Klimageld-Frage offen: Wann das Geld jetzt kommen soll – Regierung nennt Zeitpunkt

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Brennstoff für die Öl- oder Gasheizung, Sprit fürs Auto, das alles wird durch den Anstieg des CO₂-Preises teurer - auch um das Klima zu schützen. Eigentlich wollte die Ampel-Regierung als Kompensation ein Klimageld an alle Bürger zahlen.

Heizen und Tanken sind mit dem Jahreswechsel teurer geworden - doch Entlastung durch das von der Ampel-Regierung versprochene Klimageld ist nicht in Sicht. Zumindest nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Dabei hatten SPD, Grüne und FDP das Vorhaben schon vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag vereinbart: Wenn der CO₂-Preis aus Klimaschutzgründen steigt, soll es zum Ausgleich Geld aufs Konto der Bürgerinnen und Bürger geben. Doch angesichts der knappen Kassen ist plötzlich offen, ob sich der Bund das überhaupt leisten kann. Und wenn ja, wann?

Für die technische Umsetzung ist Finanzminister Christian Lindner (FDP) zuständig. In seinem Ministerium sah man sich jüngst noch voll im Zeitplan. Lindner sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Ab 2025 können wir technisch eine Pro-Kopf-Auszahlung vornehmen. Damit liegen wir im Plan. Ob wir die Förderlandschaft in diese Richtung politisch umbauen, das wird nach der nächsten Wahl zu entscheiden sein." Die Idee des Klimageldes sei es, den Menschen die Einnahmen aus dem CO₂-Preis pro Kopf zurückzuüberweisen. "Gegenwärtig werden die Einnahmen aber genutzt für die Förderung von Heizungen, Gebäudesanierung, grüner Stahlproduktion, Ladesäulen für E-Autos und so weiter". Man könne das Geld nicht zweimal ausgeben.

Enger Finanz-Spielraum: Wann Bürger mit dem Klimageld rechnen können

Zunächst müssen erst einmal die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Bislang gibt es für den Bund keinen Weg, Geld direkt auf das Konto der Bürgerinnen und Bürger zu überweisen. Dafür muss der Bund die Steuer-Identifikationsnummer, die jeder mit Geburt erhält, mit einer Kontonummer verbinden. Außerdem sind pro Tag nur eine bestimmte Anzahl an Überweisungen möglich.

Zumindest bei diesem Problem will man jetzt vorankommen: "Voraussichtlich bis Ende 2024 wird zur Steuer-Identifikationsnummer aller Bürgerinnen und Bürger, die bereit dazu sind, eine dazugehörige IBAN gespeichert sein", heißt es im Finanzministerium. Das bedeutet aber nicht, dass dann auch ein Klimageld ausgezahlt wird. Politisch sei die Ausgestaltung des Klimagelds noch nicht entschieden, sagte Staatssekretärin Katja Hessel.

Für die Bürgerinnen und Bürger rückt das Klimageld immer weiter in die Ferne. Nach neuester Auskunft der Bundesregierung soll es spätestens 2027 eingeführt werden - also bis deutlich nach dem Ende dieser Wahlperiode. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte am Montag (15. Januar 2024), dass der erforderliche Mechanismus bis dann vorhanden sei und auch wirksam werden solle. Die nächste Bundestagswahl ist im Herbst 2025. Hebestreit begründete das mit Änderungen im europäischen Emissionshandel, die ab 2027 greifen. Ab dann sollen sich die Preise für den CO2-Ausstoß von Gebäuden und Verkehr dort bilden. Für die Menge der verfügbaren Zertifikate, die zum CO2-Ausstoß berechtigen und mit denen gehandelt werden kann, soll es dann Obergrenzen geben.

Lindner "beerdigt" Klimageld für diese Legislaturperiode 

Auch im deutschen Emissionshandel werde eine deutliche Steigerung des CO2-Preises ab 2026 oder 2027 erwartet, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Dann sei mit deutlichen Preissteigerungen bei fossilen Energien und Kraftstoffen zu rechnen. Als Ausgleichsmaßnahme sei dann das Klimageld angedacht. Hebestreit wies aber auch darauf hin, dass die Regierung die Energiepreise schon mit anderen Mechanismen gesenkt habe. So hatten Regierungsvertreter betont, Stromverbraucher müssten die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms nicht mehr finanzieren.

