Männer und Frauen oft mit unterschiedlichen Symptomen
Wegen ihrer hormonellen Unterschiede erkranken Frauen und Männer anders, zeigen unterschiedliche Symptome beziehungsweise sind in unterschiedlichem Alter besonders gefährdet für bestimmte Krankheiten. Dies ist etwa für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Herzinfarkt bereits relativ gut erforscht.
Weil die herkömmliche Diagnostik am Mann orientiert sei, werde bei Frauen häufig verzögert diagnostiziert, beklagt die Herzchirurgin und Autorin Eifert: «Wenngleich aufgrund der verbesserten Diagnostik und Therapie die Sterblichkeit nach Herzinfarkt in Deutschland in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken ist, liegt sie bei Frauen fast doppelt so hoch wie bei Männern.»
Hintergrund könnte sein, dass Studierende über viele Jahre die typischen Symptome für einen Herzinfarkt beim Mann kennenlernen - nämlich starke Schmerzen in der Brust, die ausstrahlen können, und Atemnot. Frauen haben aber oft ganz unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit oder Schwäche.
Hormone spielen wichtige Rolle
Einfluss auf die Entstehung beziehungsweise Verhinderung von Krankheiten nehmen die Hormone. «Frauen sind über viele Jahre durch die weiblichen Geschlechtshormone gut vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt. Mit der Menopause nehmen die Spiegel dieser Hormone ab und dieser Schutz ebenfalls», erläutert Eifert.
Tendenziell hätten Männer durch das Testosteron noch einen anderen biologischen Vorteil. «Sie können emotionalen Stress besser ausblenden und besser verarbeiten. Sie sind stressresistenter», erklärt die Medizinerin. Frauen reagierten dagegen stärker auf emotionalen Stress.
«Beim Syndrom des gebrochenen Herzens sind 95 Prozent der Betroffenen Frauen und 90 Prozent über 50 Jahre alt.» Aufgrund des Östrogens in der fruchtbaren Phase haben Frauen laut Eifert meist ein besseres Immunsystem, ab der Menopause jedoch steige unter anderem das Risiko für Bluthochdruck enorm an. Der Cholesterinwert gehe in den Wechseljahren ebenfalls häufig nach oben.
Auslöser für männerzentrierte Medizin in der Vergangenheit
Ute Seeland, die auch Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin ist, sieht unter anderem historische Ursachen für die männerzentrierte Medizin. «Im 16. und 17. Jahrhundert waren Frauen noch die Weisen und die Heilerinnen, dann wurden sie als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. An den ersten medizinischen Hochschulen wurden nur Männer zugelassen.»
Dies sei sicherlich ein Grund, warum die Medizin sowohl in Bezug auf Forschungsergebnisse als auch auf die Verteilung von Führungspositionen männlich dominiert ist, sagt Seeland.
Fortbildungen sollen Sichtweise ändern
In mehreren Bundesländern haben sich die Landesärztekammern das Thema geschlechtersensible Medizin auf die Tagesordnung gesetzt. Die Ärztekammer Niedersachsen mit zwei Frauen an der Spitze will dafür werben, dass das Thema verstärkt in Fortbildungen angeboten wird. Ärztekammer-Präsidentin Martina Wenker ist Lungenfachärztin und Schlafmedizinerin, auch in ihrem Fachgebiet seien über Jahre Frauen zu wenig beachtet worden, sagt sie.
Schnarchen mit Atemaussetzer hätte lange als Männerkrankheit gegolten. «Inzwischen stellen wir fest, dass Frauen genauso häufig krankhaft schnarchen, sie sind nur im Schnitt zehn Jahre älter.» In Gesprächen mit ihrer Ärztin und ihrem Arzt berichteten die Frauen aber oft nur von Abgeschlagenheit, sagt Wenker. Oft würde dies dann als typische Wechseljahre-Beschwerden abgetan und nicht richtig diagnostiziert.