Der Vorschlag von Bundeskanzler Merz zu möglichen Leistungskürzungen erhitzt die Gemüter.
Ganze zwölf Milliarden Euro sollen den Kassen ab 2027 fehlen. Was ist die Lösung für die finanzielle Krise der Krankenkassen? Die Bundesregierung hat die Schock-Zahlen bisher weder bestätigt noch dementiert. Kommentiert hat dagegen der Vorstandsvorsitzende der Techniker-Krankenkasse, Jens Baas, das Schweigen der Politik – und hat dabei den Finanzminister scharf attackiert.
Aber auch Bundeskanzler Friedrich Merz hat zuletzt einen harten Plan für Krankenkassen ins Spiel gebracht. Diese Forderung würde die Versicherten voll treffen. Er will die Leistungen kürzen.
Viel Kritik erntete der Finanzminister danach auch von Seiten der Sozialverbände. Beim VdK Deutschland kommentierte die Präsidentin Verena Bentele sehr deutlich. "Die vom Bundesfinanzminister geforderten Einsparungen legen der geplanten Kommission zur Reform der Sozialversicherungen bereits vor Arbeitsaufnahme Fesseln an."
Sozialverband warnt vor Kürzungen bei den Krankenkassen-Leistungen
Kanzler Merz hatte sich wiederum im Sommerinterview bei der ARD für die Senkung der Ausgaben der Kassen ausgesprochen. Man müsse über das Leistungsniveau sprechen und die Beitragszahler in die Pflicht nehmen. Merz erklärte: "Wo fängt Eigenverantwortung an? Wo hört Eigenverantwortung auf und geht in Solidarität über?"
Für den Sozialverband VdK bleiben die Leistungen der Kassen unantastbar. Gegenüber inFranken.de heißt es dazu auf Nachfrage: "Der VdK warnt davor, bei der Ausgabenseite zu sparen, indem Leistungen gekürzt werden. Das würde auf Kosten der Versicherten und ihrer Versorgung gehen und wäre deshalb nicht zu akzeptieren".
Der Verband fordert hingegen ein "gerechtes Steuersystem, um dringend notwendige sozialpolitische Aufgaben finanzieren zu können". VdK: "Es ist an der Zeit, dass dafür die Superreichen in diesem Land endlich stärker in die Verantwortung genommen werden und ihren Beitrag für eine gerechte Gesellschaft leisten. Der VdK fordert die Wiedererhebung der Vermögensteuer." Auch eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze käme für den Sozialverband infrage.
GKV: Klare Ablehnung der Merz-Pläne
Auch beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen GKV reagiert man auf Anfrage mit einer deutlichen Ablehnung für die Pläne von Bundeskanzler Friedrich Merz. Dazu heißt es: "Wir glauben nicht, dass wir die Diskussion um die notwendigen Reformen mit Leistungskürzungen für kranke Menschen beginnen sollte. Im Sozialgesetzbuch steht, dass alle gesetzlich Versicherten Anspruch auf die Leistungen haben, die notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Wer möchte diesen Grundsatz ändern?"
Man wünscht sich eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Man müsse wieder "zu einem Gleichgewicht von Ausgaben und Einnahmen zurückkehren". GKV-Sprecher Florian Lanz: "Wir haben das Ausgabenmoratorium genannt, um deutlich zu machen, dass die Ausgaben nicht mehr schneller steigen dürfen als die Einnahmen. Bei der Umsetzung eines solchen Ausgabenmoratoriums muss keine Leistung gestrichen werden. Es werden lediglich künftige Preis- und Honorarzuwächse an die tatsächliche Einnahmenentwicklung der Krankenkassen gekoppelt."
Die Reformen müssten dafür sorgen, "dass sich das Versorgungsangebot nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten richtet und finanzierbar ist". GKV: "Also zum Beispiel überall dort ein Krankenhaus, wo es benötigt wird und das zuverlässig in hoher Qualität. Aber unnötige Doppelstrukturen abbauen, Abteilungen, die nicht benötigt werden oder nur schlechte Qualität bringen, schließen."
Sozialverband attackiert Klingbeil für Spar-Ansage für das Gesundheitssystem
Nach der Ansage im Sommerinterview durch Kanzler Merz folgte Ende Juli der nächste Krach um die Krankenkassen.
Finanzminister Lars Klingbeil hat mit dem Bundeshaushalt für 2026 und mit einem deutlichen Spar-Druck auf das Gesundheits- und Pflegesystem für weiteren Ärger gesorgt.
Der Sozialverband VdK hatte kurz danach von einer möglichen Klage gegen die Bundesregierung gesprochen und sich mit harter Kritik an Klingbeil und dem Staat nicht zurückgehalten.
Zu viele Krankenkassen im System?
Einen weiteren Punkt sieht man in der Politik offenbar in der Anzahl der Anbieter. Aktuell gibt es noch 94 Krankenkassen in Deutschland. Vor gut zehn Jahren waren es noch etwa 122.
Gegenüber der Bild-Zeitung machte zuletzt Klaus Holetschek, Chef der CSU im Bayerischen Landtag, klar: "Es kann nicht sein, dass wir über Milliardendefizite reden, aber gleichzeitig fast 100 gesetzliche Krankenkassen mitfinanzieren."
Und auch der SPD-Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Jochen Ott, geht in die gleiche Richtung und setzt auf "weniger Kassen und weniger unnötigen Untersuchungen, dafür mehr Einzahler und eine finanziell solideren Basis".
