Erschreckende Studie: Deutsche Sparer verschenken Milliarden - machst du auch diesen Fehler?

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Obwohl deutsche Haushalte fleißig sparen, investieren sie häufig in ertragsarme Anlagen. Eine Studie zeigt, dass eine größere Aktienquote langfristig wirtschaftliche Vorteile bringen könnte.

Eine Studie des DZ Bank-Analysten Michael Stappel zeigt, dass ein höherer Aktienanteil im Portfolio der privaten Haushalte das Geldvermögen in Deutschland um 715 Milliarden Euro oder 8 % erhöht hätte. Anlegen ist das neue Sparen: Vermögensaufbau gelingt mit Aktien langfristig besser als mit dem Girokonto und Sparbuch. Aber da ist die durchaus berechtigte, aus der Vergangenheit stammende, Angst vor Aktien

Simulationsmodell zeigt: Viele Sparer lassen ihr Geld auf dem Girokonto versauern

Fast 2,2 Billionen Euro oder gut 23 % des privaten Geldvermögens hierzulande waren laut DZ Bank (Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank) zuletzt auf Konten (Sichteinlagen) oder als Bargeld zu Hause "geparkt" – das meiste auf Girokonten, die kaum Zinsen abwerfen. "Das ist zwar schon deutlich weniger als der Rekord von 28,0 % nicht angelegter Mittel im Herbst 2022, aber immer noch viel zu viel", erläutert Michael Stappel in seiner Studie ("Was bringen mehr Aktien für den Geldvermögensaufbau?").

In der als Simulation angelegten Analyse geht der Anlagenexperte einer spannenden Frage nach: Wie hätte sich das private Geldvermögen in Deutschland von 2011 bis 2024 entwickelt, wenn die hohe Ersparnisse anstatt auf Girokonten zu versauern, in Aktien investiert worden wären? 

Natürlich ist es unrealistisch, wenn der Autor davon ausgehen würde, dass alle Geldbeträge, die auf Konten liegen, in Aktien umzuschichten wären. Er baut deshalb einen "Liquiditätspuffer" ein, den jeder Bürger haben sollte. Das sind im Simulationsmodell vier Monatsnettoeinkommen. Bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von rund 2.940 Euro im Monat sind das 11.760 Euro je Haushalt.

Sparende verschenken 715 Milliarden Euro

Im Modell gab es zu Beginn eine einmalige Umschichtung der Vermögenswerte vom Konto in Aktien. Danach flossen in jedem Quartal immer nur so viele liquide Mittel auf das Konto, bis der Sicherheitspuffer erreicht war. Der Rest ging komplett in den Kauf von Aktien. Die Geldbeträge, die bereits in Fonds, Versicherungen, Rentenpapiere (in Staats- und Unternehmensanleihen) und anderen Bankeinlagen angelegt sind, blieben dagegen bestehen und in der Simulationsberechnung unberücksichtigt.

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Das Ergebnis der Simulationsrechnung: Statt eines Wachstums um 4,6 Billionen Euro auf 9,2 Billionen Euro wäre das Geldvermögen im Aktien-Modell um 5,3 Billionen Euro auf 9,9 Billionen Euro angewachsen. Das sind 715 Milliarden Euro oder 8 % mehr als mit der traditionellen Strategie zu erreichen war, so die Studie.

Auch, wenn die Simulation nicht auf jeden Bürger übertragbar ist, zeige die Berechnung deutlich: "Ohne Aktien vermehren sich die Geldanlagen der Haushalte langsamer. Für den langfristigen Vermögensaufbau ist diese Anlageklasse also unabdingbar", so das Fazit von Analyst Stappel. 

Aktien bieten größeren Inflationsschutz

Zwar ist der Aktienanteil im Modell größeren Börsenschwankungen ausgesetzt. Über den Untersuchungszeitraum wuchs das Geldvermögen aber deutlich stärker – trotz Einbrüche am Aktienmarkt durch die Coronakrise und den Ukrainekrieg.

Hinzu kommt noch die erhöhte Inflation in den letzten Jahren, die die Geldanlage in Aktien noch interessanter machen. Der Report der Allianz-Versicherung ("Global Wealth Report“) kam zu dem Ergebnis, dass das Geldvermögen der deutschen Haushalte 2023 zwar um 6,8 % gestiegen ist, aber der Anstieg habe inflationsbereinigt nur  0,7 % betragen. Die Allianz spricht deshalb von "vier verlorenen Jahren" für die deutschen Sparer: Die Kaufkraft des Geldvermögens sei Ende 2023 immer noch 1,7 % niedriger gewesen als vor der Pandemie.

Die Schlussfolgerung aus beiden Analysen: Viele Menschen in Deutschland verpassen Chancen auf mehr Wohlstand, weil sie falsch sparen. Mit einem höheren Aktienanteil an Unternehmen, die es schaffen, Gewinne durch die Weitergabe der inflationsbedingten Kosten an ihre Kunden stabil halten oder zu steigern, hätten Anlegerinnen und Anleger dagegen einen besseren Inflationsschutz gehabt. Aber immerhin: Mit der rückläufigen Inflation (Oktober 2024: 2,0 %; Oktober 2022: 10,4 %) dürfte in diesem Jahr real mehr vom Vermögenszuwachs übrig bleiben.

