Jetzt also doch: Eine dritte große Stromtrasse für Bayern, die Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) einst wegverhandelt haben wollte, ist in Planung. Betroffen ist vor allem Unterfranken.
Die geplante Stromtrasse SuedWestLink soll grüne Energie aus dem Norden nicht nur nach Baden-Württemberg, sondern auch direkt nach Bayern bringen. Die Bundesnetzagentur habe die Planungen zum Stromnetzausbau in Bayern fortgeschrieben und dabei diesen Teil aufgenommen, teilte das bayerische Wirtschaftsministerium am Donnerstagabend (8. Februar 2024) mit. Damit könnte Strom aus dem Norden in Zukunft über drei Mega-Leitungen in den Freistaat fließen, bisher waren hierfür die zwei großen Gleichstromtrassen (HGÜ) SuedLink und SuedOstLink geplant. Eine dritte große Stromtrasse für Bayern war seit Längerem im Gespräch.
Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) habe die betroffenen Landräte in Unterfranken am Donnerstag über die neuen Pläne informiert. Bis dato hatte die Bundesnetzagentur einen Planungshorizont bis 2037. "Jetzt wird von der Bundesnetzagentur bis 2045 vorausgeplant, um bis dahin eine klimaneutrale Stromversorgung zu realisieren", sagte der Freie-Wähler-Chef. "Dadurch ändern sich die Planungen für den Stromnetzausbau in Unterfranken."
SuedWestLink soll Strom direkt nach Bayern bringen
Die Leitung, die ursprünglich durch Unterfranken hindurch nach Baden-Württemberg weitergeführt werden sollte, werde nach dem neuen Plan eine Abzweigung in den Freistaat erhalten und sei damit auch für die bayerische Stromversorgung nutzbar. So komme eine zusätzliche Übertragungsleistung von zwei Gigawatt nach Bayern. Das entspreche etwa der Leistung von zwei Atomkraftwerken. Eine Inbetriebnahme könne wahrscheinlich im Laufe der 2030er Jahre erfolgen.
CSU und Freie Wähler hatten den Bau neuer großer Stromtrassen einst abgelehnt, vor allem der frühere CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer. "Monstertrassen", so hatten beide Parteien die Trassen verbal lange bekämpft - und sich damit immer wieder scharfe Kritik von Energieexperten eingehandelt. Auch Aiwanger hatte es 2019 noch, dem Bayerischen Rundfunk(BR) zufolge, als "großen Erfolg" bezeichnet, die Stromtrasse "wegverhandelt" zu haben. Grund für die überraschende Wende könnte eine Intervention der bayerischen Staatsregierung sein.
Die großen Stromnetzbetreiber planten in ihrem ersten Entwurf für den Netzentwicklungsplan 2037/45 noch ohne die zusätzliche Leitung zwischen Thüringen und Unterfranken. Vergangenen Sommer machte Bayern in seiner Stellungnahme zu den Plänen jedoch deutlich, dass die geplanten Leitungen nicht ausreichten. "Der Strombedarf der bayerischen Industrie und für die Wasserstofferzeugung in Bayern wird unterschätzt. In der Konsequenz wird der Übertragungsbedarf von und nach Bayern im aktuellen Netzentwicklungsplan zu gering angesetzt", hatte die Staatsregierung in einem Beschluss vom November beklagt. Nun hat die Bundesnetzagentur die zusätzliche Wechselstromleitung für notwendig erklärt, schreibt der BR.
Von Gegnern zu Fans: Söder und Aiwanger fordern auf einmal doch dritte Stromtrasse
Beim Baustart für Stromtrasse SuedOstLink in Niederbayern im Dezember hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sich dann für eine dritte Leitung aus ausgesprochen. Die Energieversorgung in Deutschland wackele - und hohe Energiepreise lähmten die Wirtschaft, sagte er damals. Auch Aiwanger, ehemals ein Gegner der Trassen, hatte zuletzt eine dritte Leitung gefordert.