TK-Chef sieht Vorteil durch Vielfalt an Krankenkassen
Die Anzahl der Anbieter macht für Baas keinen Unterschied. Bereits in einem Beitrag der ZDF-Sendung WISO stellte der TK-Chef heraus, dass weniger Kassen nur wenig Besserung bringen würden. Ließen sich denn überhaupt Kosten damit sparen?
Baas: "Fast gar nicht. Die Aufgaben wären nicht anders. Man könnte vielleicht ein paar Vorstände sparen. Aber die Gesamtkosten für die Verwaltung, die alle Krankenkassen so haben, liegen bei bisschen über vier Prozent. Würden wir alle umsonst arbeiten, alle blieben zu Hause, wir hätten gar keine Kosten mehr, dann würde es nicht mal ausreichen, um den Kostenanstieg von dem einen auf das andere Jahr aufzufangen."
Hier kommen, so erklärt er es, etwa fünf bis sechs Prozent zusammen. Der Wettbewerb der Kassen würde demnach sogar eher dazu führen, dass die Anbieter ihre eigenen Kosten gering halten wollen. Nur so kann man gute Angeboten für möglichst attraktive Beitragsätze an Versicherte machen.
Krankenkassen-Krise: Politik lenkt vom Problem ab
Für den Spitzenverband der Krankenkassen stellt die Anzahl der Anbieter nicht das Problem dar. Dazu heißt in der Antwort von GKV-Sprecher Lanz an unsere Redaktion: "Ich glaube, mit dem Thema, dass es angeblich zu viele gesetzliche Krankenkassen gibt, soll lediglich vor den grundlegenden strukturellen Problemen abgelenkt werden."
Und Lanz wird sehr deutlich: "Wer ernsthafte Reformen im Gesundheitswesen will, sollte sich nicht von der Alibidebatte um die Anzahl der Krankenkassen ablenken lassen. Die Anzahl der Krankenkassen sollte im Wettbewerb entschieden werden."
Nicht von der Alibidebatte ablenken lassen.
GKV-Sprecher Florian Lanz
Viel zu kurz kommt Jens Baas von der Techniker Krankenkasse bei der ganzen Diskussion um die Kosten-Krise der Krankenkassen, eine ganz bestimmte Rolle der Bundesregierung. Sowohl im WISO-Beitrag, als auch bei seiner Attacke auf Bundesfinanzminister Lars Klingbeil betont er, dass die Politik nicht ihrer Aufgabe nachkommen würde.
Baas: "Der Staat bedient sich auch relativ schamlos an den Geldern der gesetzlich Versicherten. Sie zahlen die Versicherungen von Bürgergeldempfängern." Die Beiträge für sie, so erklärt es Baas übernimmt der Staat nur zum kleinsten Teil. Den größeren Anteil tragen die gesetzlich Versicherten. Bei seinem Kommentar auf LinkedIn wurde der Vorstandsvorsitzende dann noch deutlicher und sprach den Finanzminister direkt an: "Allerdings unterschlagen Sie das winzige Detail, dass unsere Versicherten und ihre Arbeitgeber jedes Jahr alleine schon 10 Milliarden Euro für die Versicherung von Bürgergeld-Empfängern aufbringen müssen! Eine Aufgabe, die unzweifelhaft in Ihr Ressort und von Steuern finanziert gehört."
Auch von GKV-Sprecher Lanz ist gegenüber inFranken.de ein eindringlicher Aufruf an die Bundesregierung zu hören: "Gesetze werden im Parlament entschieden und wir appellieren an die Abgeordneten, die gesetzliche Krankenversicherung endlich ernsthaft zu stärken."
Staat zahlt seine Rechnungen nicht – Kassen-Chef wird deutlich
Blatt im Interview beim Deutschlandfunk: "Das ist gesetzlich geregelt, dass es der Staat bezahlt und nicht der Beitragszahler. So, und wir machen das. Wir sind nett, wir machen das auch gut. Aber wir bekommen das Geld nicht zurück."
Der Kassen-Chef spricht dabei auch erneut von der immer größer werden Schwere zwischen den Einnahmen und den Ausgaben.
Gesetzliche Krankenversicherung für alle lehnt Merz ab – Lob für private Kassen
In seiner Sommer-Pressekonferenz hatte Kanzler Friedrich Merz am Freitag, 18. Juli 2025, auch nochmal bekräftigt, dass eine gesetzliche Krankenversicherung für alle keinen Sinn machen würde. Merz: "Wenn Sie sich die Zahlen etwas genauer anschauen, dann sehen Sie, dass diejenigen, die privat krankenversichert sind, einen weit überproportionalen Beitrag für das System leisten. Ich sage es einmal ganz einfach, mit einfachen Worten: Wenn Sie den Mercedes verbieten, wird der Golf teurer. Das kann man machen."
Mit dieser Aussage stößt Merz beim Sozialverband VdK auf massiven Widerstand. VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Die gesetzliche Krankenversicherung ist kein Produkt, bei dem der Preis durch eine höhere Nachfrage steigt. Bei den Sozialversicherungen tritt genau das Gegenteil ein: Zahlen mehr Menschen, insbesondere die sehr gutverdienenden, freiwillig privat Versicherten, Abgeordnete und Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein, dann sinken die Beiträge für alle."
Anders als für die gesetzlichen Krankenkassen hatte der Bundeskanzler zuletzt in dem Zusammenhang für die privaten Krankenversicherungen (PKV) lobende Worte parat. Laut einem Bericht der Ärzte Zeitung erklärte er, dass die PKV "überproportional zur Stabilität des Systems" beitragen würde.