Die Grüne Jugend reagierte am Montag entrüstet auf die Äußerungen Lindners. "Dass Christian Lindner als Randnotiz das Klimageld für diese Legislatur beerdigt, ist eine Klatsche für den Klimaschutz", sagte die Co-Chefin der Grünen-Nachwuchsorganisation, Svenja Appuhn, der dpa. "Wer den dringend nötigen sozialen Ausgleich so leichtfertig aufgibt, verspielt Mehrheiten für Klimaschutz und riskiert, dass Menschen in die Arme von Rechten getrieben werden."

Aus Sicht der FDP-Fraktion kannn das Klimageld ab 2025 ausgezahlt werden, "wenn dafür Subventionen im Klima- und Transformationsfonds wegfallen, die den Klimaschutz ohnehin nur wenig voranbringen", wie Fraktionsvize Lukas Köhler sagte. Es seidaher vernünftig, dass Minister Lindner "keine finanziellen Luftschlösser mit Geldern baut, die vom Wirtschaftsminister bereits anderweitig verplant wurden".

Kein Geld mehr fürs Kilmageld?

Am Ende wird das Klimageld auch eine Frage der verfügbaren Mittel sein. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der Welt: "Ich wüsste nicht, wie man das unter den derzeitigen Bedingungen noch finanzieren sollte." Geboten sei es aber mehr denn je. Auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sieht den Spielraum durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts stark eingeengt. Die Einnahmen aus dem CO₂-Preis müssten zunächst die nun fehlenden Mittel für Förderprogramme und weitere Maßnahmen für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft ersetzen, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Hessel regte eine Reform der Förderpolitik an. "Momentan sind alle Einnahmen aus dem CO₂-Preis für Fördermaßnahmen im Klimabereich oder für Subventionen wie die Förderung von Chipfabriken verplant", sagte sie. Wolle man ein Klimageld auszahlen, müsse die Förderpolitik grundsätzlich verändert werden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sieht in solchen Aussagen eine versteckte Botschaft. Sollte für die FDP eine Konsequenz aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sein, dass es kein Klimageld geben wird, "dann muss sie das offen sagen", mahnte er zuletzt in einem Interview mit Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten.

Den CO₂-Preis für alle fossilen Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel gibt es in Deutschland seit 2021. Der Verbrauch dieser Rohstoffe wird dadurch teurer, was zum Klimaschutz beitragen soll. Zuletzt hatte sich die Koalition im Ringen um den Bundeshaushalt darauf geeinigt, dass der CO₂-Preis zum 1. Januar noch etwas stärker steigen soll als bislang geplant. "Der CO₂-Preis schafft einen Anreiz für klimaverträgliches Verhalten", erklärte Ramona Pop, Chefin der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), in der Frankfurter Rundschau

Vorstoß der Verbraucherzentralen: 139 Euro für jeden

Die Einnahmen daraus müsse allerdings "über ein Klimageld" an alle Verbraucherinnen und Verbraucher zurückerstattet werden, forderte sie. Ansonsten sei die CO₂-Abgabe neben den hohen Energiepreisen eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Bürger. 

Wie die FR berichtet, würden laut Berechnungen von Verbraucherschützern private Haushalte rund drei Viertel der Zahlungen für die CO₂-Bepreisung seit 2021 leisten. Unternehmen würden lediglich das restliche Viertel zahlen, aber die Beträge über ihre Produktpreise indirekt an die privaten Verbraucher weitergeben. Das Bundeswirtschaftsministerium habe laut ARD-Hauptstadtstudio auf den Klima- und Transformationsfonds verwiesen, in den die zusätzlichen Einnahmen aus dem CO₂-Preis geflossen seien. So sei das Geld durchaus bei den Bürgern gelandet und die Verbraucher gezielt unterstützt worden, heißt es weiter. 

Nach Ansicht von Verbraucherschützern geht Habecks Rechnung zudem nicht auf. Die Gesamteinnahmen durch den CO₂-Preis seien deutlich höher als die Entlastung bei der EEG-Umlage, argumentiert der vzbv. Rechnerisch stünde jeder Bürgerin und jedem Bürger für die vergangenen drei Jahre daher ein Klimageld von 139 Euro zu. Eine vierköpfige Familie müsste 556 Euro erhalten. Bei der aktuellen Einwohnerzahl Deutschlands müsste der Bund etwa 11,76 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Im Etat für das kommende Jahr, so argumentieren Haushaltspolitiker, gebe es diesen Spielraum aber nicht.