Diese dritte Leitung für Bayern soll jetzt im unterfränkischen Trennfeld im Landkreis Main-Spessart enden. Dort sei ein Konverter zur Umwandlung des Gleichstroms in Wechselstrom erforderlich, der Flächenbedarf für die entsprechende Halle liege bei fünf Hektar. Wo genau die Kabel des SuedWestLink laufen soll, der insgesamt eine Übertragungsleistung von vier Gigawatt hat, ist noch offen. Dies werde in einem Planfeststellungsverfahren ermittelt. Festgelegt sei bisher fünf bis zehn Kilometer breiter Korridor.
Von einer Erdverkabelung sei auszugehen, unterstrich das Wirtschaftsministerium. Betroffen seien die Landkreise Bad Kissingen, Main-Spessart und Würzburg. Die Verlegung von Erdkabeln dauert nicht nur erheblich länger, sondern ist auch deutlich teurer als der Freileitungsbau. Die Kosten fließen in die bundesweit einheitlichen Übertragungsnetzentgelte ein. Aiwanger betonte laut BR bei einem Pressetermin aber, dass es gegenüber den ursprünglichen Plänen für die Stromleitung in deren neuen Version eine wesentliche Veränderung gibt: Sie soll zwar wie gehabt von Schalkau im südthüringischen Landkreis Sonneberg nach Grafenrheinfeld in Unterfranken führen. Allerdings nun nicht mehr in gerader Linie, sondern in einem Bogen nordwärts über Thüringer Gebiet. "Das hat den Vorteil, es geht weniger durch bayerisches Gebiet", verdeutlichte Aiwanger.
"Extreme Belastung für Mensch und Natur" - Landrat von Bad Kissingen äußert sich zu den Plänen
Zusätzlich ist laut Wirtschaftsministerium eine weitere Leitung oberirdisch von Schalkau in Thüringen über den Raum Münnerstadt (Landkreis Bad Kissingen) nach Grafenrheinfeld (Landkreis Schweinfurt) geplant. Ein Umspannwerk solle bei Münnerstadt entstehen, um die Energie aus der Region weiter transportieren zu können. Aiwanger bot allen von den Planungen Betroffenen die Unterstützung seines Ministeriums an. Bei anderen Trassenprojekten hatte sich bereits teilweise Widerstand bei den Anwohnern formiert.
Von den überraschenden Plänen sind nicht alle begeistert. Der Landrat, Thomas Bold, des Landkreises Bad Kissingen, durch den künftig sechs Stromleitungen führen sollen, ist nicht besonders erfreut. Er halte die Pläne für "eine extreme Belastung für Mensch und Natur." Er sei überrascht, wenn nicht gar bestürzt über die Pläne. "Ich wusste im Vorfeld weder, wie die neuen Pläne der Bundesnetzagentur aussehen, noch, dass sie in dieser Woche verkündet werden sollen", so Bold. "So richtig sprachlos aber macht mich die Tatsache, dass wir im Landkreis maximal betroffen sind von der Entscheidung. Sechs Trassen, die unsere Region durchschneiden – und durch manche Gemeinden wie Zeitlofs und Wartmannsroth verlaufen sogar mehrere Leitungen parallel. Zudem wird es große Eingriffe in Waldgebiete geben."
Dass für die Energiewende neue Stromleitungen verlegt werden müssen, sei dem Landrat vollkommen klar. "Wichtig aber ist, dass die Lasten gleichmäßig verteilt werden. Und das sehe ich aktuell nicht. Ich erwarte, dass hier eine entsprechende Kompensation erfolgt und dass wir unterstützt werden", so der klare Appell von Bold in Richtung München. "Gemeinsam mit dem Kreistag werde ich mich dafür einsetzen, dass die Energiewende und der damit zusammenhängende – notwendige – Trassenbau so verträglich wie möglich gestaltet werden.“