Übergewicht: „Das ist wie ein Fluch“

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Mit einer Bauchmessung lässt sich schnell und einfach herausfinden, ob das Gewicht passt. Bei rund zwei Drittel der deutschen Männer und mehr als der Hälfte aller Frauen ist das leider nicht der Fall.
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Archivfoto: Peter Rauch
Diätassistentin Gabriele Langer und Chefarzt Dr. Ulrich Dreher halten heute Abend einen Vortrag zum Thema Übergewicht – und wie es sich vermeiden lässt.
Foto: Ralf Dieter

Der Begriff Volkskrankheit ist angebracht. Übergewicht ist für viele Krankheiten mit verantwortlich. Tipp: Rechtzeitig reagieren. Chefarzt Dr. Ulrich Dreher und Diätassistentin Gabriele Langer von der Klinik Kitzinger Land erklären wie.

Der Begriff Volkskrankheit ist angebracht. Und die hat dramatische Ausmaße angenommen. Für die Gesundheit von Millionen Menschen genauso wie für die Finanzierung des Gesundheitswesens. Dabei lässt sich Übergewicht vermeiden. Chefarzt Dr. Ulrich Dreher und Diätassistentin Gabriele Langer von der Klinik Kitzinger Land erklären wie.

Ab wann gilt ein Mensch als übergewichtig?

Dr. Dreher: Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25. Ab einem BMI von 30 sprechen wir von Adipositas. Also von einer krankhaften Fettleibigkeit.

Wie viele Menschen fallen unter diese Kategorie?

Dr. Dreher: Zweidrittel der Männer sind übergewichtig. Und über die Hälfte der Frauen. Etwa ein Viertel der Männer und Frauen sind adipös.

Eine Folge unserer Wohlstandsgesellschaft?

Dr. Dreher: Diese Zahlen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Genauso wie die Kosten für die Folgeschäden.

Das heißt?

Dr. Dreher: Die Gesundheitskassen haben schon 2003 mit rund 13 Milliarden Euro gerechnet, die für Folgeerscheinungen von Übergewicht aufgebracht werden mussten. Im Jahr 2020 sollen es bereits 25 Milliarden Euro sein. Und wir reden dabei nur von Deutschland.

Wie konnte es zu dieser Entwicklung kommen?

Dr. Dreher: Sie müssen sich nur einmal in ihrem Umfeld umschauen. Es gibt kaum noch körperliche Arbeit, wir sitzen viel zu viel und bewegen uns viel zu wenig.

Langer: Und wir ernähren uns falsch.

Dr. Dreher: Mit gravierenden Folgen für unsere Gesundheit.

Was sind denn die schlimmsten gesundheitlichen Folgen von Übergewicht?

Langer: Letztendlich wirkt sich Übergewicht auf viele Teilbereiche unseres Körpers aus. Denken Sie an Diabetes mellitus, den sogenannten Alterszucker, der jetzt auch schon bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Etwa 80 Prozent der Patienten erkranken daran wegen Übergewicht. Alleine für diesen Bereich gehen die Kassen von Kosten in Höhe von rund zehn Milliarden Euro aus. Betroffen sind auch das Herz-Kreislauf-System, die Wirbelsäule, Hüfte, Knie, Gelenke. Es gibt auch klare Indizien, dass Tumore und Demenz etwas mit Übergewicht zu tun haben.

Klingt schrecklich. Was tun?

Langer: Frühzeitig auf die Waage schauen und den Taillenumfang beobachten.

Wieso den Taillenumfang?

Dr. Dreher: Weil das Bauchfett am gefährlichsten für gesundheitliche Folgeschäden ist. Die Herzinfarkt-Gefahr steigt beispielsweise mit dem Umfang der Taille.

Ab welchem Umfang wird es denn gefährlich?

Langer: Bis 80 ist er bei Frauen Okay. Ab 88 beginnt schon die Phase der Adipositas. Bei Männern beginnt diese Gefahr bei 102 Zentimetern Bauchumfang. Bis 96 Zentimeter ist noch alles in Ordnung.

Dr. Dreher: Wir sollten deshalb frühzeitig darauf achten, wohin die Reise geht. Sind Folgeschäden wie kaputte Gelenke oder Herzschwäche erst einmal aufgetreten, wird es schwierig.

Warum?

Dr. Dreher: Je mehr Gewicht ich mit mir herumtrage, desto schwerer fällt es, abzunehmen. Je mehr ich auf die Waage bringe, desto weniger kann ich mich bewegen. Das ist wie ein Fluch. Die Lebensqualität sinkt mit steigendem Gewicht. Ohne Bewegung wird es mit dem Abnehmen nicht klappen.

Aber es gibt doch so viele Diäten.

Langer: Vorsicht vor diesen Modeerscheinungen. Beim Abnehmen geht es in der Regel darum, die Energiezufuhr einzuschränken. Und dafür muss ich wissen, wie viele Kalorien die Lebensmittel haben, die ich zu mir nehme. Mit einer Handvoll Erdnüsse bin ich schon bei 500 Kalorien. Das deckt bei Frauen mit Normalgewicht schon ein Viertel des Tagesbedarfs.

Also diszipliniert mit sich selbst sein.

Langer: Sicher, aber es darf nicht in eine Art Selbstkasteiung ausarten. Am besten setze ich mir ein längerfristiges, erreichbares Ziel: Innerhalb von 14 Tagen sollte meine Energiebilanz ausgeglichen sein. Dann kann ich auch mal zwischendurch ein Stück Schokoladen essen. Viele Menschen scheitern, weil sie ihre Ziele zu hoch gesteckt haben.

Dr. Dreher: Und wer mehrmals gescheitert ist, der hat keine Lust mehr aufs Abnehmen.

Es gibt immer mehr übergewichtige Menschen, die sich operieren lassen. Eine gute Entwicklung?

Dr. Dreher: Mit dieser Methode kann man tatsächlich drastisch abnehmen und das neue Gewicht auch tatsächlich halten. Der Preis dafür ist eine Verstümmelung des Körpers. Ein Teil des Magens wird entfernt oder ein Bypass gelegt. Letztendlich ist dies der absolute Notknopf, den man noch drücken kann.

Was ist besser?

Langer: Viel Obst, Gemüse und Salat zu essen und sich körperlich betätigen. Wir laufen im Schnitt etwa 1000 Schritte am Tag, das ist viel zu wenig. 10 000 Schritte wären gut.

Dr. Dreher: Deshalb Treppen steigen statt den Aufzug nehmen. Zur Arbeit laufen oder Rad fahren, wenn der Weg nicht zu weit ist.

Langer: Gerne auch Sport in Gruppen treiben. Die Gruppendynamik hat da durchaus positive Effekte.

Dr. Dreher: Ich würde Ernährung ja als Schulfach etablieren. Das ist meiner Meinung nach so wichtig wie Englisch.

Mit Selbstdisziplin alleine wird sich die Entwicklung nicht stoppen lassen?

Dr. Dreher: Da bin ich sehr skeptisch. Weltweit gesehen sind bereits 2,1 Milliarden von sechs Milliarden Menschen übergewichtig. Vielleicht könnte man ein Umdenken erreichen, wenn man den Kassenbeitrag in Relation mit dem BMI setzt.

Vortrag: „Ich bin rund, na und?“ Am heutigen Mittwoch, 23. November, 19.30 Uhr im Gemeinschaftsraum der Klinik Kitzinger Land, Ebene 1.