zukunft geführt werden. Madlen Müller-Wuttke ist als Chief Digital Officer Ansprechpartnerin für das Projekt: "Smart Cities ist ein ganzheitliches Entwicklungskonzept, um Städte innovativer, effizienter, sozialer, aber auch nachhaltiger zu gestalten. Wir wollen dies zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern erarbeiten und entwickeln."

Smart in die Zukunft

Wichtige Themenbereiche sind unter anderem: Bildung, Mobilität, Klima und Umwelt, Gesundheit und Pflege und E-Government. Die Digitalisierung soll in Haßfurt nicht einfach durchgesetzt werden, so Müller-Wuttke. Neben kleineren Workshops mit Experten sowie Bürgern seien auch Bürgerveranstaltungen im Zuge der Strategie geplant: "Wir wollen gemeinsam mit den Bürgern Ideen erarbeiten, diskutieren und voranbringen." Die Bürger sollen mitgestalten.

"Wir zielen hier auf einen Bottom-up-Ansatz ab. Wir wollen gemeinsam Haßfurt zu einer Smart Green City transformieren und hoffen auf rege Unterstützung", erklärt sie. Der Bottom-up-Ansatz zielt darauf ab, sich Schritt für Schritt auf eine höhere Ebene in der Planung zu begeben, aber ganz unten beim Nutzer anzufangen.

Für Haßfurt sei ein gemeinsamer Treffpunkt zum Ausprobieren geplant. "Die Idee dieser Begegnungsstätte in Form eines Stadtlabors ist es, einen Raum zum gemeinsamen Experimentieren und Kennenlernen der Projekte zu schaffen."

Datenschutz hat Priorität

Ob die digitale Sprechstunde beim Arzt oder der nächste Umzug - Ein zentraler Aspekt bei der Digitalisierung ist der Datenschutz, der, so Müller-Wuttke, insbesondere bei der Erhebung medizinischer Daten gewährleistet sein muss. Wie viele Städte bietet auch Haßfurt Online-Anträge an. Zum Beispiel für Umzüge, Anmeldung von Hunden oder Gewerbe. Das soll ausgebaut werden. "Auch im Bereich des E-Governments werden verwaltungsinterne Prozesse im Zuge des Onlinezugangsgesetzes digitalisiert. Verwaltungsdienstleistungen, wie zum Beispiel die Beantragung eines Parkausweises, sollen dabei online durchführbar sein", sagt Müller-Wuttke.

Hier liegt noch viel Potenzial, denn "Digitalisierung", so sagt Klaus Eisele, der Leiter des E-Government-Büros in Nürnberg, ist ein Prozess, der in mehrere Richtungen wirkt: Zum einen soll der elektronische Zugang mehr Bürgernähe schaffen, Papierberge sollen verschwinden, Zeit, Energie und Geld gespart werden. "Das heißt aber eben im Umkehrschluss auch, dass man in der Verwaltung die Prozesse überdenken muss."

Der Anfang war schwer

Begonnen hat man in Nürnberg wie auch in vielen Kommunen damit, Formulare online zu stellen, die der Bürger am Computer ausfüllen kann. Das erwies sich laut Eisele aber als wenig hilfreich: Sie waren nicht nutzerfreundlich und zu komplex, so kam es zu Fehlern. Für die Verwaltung wurde der Aufwand nicht kleiner sondern größer.

Doch seitdem hat sich viel verändert. "Nürnberg weiß, wie man Bürger glücklich macht: hier können seit 2003 viele Behördengänge über das Internet erledigt werden. Seit 2015 müssen Sie nicht einmal mehr persönlich unterschreiben - damit sparen Sie sich jede Menge Zeit und Nerven", schreibt das E-Büro. Die Franken-Metropole stellt ihren Bürgern mehr als 400 Online-Angebote zur Verfügung, bei deren Nutzung 150 Digital-Assistenten helfen. Das Service-Portal heißt "Mein Nürnberg". Wer sich dort einmal registriert hat, kann die Dienste ohne umständliche Anmeldung und Autorisierung nutzen. "Und das rund um die Uhr, unabhängig von den Öffnungszeiten der Ämter", beschreibt das E-Büro diese Dienstleistung.

Ausgeklügeltes System

Die Besonderheit in Nürnberg ist die Möglichkeit, sich mit Hilfe des maschinenlesbaren Personalausweises anzumelden und eine elektronische Identität zu hinterlegen. Die gilt ebenso viel wie eine persönliche Unterschrift und wird von allen Behörden anerkannt. Der Vorteil: Viele Formulare, die der Bürger über das Portal "Mein Nürnberg" aufruft, sind bereits zu einem großen Teil individuell ausgefüllt. Man muss nicht wieder und wieder Name, Anschrift, Geburtsdatum und -ort etc. eintragen.

Zu den Dienstleistungen, die Nürnberg elektronisch anbietet, gehören: Die Beantragung oder Verlängerung von Anwohnerparkausweisen, die Kfz-Abmeldung, Anmeldung oder Ummeldung zur Abfallbeseitigung, die Bestellung von Urkunden und Auskünfte aus dem Gewerberegister.

"Mein Nürnberg" ist auch keine Einbahnstraße. Wer einen Antrag stellt, kann sich über das Portal jederzeit über den Stand der Bearbeitung informieren und online mit dem Sachbearbeiter Kontakt aufnehmen.

Doch ist das auch sicher? Die Antwort aus dem E-Büro: Die Daten sind im Rechenzentrum der Stadt Nürnberg gut aufgehoben, Missbrauch oder Datenverlust ausgeschlossen. Die Daten werden bei der Übermittlung verschlüsselt, Zugriff auf Vorgänge haben nur die Mitarbeiter, die unmittelbar mit dem Antrag zu tun haben. Und: Die elektronische Visitenkarte ist keine Verpflichtung auf Lebenszeit. Wer aus dem digitalen Rathaus aussteigen will, kann dies jederzeit tun, die E-Identität wird dann gelöscht.

Ein Kommentar von Julia Scholl

Digital? - Ja bitte, aber...

Daumen gleitet über das Smartphone. Technisch sind die meisten inzwischen ganz gut ausgerüstet, aber im Kopf ist die Digitalisierung bei vielen noch nicht angekommen. Nehmen wir das Beispiel Online-Banking. Viele wickeln Überweisungen online ab, haben aber trotzdem noch einen dicken Ordner mit Kontoauszügen zu Hause im Regal stehen. Ein Sicherheitsnetz!

Aber warum halten das so viele Menschen für nötig?

Vielleicht sind es solche Sachen wie jüngst der Hackerangriff auf das Schul-Lernsystem der bayerischen Regierung. Oder auch, dass Facebook persönliche Daten nach wie vor sammelt und verkauft. Noch dazu hören Siri und Co. unsere Gespräche. Kein Wunder, dass da keiner Vertrauen hat und der deutsche Michel immer noch jede Nacht mit dem Sparstrumpf unter dem Kopfkissen schläft. Die Digitalisierung muss den Menschen mitnehmen und ihn nicht im Dunkeln lassen.

Der amerikanische Bildhauer Horatio Greenough hat es auf den Punkt gebracht: Form follows function (Form folgt Funktion). Neue Technologien müssen sicher, nützlich und bedienungsfreundlich gestaltet werden. Es geht nicht darum, Digitalisierung zu betreiben, um sagen zu können: "Wir betreiben Digitalisierung." Es geht nicht darum, sagen zu können: "Schaut mal her, wir haben jetzt auch eine App." Es geht darum, das alltägliche Leben zu erleichtern und dabei nicht den zu vergessen, um den es geht - den Nutzer. j.scholl@infranken.de