Die Krankenkassen stehen vor einer großen Herausforderung und suchen nach Wegen, um Milliarden zu sparen. Der 10-Punkte-Plan der Techniker Krankenkasse zeigt konkrete Einsparpotenziale auf, die die Versorgung sichern sollen.
Die Krise der Krankenkassen spitzt sich immer weiter zu. Es droht der Kollaps. Eine Lösung muss her. Zuletzt sorgte eine Spar-Ansage von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil für Ärger. Sozialverbände reagierten mit deutlichen Worten. Auch eine Klage vor Gericht steht dabei im Raum. Jetzt allerdings startet die Techniker Krankenkasse (TK) eine Kassen-Offensive.
Mit einem Zehn-Punkte-Sparplan will man ein Zeichen setzen. TK-Chef Jens Baas erklärt auf der Unternehmensseite dazu: "Mit einem Sofortprogramm ist es möglich, kurzfristig mehr als acht Milliarden Euro einzusparen und so Beitragsanstiege im nächsten Jahr zu verhindern – ohne Leistungen zu kürzen."
TK sieht im Plan nur eine "kurzfristige" Chance
Allerdings sei dies nur eine Chance, um den Krankenkassen "kurzfristig Luft" zu verschaffen. An großen Maßnahmen durch die Politik komme man dennoch nicht vorbei. Baas: "Um das grundsätzliche Finanzierungsproblem der gesetzlichen Krankenversicherung zu lösen, brauchen wir echte Reformen."
Ansatzpunkte für eine schnelle, kurzfristige Hilfen sind demnach in den Bereichen Arznei, Heil- und Hilfsmittel zu finden. Hier müsste man die Leistungen für Versicherte nicht einzuschränken. Dazu heißt es bei der TK: "2024 gaben die gesetzlichen Krankenkassen über 55 Milliarden Euro für Arzneimittel aus – mehr als für ärztliche Behandlungen. Insbesondere neue Medikamente werden immer teurer. Eine Erhöhung des Herstellerrabatts bei patentgeschützten Arzneimitteln von sieben auf 17 Prozent könnte die GKV jedes Jahr um mehr als drei Milliarden Euro entlasten".
UND: "Im Bereich der Heil- und Hilfsmittel sind Einsparungen von bis zu 850 Millionen Euro jährlich möglich, zum Beispiel durch die Wiedereinführung von Ausschreibungen".
Was steht im 10-Punkte-Plan der Techniker Krankenkasse?
Zwar werde laut Koalitionsvertrag eine Kommission entsprechende Vorschläge für eine Reform erarbeiten, doch geht bis dahin laut TK zu viel Zeit verloren.
Die Techniker Krankenkasse hat daher eigenen Angaben zufolge "in allen zentralen Leistungsbereichen der GKV Einsparpotenziale identifiziert, die die Versorgung nicht einschränken und somit keine Leistungskürzungen darstellen." TK: "Diese können kurzfristig gehoben werden und die GKV im kommenden Jahr um mehr als 8,2 Milliarden Euro entlasten." Der 10-Punkte-Plan:
Die oben bereits erwähnte Anhebung des Herstellerabschlags für patentgeschützte Arzneimittel von 7 Prozent auf 17 Prozent. Hier ließen sich bis zu drei Milliarden Euro einsparen.
Einführung von Arzneimittel-Fokuslisten. Hierzu heißt es: Aufgrund des Patentschutzes der einzelnen Produkte besteht kaum Wettbewerb zwischen diesen neuen vergleichbaren Arzneimitteln, daher herrscht auch kein Preisdruck. Die heutigen Preisverhandlungen berücksichtigen diese Entwicklung nicht ausreichend. Mit einer Gesetzesänderung sollte der Gemeinsame Bundesausschuss daher ermächtigt werden, einen Katalog mit Gruppen von (pharmakologisch)‐therapeutisch vergleichbaren Arzneimitteln zu erstellen (sog. Fokuslisten). Die Krankenkassen haben anschließend die Möglichkeit, einzelne Arzneimittel innerhalb dieser Gruppen zur bevorzugten Versorgung ihrer Versicherten auszuwählen (Fokusarzneimittel). Das Einsparpotenzial: Eine Milliarde Euro jährlich.
