Nächtliches Phänomen: Warum wir im Traum keine Gesichter erkennen können

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Träume sind oft vage und Gesichter erscheinen selten klar erkennbar.
Träume sind oft vage und Gesichter erscheinen selten klar erkennbar.
CC0 / Pixabay / popmelon

Im Traum erscheinen dir sogar vertraute Menschen häufig mit undeutlichem Gesicht. Das Antlitz wirkt verschwommen oder ist gar nicht im Focus. Warum ist das so?

Menschen versuchen schon immer, Träume zu deuten. Oft erleben wir im Traum sehr unrealistische Dinge und versuchen Erklärungen dafür zu finden. Tauchen Menschen in unseren Träumen auf, wissen wir zwar oft, wer es ist, aber meist sind sie gesichtslos. Warum sehen wir keine konkreten Gesichtszüge?

Warum erkennst du keine Gesichter im Traum?

Könntest du aus dem Stegreif das Gesicht eines Freundes oder Familienmitgliedes beschreiben oder gar malen? Wahrscheinlich eher nicht. Du erinnerst dich zwar an Gesichter und erkennst Personen, wenn du sie siehst, aber dir das Gesicht nur im Gedächtnis abzurufen, fällt schwer. Erscheinen dir deswegen im Traum die Gesichter nur ungenau?

Es gibt neurologische und psychologische Gründe, warum wir im Traum keine klaren Gesichter erkennen. Während des Träumens fährt die Gehirnaktivität herunter. Das heißt, die Abteilung, die für das logische Denken und die Verarbeitung von Details zuständig ist, macht Pause. Deswegen fällt es uns schwer, uns in diesem Zustand an detaillierte und klare Bilder, wie Gesichter, zu erinnern. Außerdem speichert unser Gehirn keine fotografisch genauen Abbilder von Gesichtern, sondern nur allgemeine Züge und Gefühle, die wir mit diesen Gesichtern verbinden.

In der Forschung geht man davon aus, dass im Traum nur Gesichter von Personen auftauchen, die wir gut kennen. Im Wachzustand werden Informationen direkt vom Auge zum Gehirn geschickt. Im Traum dagegen muss das Gehirn auf Erinnerungen zurückgreifen, die wesentlich ungenauere Informationen als visuelle Reize liefern. Bei der Kombination dieser Meldungen kommt es zu Überlagerungen und Verzerrungen, und dir erscheint alles etwas verschwommen. Im Traum geht es darum, Gefühle und Erlebtes zu verarbeiten, daher ist eine präzise Abbildung bestimmter Dinge nicht nötig.

Was passiert in deinem Gehirn beim Träumen?

Wir träumen alle, aber nicht jeder Mensch erinnert sich am Morgen an seine Träume. Manche behaupten sogar, sie würden gar nicht träumen. Im Allgemeinen empfinden wir Träume als flüchtig, irreal und manchmal sogar angsteinflößend. Warum erleben wir die Nacht so unterschiedlich? Du vergisst deine Träume, da das Geträumte nicht ins Langzeitgedächtnis übermittelt wird, um zu verhindern, dass Geträumtes sich mit der Erinnerung an wirklich erlebte Ereignisse überschneidet. Der Fachbegriff hierfür lautet Traumamnesie.

Traum- und Schlafforschung ist eine schwierige Angelegenheit, da es aufwändig ist, die Vorgänge im Gehirn zu messen und zu interpretieren. Schlafforscher nehmen das EEG (Elektroenzephalogramm) zu Hilfe, um zu erfassen, wann jemand träumt. Das EEG misst die elektrischen Vorgänge des Hirns, auch neuronale Aktivität genannt. Im wachen Zustand sind die Neuronen aktiver als im Schlaf. Das lässt sich grafisch abbilden. Die Messungen sagen aber nichts über die Trauminhalte aus. Zu den Inhalten müsste man die Personen befragen, was sich wegen der Traumamnesie schwierig gestaltet. Es gibt aber durchaus Unterschiede im Erinnerungsvermögen der Träumenden. Französische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass bei Menschen mit lebhaften Traumerinnerungen auch während des Schlafs zwei für die Aufmerksamkeit wichtige Hirnareale aktiv sind. Daher wachen die Schläfer häufiger kurz auf, das Gehirn wird aktiv, und die Träume bleiben ihnen besser im Gedächtnis.

Bereits 2013 haben japanische Wissenschaftler ein Computermodell entwickelt, das es in Ansätzen möglich macht, Inhalte der Träume auszulesen. Das Verfahren beruht darauf, dass man den Probanden Bilder zeigt und per MRT (Magnetresonanztomografie) misst, was sich dabei in welcher Gehirnregion abspielt. Schlafen die Patienten unter MRT-Beobachtung und erkennt man in den entsprechenden Arealen Aktivität, geht man davon aus, dass es dem im wachen Zustand gezeigten Bild entspricht. Die Testpersonen wurden im Anschluss befragt und die Trefferquote lag bei 50 %. Das Problem dieser Methode liegt darin, dass die MRT-Auswertung auf jeden einzelnen Studienteilnehmer individuell angepasst werden müsste. Das ist arbeitsintensiv und macht nur kleine Stichproben möglich.

Wie kannst du dich besser an deine Träume erinnern?

Neben der technischen Betrachtung der Träume sammeln Wissenschaftler auch Traumberichte von Personen. Das geht natürlich nur, wenn sich die Betreffenden noch an ihre Träume erinnern und vielleicht sogar Zusammenhänge mit dem Erlebten herstellen können.

Es gibt Menschen, die sich besser an ihre Träume erinnern als andere. Kann man diese Fähigkeit erlernen oder trainieren?  

Direkt nach dem Aufwachen solltest du den Traum noch einmal durchgehen. Wichtig ist es, sich nicht nur die Bilder vor Augen zu führen, sondern auch Gefühle, Gerüche und Geräusche. Anschließend schreibst du die Erinnerungen in ein Traumtagebuch, das du direkt neben dem Bett deponierst. Du kannst natürlich eine Audiodatei auf dem Handy anlegen, wenn dir das leichter fällt. Du wirst sehen, dass es immer besser klappt, dich an deine Träume zu erinnern.

Warum träumst du überhaupt?

Die Frage, warum wir träumen, konnte bisher noch nicht allumfassend beantwortet werden. Seit jeher versuchen sich Menschen an der Traumdeutung. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, vertrat im 19. Jahrhundert die Ansicht, dass sich in Träumen das Unterbewusstsein meldet und verborgene Wünsche ans Licht treten. Moderne Psychologen meinen, dass Träume unsere Gefühle widerspiegeln und anzeigen, was uns stark bewegt.

Hirnforscher halten Trauminhalte für reine Zufallsproduktion und unwichtig. Im Gehirn wird alles Erlebte verarbeitet und mit dem Langzeitgedächtnis synchronisiert. Träume könnten ein Nebenprodukt dieses Vorganges sein. Finnische Wissenschaftler meinen, der Traum könnte uns auf gewisse Situationen vorbereiten, damit wir ihnen im realen Leben besser entgegentreten können.

Vermutlich liegt die Lösung in einer Kombination mehrerer Theorien. Mit den Fortschritten der Neurowissenschaft und Psychologie erfahren wir vielleicht in der Zukunft mehr über die Notwendigkeit und Bedeutung des Träumens.

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