"Wenn sich nichts ändert": Fränkischer Kinderarzt stellt wegen Antibiotika-Mangel düstere Prognose auf

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Antibiotika-Mangel: Fürther Kinderarzt mit düsterer Prognose - "wenn sich nichts ändert"
Der Leiter der Fürther Kinderklinik warnt eindringlich vor einer weiteren dramatischen Entwicklung bei Antibiotika.
Antibiotika-Mangel: Fürther Kinderarzt mit düsterer Prognose - "wenn sich nichts ändert"

Der Mangel an Medikamenten - vor allem Antibiotika - für Kinder spitzt sich immer mehr zu. Der Leiter der Kinderklinik am Fürther Klinikum äußert sich zum Hintergrund und stellt eine düstere Prognose auf.

  • Fürther Kinderklinik-Leiter zu Medikamentenmangel: "Hauptproblem Antibiotika"
  • "Wegen Resistenz problematisch": Reserve-Antibiotika nur Notlösung
  • "Die letzten Jahre möglichst günstig": Deshalb sind die Medikamente knapp
  • Ärzteverband schreibt offenen Brief an Lauterbach - "Politik in der Verantwortung"

Bestimmte Medikamente für Kinder und Jugendliche sind in Deutschland zur Mangelware geworden. "Das Hauptproblem sind Antibiotika", sagt Jens Klinge, Leiter der Kinderklinik am Fürther Klinikum, im Gespräch mit inFranken.de. Nach der Entlassung der Kinder aus den Krankenhäusern beginne häufig ein aufwendiges Abtelefonieren von Apotheken auf der Suche nach der richtigen Arznei. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat deshalb einen offenen Brief an das Gesundheitsministerium verfasst.

Fürther Klinik-Chefarzt sieht immer stärkeren Antibiotika-Mangel - Hersteller ziehen sich aus Deutschland zurück

Bei Kindern kämen Antibiotika bei Lungen-, Nieren- und teils auch bei Mittelohrentzündungen zum Einsatz. Mittel "über die Vene gibt es immer", so Klinge. Das Problem entstehe erst nach Entlassung der Kinder nach Hause, wo diese weiter auf Säfte angewiesen sind. Die Verfügbarkeit in den Apotheken schwanke, die Entwicklung habe sich laut Klinge im Herbst 2022 verschärft. "Wir sagen den Eltern, dass sie die Apotheken anrufen und nach dem Medikament fragen sollen. Manchmal tun wir das auch."

Denn erst, wenn es verfügbar sei und damit bekannt ist, welches zum Einsatz kommt, könne eine Klinik das Medikament verschreiben. Für eine optimale Behandlung von Kindern seien auf die spezifische Krankheit zugespitzte Antibiotika nötig. "Wir wollen Reserve-Antibiotika vermeiden", erklärt der Chefarzt. Denn diese seien breiter angelegt, enthielten Stoffe, die das Kind "eigentlich nicht braucht", und seien "wegen der Resistenz problematisch". Sie müsse aber in manchen Fällen als Notlösung zum Einsatz kommen.

Die Wurzel des Problems sieht er in einer problematischen Preispolitik. "In den letzten Jahren" habe der Fokus der Beschaffung darauf gelegen, "dass es möglichst günstig ist", führt Klinge aus. In sogenannten Rabattverträgen, die Krankenkassen und Hersteller abschließen, gebe für gewöhnlich der günstigste Preis den Ausschlag. "Die Firmen müssen sich dann überlegen, ob sie für Deutschland herstellen." Sie erzielten oft kein lukratives Geschäft mehr in Deutschland und anderen europäischen Ländern und wichen mit ihrer Produktion auf andere Standorte wie China aus.

"Gesundheit unserer Kinder gefährdet": Ärzte mit eindringlicher Forderung an Politik

Im Sommer werde sich die Lage etwas entspannen, da weniger Medikamente gebraucht würden, vermutet Klinge. "Wenn sich aber nichts ändert, kann es im Herbst noch schlimmer werden als im letzten Jahr." Immer mehr Stimmen in Deutschland werden derzeit zu dem Problem laut. So plädiert Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne), dass bei den Rabattverträgen nicht mehr der günstigste Preis entscheiden soll. Dadurch erhofft er sich, dass mittelfristig wieder mehr Arzneimittelhersteller in Europa produzieren. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat am 27. April 2023 einen offenen Brief an die Ministerinnen und Minister für Gesundheit der Länder Deutschland, Frankreich, Südtirol (Italien), Österreich und der Schweiz adressiert.

Mit eindringlichen Worten heißt es hier: "Die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen ist durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet. Eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung ist dringend erforderlich." Die Engpässe der letzten Monate führten dazu, "dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich sind. Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird dadurch nachhaltig gefährdet. Noch vor wenigen Jahren war dieses Szenario eines Versorgungsmangels in unseren Ländern nicht einmal ansatzweise vorstellbar".

Der Verband sieht die "Politik in der Verantwortung" und fordert die Akteure auf, "diese Situation Ihrer Amtsverpflichtung gemäß umgehend zu lösen". Wie der Fürther Kinderklinik-Leiter zum Schluss betont, seien auch die Krankenkassen um ihre Wirtschaftlichkeit bemüht. Er sieht höhere Kosten auf die Verbraucher und Verbraucherinnen zukommen, wenn sich etwas ändern soll: "Es wird für die Bevölkerung teurer werden." Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat kürzlich ein Gesetz zur Beseitigung der Medikamentenengpässe auf den Weg gebracht und hofft, dass es nun schnell durch Bundestag und Bundesrat geht.