In Deutschland sind Tricks gegen Hitze noch nicht eingeübt
Indem wir uns an solche Norm-Temperaturen gewöhnten, verlören wir die Toleranz für höhere oder niedrigere Temperaturen - und hielten sie daher kaum mehr aus. «In den Tropen sieht man bereits, dass Luxus ganz stark mit Kühle assoziiert wird und die Leute die warmen Außentemperaturen, wenn möglich, meiden - also zum Beispiel ihre Wochenenden in Shoppingmalls verbringen.»
Horn meint: «In Deutschland, wo wir heiße Sommer noch nicht lange gewöhnt sind, fehlen uns auch die vielen Tricks, die helfen, sich ohne Klimatisierung abzukühlen: Fächer und Sonnenschirme, die Siesta, Essen auf den späten Abend verschieben, sich mit Wasser besprühen, kühle Suppen - oder einfach mal die Füße stillhalten.»
Jüngst ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact im Auftrag des Verbraucherportals Verivox, dass lediglich rund 18 Prozent der Befragten zu Hause ein Klimagerät nutzen. Annähernd zwei Drittel von ihnen verwenden ein mobiles Gerät, einen sogenannten Monoblock. Diese sind meist günstiger, aber weniger effizient als verbaute Anlagen.
Vermutlich verzichten viele Menschen in Deutschland wegen hoher Stromkosten auf zusätzliche Klimageräte - auch, weil die steigende Zahl von Wärmepumpen, die ebenfalls zur Kühlung genutzt werden können, einen Extra-Kauf überflüssig macht.
Anzeichen für eine Trendwende?
Allerdings: Angesichts heißer Sommer werden in Deutschland mehr Klimaanlagen gebaut und auch importiert, wie Statistiker jetzt mitgeteilt haben. 2024 stieg die Produktion sprunghaft um gut 92 Prozent auf knapp 317.000 Geräte, wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. Innerhalb von fünf Jahren kletterte die Produktion um rund 75 Prozent. In dieser Zeitspanne wurden auch deutlich mehr Klimageräte importiert - der Warenwert stieg seit 2019 um fast 50 Prozent.
Viele Gründe fürs deutsche Fremdeln mit Klimaanlagen
Und was sagen professionelle Kälteforscher zu alledem? Uwe Franzke, Geschäftsführer beim (nicht-universitären) Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) in Dresden meint: «Während in Südeuropa, Asien oder den USA die Klimaanlage längst zum Standard gehört, wird in Deutschland die Klimaanlage nach wie vor negativ betrachtet.» Dieses Fremdeln habe neben den Kosten und den typisch deutschen Umweltbedenken noch weitere Gründe.
Wie der ILK-Chef erläutert, ist das zum einen historisch geprägt: «Kühlung galt lange als Luxus – Heizen war wichtiger.» Zudem gebe es verbreitete Gesundheitsbedenken: «Viele empfinden Klimaanlagen als krankmachend – Zugluft, trockene Luft, Erkältungsrisiko und nicht zuletzt Lautstärke.»
Außerdem gebe es eine spezielle Mentalität: «"Da muss man halt durch" – Hitze wird oft zähneknirschend ertragen statt bekämpft.» Die Folgen seien dann «nachlassende Konzentrationsfähigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit».
Der sommerliche Wärmeschutz - etwa Sonnenschutz oder Speichermassen - komme bei vielen Gebäuden in längeren Hitzeperioden an seine Grenzen, sagt Franzke. Es sei da keine kurzfristige Besserung zu erwarten. «Im privatwirtschaftlichen Bereich sehen wir zunehmend die Bereitschaft, in Klimaanlagen zu investieren. In der öffentlichen Verwaltung und ähnlichen Institutionen sehe ich keine Änderung.»