Corona: Sorgen teilen am Telefon

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Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Telefonseelsorge sind rund um die Uhr für die Nöte der Anrufer ansprechbar. Foto: Daniel Reinhardt/dpa
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Telefonseelsorge sind rund um die Uhr für die Nöte der Anrufer  ansprechbar. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

In Corona-Zeiten suchen mehr Menschen das Gespräch als sonst. Viele machen sich Sorgen, sind einsam und verunsichert. Und so manche Großeltern fragen sich, ob sie ihre Enkel jemals wiedersehen werden.

Viel ist in diesen Tagen vom "Lagerkoller" die Rede, der so manche Familien während der Ausgangsbeschränkungen ereilen könnte. Doch während die einen vom ständigen Aufeinanderhocken inklusive Zuhause arbeitender Eltern und mehr oder weniger beschäftigten Kindern genervt sind, trifft andere das genaue Gegenteil: die Einsamkeit. Gerade ältere Menschen, die alleine leben, fragen sich, ob sie ihre Kinder und Enkel noch mal sehen werden. Viele suchen deshalb gerade jetzt Unterstützung bei der Telefonseelsorge.

Sechs Monate Ausbildung

In der Bamberger Dienststelle ist derzeit in doppelter Hinsicht mehr zu tun als sonst. Und das liege nicht nur an einem höheren Aufkommen an Anrufen von Menschen in Krisensituationen. "Im Moment bieten viele an, uns ehrenamtlich zu helfen. Das freut uns sehr", sagt Barbara Körber-Hübschmann, stellvertretende Leiterin. Jedoch sei es nicht möglich, die Hilfsangebote anzunehmen. Wer in der Telefonseelsorge (TS) mitarbeiten möchte, muss vorher einen sechsmonatigen Ausbildungskurs machen. "Nur so können wir unsere Qualitätsstandards sichern." Die Ehrenamtlichen hätten nicht selten Menschen in schwersten Krisen am Telefon. "Wenn dann jemand von Selbstmord spricht, muss man reagieren können." Der nächste Ausbildungskurs startet im Januar 2021. "Es wäre schön, wenn die freiwilligen Unterstützer dann noch Interesse haben."

Sonderschichten und andere Themen

Momentan übernehmen viele der Mitarbeiter Sonderschichten: "Deshalb sind wir trotz Corona gut besetzt." Das sei auch in den anderen fränkischen Dienststellen in Erlangen, Nürnberg, Würzburg und Bayreuth der Fall. "Wir wissen, dass wir für manche der einzige Ansprechpartner sind."

Zurzeit hänge etwa ein Fünftel der Anrufe mit Corona zusammen. Dabei stehe aber nicht die Angst vor einer Ansteckung im Vordergrund. Zum einen melden sich viele Menschen, die nicht wissen, wie sie die Zeit überbrücken sollen oder wie es trotz Kurzarbeit und einer unsicheren wirtschaftlichen Situation weitergehen soll. Auch nehmen die Kontakte mit psychisch Kranken zu, deren sonstige Hilfsangebote derzeit wegbrechen.

Großeltern haben Angst

Und dann gibt es da noch die große Gruppe der älteren Menschen, die alleine leben. "Sie haben ja vor Corona schon sehr an Einsamkeit gelitten. Das hat sich jetzt verstärkt", schildert Körber-Hübschmann. "Die eigene Sterblichkeit ist ständig Thema in den Medien. Da fragen sich manche Ältere, was passiert, wenn es sie trifft."

Überlegungen, ob sie ihre Kinder oder Enkelkinder noch einmal sehen werden, ob sie im Kreise ihrer Familie sterben könnten: Darüber sprechen die besorgten Anrufer in der Telefonseelsorge. "Wir stehen als aktiv Zuhörende zur Verfügung. Wir fragen nach, woher die Sorgen kommen. Oft gibt es in Familien unausgesprochene Dinge. Diese kann man vielleicht noch klären. Wir versuchen, gemeinsam einen guten Umgang mit den Themen zu finden." Lösungen könne die Telefonseelsorge nicht bieten, wolle aber mit Aufmerksamkeit, menschlicher Nähe und Zuwendung neuen Lebensmut geben.

Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar

Die Menschen würden ermutigt, jederzeit wieder anrufen zu können, wenn der Druck zu stark wird. In diesem Zusammenhang weist Körber-Hübschmann darauf hin, dass ein anonymes Gespräch in so mancher Situation und für Menschen jeden Alters eine gute Alternative sei. Schließlich könne man innerhalb einer Partnerschaft oder Familie nicht alle Themen bereden.

Oft enden die anfänglich sorgenvollen Gespräche positiv, weiß Körber-Hübschmann. "Man muss ja nicht nur über Corona oder Probleme reden. Es gibt trotz allem auch noch schöne Themen auf der Welt."

So erreichen Sie die Telefonseelsorge

Telefon Die Telefonseelsorge (TS) ist rund um die Uhr unter den Nummern 0800/1110111 und 0800/1110222 erreichbar. Alle Gespräche sind gebührenfrei. Online Auf der Internetseite www.telefonseelsorge.de kann man zwischen den Optionen Mail und Chat wählen. Für beide Optionen muss man sich anmelden. Die Daten bleiben anonym und geschützt.

Organisation Aktuell sind alleine in Bamberg knapp 70 Mitarbeiter im Einsatz. Sie kommen aus allen Alters- und Berufsgruppen. Jeder verpflichte sich zu Einsätzen von zwölf Stunden im Monat. Falls gerade ein Gespräch geführt wird, geht ein neuer Anruf an eine freie TS-Stelle in Franken. Vor Ort In Franken kann man in einigen TS-Stellen auch zu einem persönlichen Gespräch vorbeikommen. Termine für die Standorte in Erlangen, Nürnberg, Schweinfurt und Würzburg müssen vorher ausgemacht werden. Infos und Adresse gibt es unter: www.telefonseelsorge.de.