Begrenzung der Budgetsteigerungen der Kliniken: Krankenkassen sollen in Zukunft nur noch die Hälfte von Tariflohnsteigerungen refinanzieren müssen. Zudem sollte die sogenannte Meistbegünstigungsklausel abgeschafft werden, wonach entweder die Steigerung der Orientierungswerte oder die der Grundlohnrate für die Entwicklung der Landesbasisfallwerte herangezogen wird. Der jährliche Einspareffekt beider Maßnahmen beträgt bis zu 630 Millionen Euro (500 Mio. Euro Pflegebudgetkorrektur, 130 Mio. Euro Meistbegünstigung).
Vollumfängliche Anwendung des AMNOG-Erstattungsbetrags im Krankenhaus Bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Leistungen) sollen Erstattungsbeträge laut Arzneimittelmarktneurodnungsgesetz (AMNOG) in Kliniken auch vollständig angewendet werden. Sparpotenzial: Jährlich 300 Millionen Euro.
Rückwirkende und dauerhafte Bereinigung der Vergütung für die TSVGFördertatbestände und Behebung des Methodenfehlers bei der Entbudgetierung der Kinder- und Jugendmedizin Diese Maßnahme würde die Krankenkassen um 375 Millionen Euro im Jahr entlasten.
Einmalige Aussetzung der Anpassung des Orientierungswertes: Zur kurzfristigen finanziellen Entlastung der GKV wird die jährliche Erhöhung der vertragsärztlichen Honorare einmalig ausgesetzt. Sparpotenzial: Mindestens 1,7 Milliarden Euro
Strukturzuschläge in der Psychotherapie und Kurzzeittherapiezuschläge nur noch für von der Terminservicestelle vermittelte, dringende Fälle: Hier sieht die TK jährliche Einspareffekte von insgesamt bis zu 240 Millionen Euro.
Fortführung der reduzierten zahnärztlichen Veränderungsrate und Punktwerte, Rückkehr zur Grundlohnsummenanbindung: 2024 wurde die jährliche Veränderungsrate für die zahnärztliche Vergütung um 1,5 Prozentpunkte reduziert. Diese Maßnahme sollte fortgesetzt werden. 2024 betrug der jährliche Einspareffekt 210 Mio. Euro.
Rückkehr zur Grundlohnsummenanbindung für Heilmittelerbringer: Laut der TK wurde, der mit der Aufhebung der Grundlohnsummenanbindung beabsichtige Aufholeffekt bei der Vergütung erreicht. Der jährliche Einspareffekt bei einer Rückkehr zur Kopplung an die Grundlohnsumme beträgt mindestens 500 Millionen Euro.
Hilfsmittel-Ausschreibungen wieder ermöglichen und um Qualitätsparameter erweitern: Der jährliche Einspareffekt beträgt den Angeboten der Techniker Krankenkasse zufolge mindestens 350 Mio. Euro.
Welche Kritik hat man beim Spitzenverband der Fachärzte am 10-Punkte-Plan?
Kritik am 10-Punkte-Plan der TK kommt vom Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa). In einem Statement warnt der Verband vor einer akuten Gefährdung der Gesundheitsversorgung von gesetzlich versicherten Patienten.
SpiFa-Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Heinrich äußert sich mit deutlichen Worten: „Während an anderer Stelle Milliarden in das Gesundheitssystem gekippt werden, ohne dass sich die Versorgung verbessert, will die Kassenlobby die fachärztliche ambulante Versorgung kaputtsparen."
Der Fachärztemangel wird sich damit laut Heinrich weiter verschärfen: "Wenn die Versorgung gesetzlich Versicherter mit Verlusten verbunden ist, wird der Exodus zunehmen. Die Forderungen der TK sind ein Bärendienst für ihre Versicherten." Die SpiFa fordert stattdessen bessere Rahmenbedingungen, den Abbau von Bürokratie und die Abschaffung der Budgetierung fachärztlicher Leistungen, um Wartezeiten zu verkürzen und die Versorgung zu sichern.
Spar-Druck auf Kassen auch durch Kanzler Merz erhöht
Die Diskussion um eine Lösung für die angespannte Lage der gesetzlichen Krankenkassen wird seit Wochen intensiv geführt. TK-Chef Baas hatte im Zuge der Kassen-Not Finanzminister Klingbeil attackiert, als der darum gebeten hatte, man solle ihn nicht immer um Geld bitten.
Aber auch von Bundeskanzler Friedrich Merz wurde der Druck mit einem harten Plan für die Krankenkassen erhöht. Er nimmt dabei die Versicherten ins Visier. Nach der Sommerpause der Politik, Ende August und den ersten Gesprächen der Kommission, wird sich zeigen, in welche Richtung es gehen kann.