Seit Beginn der Corona-Pandemie verbringen Kinder und Jugendliche deutlich mehr Zeit auf Social-Media oder beim Zocken am PC und Handy. Eine neue Studie belegt: Wird das Nutzungsverhalten krankhaft, kann dies der Entwicklung langfristig schaden.
- Kinder und Jugendliche nutzen während Pandemie Handy und PC öfter
- suchtartiges Nutzungsverhalten nimmt bei Zehn- bis 17-Jährigen zu
- Spiel- und Social-Media-Sucht wirkt sich negativ auf Hobbys, Noten und Freundschaften aus
- Experten raten zur Prävention: analoge Alternativen wichtig
Spielen kann süchtig und krank machen – das gilt nicht etwa nur für Poker, Roulette und andere Glücksspiele, sondern auch fürs Zocken am Handy und PC. Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden seit Beginn der Corona-Krise an Social-Media-Sucht und krankhaftem Computerspielverhalten. Das belegt eine neue Studie. Und die Forscher warnen: Ein pathologisches Nutzungsverhalten kann auch negative Folgen für soziale Beziehungen von Kindern und Teenagern haben.
Social-Media-Sucht nimmt unter jungen Nutzern zu
Durch die Pandemie hat die Gruppe der Zehn- bis 17-Jährigen deutlich mehr Zeit damit verbracht, am Smartphone oder PC zu spielen, über WhatsApp zu chatten oder andere Plattformen wie Instagram, Tiktok oder Snapchat zu nutzen. Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) fand bei einer Untersuchung heraus, dass bei mehr als vier Prozent der Zehn- bis 17-Jährigen in Deutschland ein sogenanntes pathologisches Nutzungsverhalten vorliegt. Die Studie wurde von der Krankenkasse DAK in Auftrag gegeben. Bei Computerspielen habe sich die Zahl der Betroffenen, deren Nutzungsverhalten als Sucht kategorisiert werden kann, von rund 144.000 im Jahr 2019 auf 219.000 im Jahr 2021 erhöht. Bei der Nutzung von Social-Media-Plattformen stieg die Zahl von 171.000 auf 246.000.
Die DAK stellte die Studienergebnisse offiziell am Donnerstag (4. November 2021) vor. Der Vorstandsvorsitzende Andreas Storm forderte angesichts der steigenden Zahlen von der Politik eine „breite Präventionsoffensive, um die Medienkompetenz von Kindern und Eltern weiter zu stärken“. Die geschäftsführende Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) warb indes für mehr Prävention zuhause, in der Kita und in Schulen. „Ob altersgerechte Games und Serien, Social-Media, Smartphone oder Internet – all das funktioniert nicht ohne Kompetenz, ohne das Wissen, wie viel und was gut für mich ist“, betonte Ludwig. Das Thema werde zukünftig nicht kleiner, sondern größer. Prävention sei daher umso wichtiger.
„Der Anstieg der Mediensucht ist vor allem auf die wachsende Zahl pathologischer Nutzer unter den Jungen zurückzuführen“, erklärte Studienleiter Rainer Thomasius vom DZSKJ des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Er warnte vor den Folgen, die durch die Vernachlässigung von Aktivitäten, Familien, Freunden und einen verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus entstehen können. „Da persönliche, familiäre und schulische Ziele in den Hintergrund treten, werden alterstypische Entwicklungsaufgaben nicht angemessen gelöst. Ein Stillstand in der psychosozialen Reifung ist die Folge.“
Kinder und Jugendliche verlieren Kontrolle über Mediennutzung
Eine krankhafte oder pathologische Nutzung diagnostizieren die Experten, wenn bei Betroffenen ein Kontrollverlust, eine „Priorisierung gegenüber anderen Aktivitäten“ und eine Fortsetzung der Nutzung trotz negativer Konsequenzen zu beobachten ist. „Hieraus resultieren signifikante Beeinträchtigungen in persönlichen, sozialen und schulisch-beruflichen Lebensbereichen“, erläutert Thomasius. Pathologische Spieler und Social-Media-Nutzer zocken oder chatten der Studie zufolge vier oder mehr Stunden am Tag.
Forsa befragte Kinder vor und während der Pandemie
Grundlage der Studie ist eine wiederholte Befragung von Eltern und Kindern durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die erste Fragerunde fand bereits 2019 vor der Pandemie statt, die zweite zur Zeit der ersten Schulschließungen im Frühjahr 2020, eine weitere im November 2020, bevor die Schulen erneut geschlossen wurden und die vierte schließlich im Mai und Juni 2021, als Schulen nach monatelangen Schließungen und Wechselunterricht wieder zu einem gewissen Normalbetrieb zurückkehrten.