Patrick und Thomas sind Opfer eines perfiden Onlinebetrugs geworden. Dahinter steckt ein Netzwerk, das selbst vor Menschenhandel und Folter nicht zurückschreckt.
Patrick K. ist verzweifelt. Auf seinem Handybildschirm war noch eben seine Onlinebekanntschaft zu sehen, als plötzlich die Nachricht eintraf: "Ich habe dich gefilmt". Der Videocall wurde abrupt beendet. Der 35-Jährige wurde aufgefordert, 5.000 Euro zu zahlen, andernfalls würde das Video an all seine Freunde gesendet. "Ich zerstöre alles, was du hast" und "Ich ruiniere dein Leben" lauteten die Drohungen von der anderen Person, die sich hinter einem Fakeprofil verbarg. Patrick ist ein Opfer von Onlinebetrug geworden - ein Schicksal, das immer mehr Menschen in Deutschland teilen. In der ARD-Story: "Im Inneren der Cybermafia - Love.Like.Lost" begleiten drei NDR-Reporterinnen Patrick und weitere Opfer eines weltweit operierenden Betrugsnetzwerks und reisen dabei von Deutschland bis nach Thailand und Myanmar.
Einer von ihnen ist Thomas W., ein Rentner und ehemaliger Geschäftsführer aus München. Über die Plattform LinkedIn schreibt ihn die vermeintliche asiatische Geschäftsfrau Jin Wenja aus London an. Sie will von Thomas mehr über Deutschland erfahren und die Sprache lernen, da sie angeblich geschäftlich im Land tätig werden wolle. Immer wieder kommunizieren die beiden miteinander, Jin schickt Fotos von teuren Autos und zeigt ihr Luxusleben. "Ich habe sie eigentlich als sehr authentisch angesehen, diese Person und auch ehrlich", erzählt Thomas in der ARD-Story.
Mit Jobangebot gelockt und in gefährliches Betrugszentrum verschleppt
Nach einiger Zeit schickt Jin Thomas angeblich profitable Anlagen und zeigt ihm eine App, mit der er in diese investieren kann - zumindest scheint es so. Der Rentner will es versuchen - "warum nicht?". Zuerst investiert er 1000 Euro, dann immer höhere Summen. Am Ende werden es mehr als 250.000 Euro sein. Gewinne, die auf sein Konto überwiesen werden, mindern das Misstrauen. Doch die App ist eine Fälschung, genauso wie sein Kontakt Jin Wenja. Thomas' Geld landet auf Krypto-Konten. Als er Betrug wittert, ist es schon zu spät, das Geld ist weg.
Zwei, die ganz genau wissen, wie so ein Betrug funktioniert, sind Yiao Lu und James. Der 30-jährige Chinese und der 31-jährige Kenianer wurden mit einem Jobangebot nach Bangkok, Thailand, gelockt. Doch als sie jeweils dort ankommen, werden sie über die Grenze nach Myanmar verschleppt, in eines von vielen Betrugszentren der chinesischen Mafia. Diese macht sich die unsicheren Machtstrukturen im Nachbarland zunutze.
"Es gibt eine sehr enge Verbindung zwischen Onlinekriminalität und diesen Betrugszentren und dem Menschenhandel", erklärt Benedikt Hofmann, UN-Experte für Drogen- und Verbrechensbekämpfung in Südostasien in der ARD-Story. Das Zentrum des Betrugsgeschäfts liegt in Südostasien und sei dort mittlerweile genauso lukrativ wie der Drogenhandel, so der Experte. Beide würden im Jahr jeweils zwischen 70 und 80 Milliarden Dollar ausmachen.
Zum Betrug gezwungen: "Hier ist es wie die Hölle auf Erden"
Alleine in Myanmar arbeiten schätzungsweise mehr als 100.000 Menschen in sogenannten Scam Centers; die meisten von ihnen werden dazu gezwungen, so wie Yiao und James. Sie werden gefangen gehalten und sollen Menschen wie Patrick und Thomas betrügen. "Wir haben Frauenprofile genutzt und dabei vorgetäuscht, eine Geschäftsfrau zu sein", erklärt James eine Betrugsvariante. "Ich habe mich richtig schlecht gefühlt, jeden Tag aufzuwachen und zu wissen, dass ich wieder Menschen betrügen werde."
Betrügen die Gefangenen nicht, droht ihnen Folter. "Sie werden in dunkle Räume gesperrt, ohne Essen, ohne Wasser, gefesselt, geschlagen, mit Holzstöcken oder Metallstangen. Und letztendlich führt das dann dazu, dass fast jeder gezwungen ist, beim Betrug mitzumachen", weiß Jay Kritiyan. Sie ist Teil einer Hilfsorganisation in Thailand, die versucht, Menschen aus den Scam Centers zu retten. Sie steht immer wieder mit Gefangenen in Kontakt. "Bitte hilf uns. Hier ist es wie die Hölle auf Erden", schreibt ihr einer von ihnen.