Klimageld soll soziale Folgen abfedern - Details sind trotzdem noch nicht definiert

Ursprünglich sollte das Klimageld die sozialen Folgen abfedern. Zuletzt argumentierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Bürger würden schon entlastet werden, weil der Staat die EEG-Umlage beim Strompreis übernehme. Fast alle Einnahmen aus dem CO₂-Preis flössen so an die Menschen zurück. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung allerdings festgehalten, das Klimageld soll als "sozialer Kompensationsmechanismus über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus" entwickelt werden.

Politisch sind die Details zum Klimageld noch nicht definiert. So hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm 2021 gefordert, den Ausgleich erst bei einem CO₂-Preis von 60 Euro pro Tonne zu zahlen. Davon ist man noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr verzichtete die Ampel wegen der Energiekrise auf eine Erhöhung. Um das Milliardenloch nach dem Karlsruher Haushaltsurteil zu stopfen, ist er nun mit den Änderungen im Januar 2024 von 30 direkt auf 45 Euro pro Tonne gestiegen.

Der Ökonom Matthias Kalkuhl nennt die Steigerung zum Jahreswechsel einen "Schritt in die richtige Richtung, um Emissionseinsparungen und Investitionen in CO₂-arme Technologien anzureizen". Aber: "Damit sich mehr Bürger von fossilen Heizungen und Verbrennerautos verabschieden, müsste er deutlich höher sein als vom Bundeskanzler und den Ministern nun geplant", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Kalkuhl ist Professor für Klimawandel, Entwicklung und Wirtschaftswachstum an der Universität Potsdam und leitet eine Arbeitsgruppe beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.

Forscher warnt: CO₂-Preise bergen enormen sozialen Sprengstoff

Bewirkt der kletternde CO₂-Preis eigentlich die erhoffte Verhaltensänderung? Für Deutschland gebe es dazu keine verlässlichen Erkenntnisse, sagt Kalkuhl. "Jedoch wissen wir aus einer Vielzahl von empirischen Untersuchungen für die EU, China und Nordamerika, dass allein die Einführung von CO₂-Preisen - auch wenn die Preise anfänglich niedrig sind - zu bedeutsamen Emissionsreduktionen geführt hat. Wir gehen daher davon aus, dass auch in Deutschland die Emissionen dadurch bereits gesenkt wurden."

Ökonom Kalkuhl warnt dennoch. "Hohe CO₂-Preise bergen enormen sozialen und politischen Sprengstoff - wenn die Einnahmen aus der Bepreisung nicht an die Bevölkerung zurückerstattet werden." Die Zeit für ein Konzept dränge, da Deutschland seine Klimaziele wohl nicht erreichen werde. "Das Klimageld wird nicht alle Akzeptanzprobleme lösen", mahnt Kalkuhl. "Doch ohne ein Klimageld, ohne einen sozialen Ausgleich ist eine erfolgreiche Klimapolitik kaum vorstellbar."

Die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm kritisierte in der Rheinischen Post, dass das Klimageld nicht schon vor dem Anstieg des CO₂-Preises eingeführt wurde und mahnte die Bundesregierung, dies nachzuholen. "Das Klimageld hat eine sehr positive umverteilende Wirkung - zum einen von den hohen zu den niedrigen Einkommen, zum anderen von denjenigen mit hohem hin zu denjenigen mit niedrigem CO₂-Fußabdruck", sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Auszahlung des Klimagelds laut Habeck noch nicht gerechtfertigt

Vor dem 15. Januar 2024 hatten sich letztmalig führende Vertreter der Bundesregierung im Sommer 2023 zum Stand des Klimagelds geäußert. Im Podcast "Lage der Nation" versprach Bundeswirtschaftsminister Habeck, dass das Klimageld kommen würde. Wahrscheinlich aber noch nicht 2024. Außerdem vertrat er die Auffassung, dass die Höhe des Klimagelds derzeit noch zu gering sei, um eine Auszahlung zu rechtfertigen.

ami/mit dpa

Vorschaubild: © Monika Skolimowska (dpa-Zentralbild)