Antibiotika-Säfte für Kinder ohne deutsche Zulassung: Das müssen Eltern beachten

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Antibiotika-Säfte für Kinder ohne Zulassung in Deutschland: Das müssen Eltern beachten
Wegen eines gravierenden Mangels lockern mehrere Bundesländer die Einfuhrregeln bei Antibiotika-Säften für Kinder. Sind die Arzneien auch ohne deutsche Zulassung sicher?
Antibiotika-Säfte für Kinder ohne Zulassung in Deutschland: Das müssen Eltern beachten
Jan Woitas/dpa

Antibiotika sind knapp, vor allem Antibiotika-Säfte für Kinder. Medikamente aus dem Ausland, die in Deutschland eigentlich keine Zulassung haben, sollen Abhilfe schaffen. Was Eltern dazu wissen müssen.

"Die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen ist durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet. Eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung ist dringend erforderlich!", warnten Kinder- und Jugendärzte aus ganz Europa im April in einem offenen Brief. Viel geändert hat sich seither aber nicht. Ein fränkischer Kinderarzt hat bereits eine düstere Prognose aufgestellt.

Noch immer sind kindergerechte Fieber- und Schmerzmedikamente kaum zu bekommen. Auch das Antibiotikum Penizillin gebe es derzeit nicht, erklärte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er ist einer der Mitunterzeichner des offenen Briefes.

Antibiotika für Kinder fehlen: Das müssen Eltern über die neue Arznei-Regel wissen

Kurz bevor das Schreiben des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte veröffentlicht wurde, hatte das Bundesgesundheitsministerium offiziell bekannt gegeben, dass ein Versorgungsmangel bestehe. In der Bekanntmachung vom 19. April im Bundesanzeiger heißt es, speziell "antibiotikahaltige Säfte für Kinder" seien knapp. Das Problem dabei: "Für diese Arzneimittel steht oftmals keine alternative gleichwertige Arzneimitteltherapie zur Verfügung."

Daher wurde beschlossen, die Regeln für die betroffenen Medikamente vorerst zu lockern. Viele Bundesländer, zum Beispiel Bayern, haben sich das bereits zunutze gemacht und die Einfuhr von Antibiotika-Säften aus dem Ausland genehmigt, die keine Zulassung für den deutschen Markt haben. In den folgenden Bundesländern dürfen nicht zugelassene Mittel zum Einsatz kommen (Stand: 5. Mai 2023):

  • Baden-Württemberg
  • Bayern
  • Brandenburg
  • Bremen
  • Niedersachsen
  • Nordrhein-Westfalen
  • Rheinland-Pfalz

Hessen hat seine Bestimmungen am Donnerstag (4. Mai 2023) ebenfalls gelockert. Apotheken und Großhändler dürfen die Kinderarzneien im Ausland bestellen. Die Kennzeichnung und Packungsbeilage müssen dabei nicht in Deutsch sein - dennoch müssen die Medikamente von den Behörden für den deutschen Markt freigegeben sein.

Antibiotika-Säfte kommen oft bei Krankheiten zum Einsatz, die für Kinder sehr gefährlich sein können, zum Beispiel Lungenentzündungen oder Scharlach. Steht das passende Präparat nicht zur Verfügung, muss nach Angaben des BVKJ zu einem Antibiotikum der zweiten und dritten Wahl gegriffen werden, das aber schlechter wirkt und das Risiko für sich bildende Antibiotika-Resistenzen erhöht. Doch wie steht es um die Qualität der nicht zugelassenen Präparate?

Die fehlende Zulassung liegt in der Regel nicht an Mängeln bei dem Medikament, viel mehr liegt es an den Pharmaunternehmen. Haben die Hersteller kein Interesse, das Medikament in Deutschland zu vertreiben, bemühen sie sich erst gar nicht um die Zulassung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das bedeutet nicht, dass die Arznei die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt.

Nicht zugelassene Medikamente für Kinder: Sind Antibiotika-Säfte aus dem Ausland sicher?

"Das sind in anderen europäischen Ländern registrierte und zugelassene Medikamente. Die sind nur in Deutschland nicht registriert", betonte der ehemalige Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung". Auch der Apotheker Alexander Schmitz beruhigt Eltern: "Ich würde meinen Kindern in der EU zugelassene Antibiotika-Säfte verabreichen, ganz ruhigen Gewissens", sagte er laut RTL. Die Prüfstandards seien in der gesamten EU ähnlich, teils sogar identisch.

Allein die rechtliche Lage ist noch unklar. Zwar kommt es selten vor, dass in der EU zugelassene Medikamente schädlich sind. Wer haftet, wenn ein Kind durch die Einnahme eines importierten Antibiotika-Saftes zu Schaden kommt, muss dennoch im Detail geklärt werden. Eltern sollte sich bei Unsicherheiten an Kinderarzt oder -ärztin wenden. Entscheiden die Behandelnden über die Einnahme des Medikamentes, ist auch die Haftfrage geklärt. Auch Apotheker*innen können Eltern beraten und eine kompetente Einschätzung über mögliche Risiken geben.

Medikamentenmangel in Deutschland: Das sind die Ursachen

Ob die Notmaßnahme tatsächlich den Medikamentenmangel lösen wird? Fachleute haben wenig Hoffnung. Der Mangel an Antibiotika-Säften führte bereits in Apotheken dazu, dass Kunden, die Fiebersäfte kaufen wollten, weggeschickt werden mussten. Der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, forderte am Mittwoch (3. Mai 2023) in der "Rheinischen Post" den Aufbau einer "nationalen Antibiotika-Reserve".

Laut Fischbach und Schmitz fehl Penizillin derzeit europaweit. Schmitz geht nicht davon aus, dass es einen anhaltenden Überschuss an Antibiotika-Säften im Ausland geben wird. Der Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) gibt dafür der Pharmabranche die Schuld. Die Branche habe in der Vergangenheit Lieferketten mit Produktionsstätten im Ausland aufgebaut, die sich jetzt als instabil erwiesen, so der Vorsitzende Florian Lanz laut der Deutschen Presse-Agentur. So sind in Deutschland nur noch zwei Antibiotika-Hersteller verblieben. Einem Bericht des BR zufolge wollen diese aber erst zum Sommer ihre Produktion von Penicillin wieder hochfahren.

Der Preisdruck in Deutschland verschärft zudem das Problem: Medikamente sind in Deutschland allgemein recht günstig. Dazu kommen noch die Rabattverträge der Krankenkassen mit den Herstellern. Das ist zwar gut für Patient*innen, macht den deutschen Markt aber unattraktiv für die Pharmaunternehmen.

mit Material der dpa