Die Welt versinkt im Plastik, Partikel finden sich auf den höchsten Bergen und in den tiefsten Meeren. Jetzt ringen Länder um ein Abkommen gegen den Plastikmüll. Was sind die Knackpunkte?
Schon jetzt verseuchen Plastikpartikel jeden Lebensraum der Erde und selbst den Menschen. US-Forscher haben im Gehirn und in der Leber von Toten im vergangenen Jahr deutlich mehr Nano- und Mikroplastik gefunden als noch 2016. In Genf hat ein letzter Versuch zur Einigung auf ein weltweit verbindliches Abkommen zur Reduzierung der Plastikverschmutzung begonnen.
«Jede Stunde zählt», sagte der Vorsitzende der Konferenz, der ecuadorianische Botschafter Luis Vayas Valdivieso. «Wir schaffen die Grundlagen für ein globales Werkzeug, das die Zukunft der Umweltgeschichte verändern könnte.» Die Chefin des UN-Umweltprogramms (Unep), Inger Andersen, räumte zu Beginn der Verhandlungen eine Reihe von Differenzen zwischen den Delegationen ein. «Die Menschen, die mit dem Müll leben, sind empört. Wir dürfen uns diese Gelegenheit (für eine Lösung) nicht entgehen lassen.» Mehr als 160 Staaten sind bei den Verhandlungen bis zum 14. August dabei.
Die EU gilt in vielerlei Hinsicht als Vorreiter, etwa mit dem Verbot von Einweg-Plastik wie Strohhalmen und Plastikbesteck. Dass weltweit so strikte Standards erreicht werden, gilt als unrealistisch. Warum ist das Abkommen für Menschen in Europa trotzdem wichtig?
«Weil sich Mikroplastik über die Ozeane und die Luft in aller Welt verbreitet», sagt Moritz Jäger-Roschko von der Umweltorganisation Greenpeace. «Zudem nutzen wir viele Kunststoffprodukte, die nicht in der EU hergestellt werden - und deren Hersteller sich im Zweifelsfall auch nicht an EU-Regularien halten. Außerdem ist Deutschland auch der größte Plastikmüllexporteur Europas, das heißt, unser Müll ist weltweit für das Müllproblem mitverantwortlich.»
Das Problem
Von der Umweltstiftung WWF heißt es: «Plastikmüll zerstört Lebensräume, gefährdet Tiere und Menschen und vergiftet Ökosysteme.» Weltweit nutzten die Menschen nach Schätzung des UN-Umweltprogramms (Unep) im vergangenen Jahr 500 Millionen Tonnen Plastik, fast doppelt so viel wie 25 Jahre zuvor. 400 Millionen Tonnen davon dürften schnell als Müll enden, so Unep. Ohne Maßnahmen verdreifache sich die Müllmenge bis 2060. Ein Viertel des Plastikmülls in Flüssen und Meeren stammt der Wissensplattform «Our World in Data» zufolge von Plastiktüten und -flaschen.
Die Folgen für Menschen
Mikro- und Nanoplastik nimmt man über die Nahrung, das Wasser und die Luft auf, wie Geoökologe Stefan Krause, Professor an der Universität Birmingham, sagt. «Sie gelangen schon im Mutterleib über die Plazenta an das ungeborene Baby.» Es wurden auch Ablagerungen in Arterien nachgewiesen. Laminat- und Teppichböden könnten etwa vor allem krabbelnde Kinder belasten. Partikel, die wieder ausgeschieden werden, könnten vorher Additive im Körper freisetzen. «Viele Stoffgruppen beeinflussen die endokrinen Systeme, einige sind krebserregend», sagt Krause. Über das endokrine System steuert der Körper mit Hormonen komplexe Körperfunktionen.
Was erreicht werden soll
Das Abkommen soll die Produktion, das Design und die Entsorgung von Plastik umfassen. Es soll weniger produziert werden, Produkte sollen möglichst mehrfach verwendet und recycelt werden können, und was übrig bleibt, soll umweltschonend entsorgt werden. Wie das gehen soll, ist umstritten. «Es ist Zeit für Mut, nicht Kompromisse», sagt Florian Titze vom WWF. «Ein Abkommen auf kleinstem gemeinsamen Nenner wird die Plastikkrise nicht lösen.»