Die Deutschen sind vorzügliche Sparende

Die Deutschen legen einen überdurchschnittlich hohen Teil ihres Nettoeinkommens zur Seite. 10,4 % waren es 2023. Will heißen: Von 100 Euro, die ein privater Haushalt zur Verfügung hat, wanderten im Schnitt 10,40 Euro auf die hohe Kante.

Die Sparquote lag damit unter den Top-Dreien in Europa. Direkt nach der Schweiz und den Niederlanden.

  • Schweiz: 19,4 %
  • Niederlande: 12,7 %
  • Deutschland: 10,4 %
  • Österreich: 9,0 %
  • USA: 4,7 %
  • Japan: 2,8 %

Einem Drittel der Sparenden sind höhere Erträge egal

Einige Haushalte sparen viel Geld, bei anderen bleibt zum Monatsende wenig bis nichts übrig. Rund 20 % der Bürger sagen in einer Befragung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), dass sie nichts spa­ren kön­nen. Oftmals sind es Frauen, die eigentlich sogar mehr sparen müssten als Männer, weil ihre Rentenlücke deutlich größer ist.

Knapp je­der zwei­te Spa­rer (45 %) kümmert sich nicht um möglichst hohe Erträge für sein Geld. Vor al­lem ein­kom­mens­schwächere Spa­rer ver­zich­ten dar­auf, Er­trä­ge mit ih­ren Rück­la­gen zu er­zie­len: 43 % der Be­frag­ten mit ei­nem mo­nat­li­chen Haus­halts­net­to­ein­kom­men von un­ter 2.500 Eu­ro par­ken den grö­ß­ten Teil ih­rer Er­spar­nis­se auf dem Gi­ro­kon­to oder ver­wah­ren es in Form von Bar­geld. Der Durch­schnitt liegt bei 30 % aller Sparer.

"Es ist fa­tal, dass Men­schen mit ge­rin­ge­rem Ein­kom­men vor al­lem er­trag­lo­se Spar­for­men nut­zen. Ge­ra­de für sie ist es wich­tig, Geld mög­lichst ge­winn­brin­gend an­zu­le­gen", sagt Frank Kuc­ze­ra, zuständig für Anlagen bei der Postbank. "Zins­an­la­gen eig­nen sich da­zu bes­tens, da sie gut plan­bar sind. Auch mit ei­ner kurz­zei­ti­gen, fle­xi­blen An­la­ge – wie ei­nem Ta­ges­geld­kon­to – kön­nen Spa­rer Zin­sen er­wirt­schaf­ten."

Aktien sind nach wie vor in Deutschland unbeliebt

Von jenen, die sich Sparen leisten können, lassen viele ihr Geld auf schlecht verzinsten Konten versauern. Mehr als die Hälfte der deutschen Ersparnisse liegt auf Giro- oder Tagesgeldkonten, die im Schnitt nur 0,6 % Zinsen pro Jahr abwerfen und damit von der Inflation aufgezehrt werden. Man könnte auch sagen: Deutschland spart sich unnötig arm. Dabei sind derzeit mit sicherem Festgeld bis zu 2,0 bis 3,0 % (Stand November 2024) pro Jahr drin.

Selbst Menschen mit niedrigen Einkommen sparen zwar fleißig, aber sie stecken ihr Geld in die falschen Anlagenformate. Bausparverträge sind besonders beliebt. Und dies, obwohl sie sich keinen Hausbau oder -kauf leisten können. Obendrein ist die Verzinsung schlecht. Aber Bausparen und schlecht verzinstes Sparen auf dem Girokonto gelten als solide und sicher

Weil deutsche Sparer schlecht investieren, verdienen sie wenig Geld mit ihren Ersparnissen. Das Geld liegt nur herum. Andernorts sind Privatleute aktiver, kaufen Investmentfonds, Anleihen und Aktien. Die letzte Vermögensbefragung der Deutschen Bundesbank zeigt erneut: Aktien sind nach wie vor in Deutschland unbeliebt.

Erfahrungen mit der Telekom-Aktien und dem "Neuer Markt" prägen das Misstrauen

Wie ist das deutsche Aktien-Trauma zu erklären? Die Stichworte heißen Telekom-Aktie und "Neuer Markt". 1996 ging es um die Privatisierung der Deutschen Bundespost in drei Teile, einer davon die Deutsche Telekom. Es gelang, die Telekom als "Volksaktie" unter die Leute zu bringen. Tausende Privatleute kauften erstmals Aktien und mussten dann erleben, dass es mit einer Aktie nicht immer noch oben geht. Am 18. November 1996 startete die Telekom-Aktie an der Börse. Rund 1,9 Millionen Kleinanleger bewerben sich um Telekom-Aktien zum Stückpreis von rund 14 Euro. Am 6. März 2000 erreichte die T-Aktie mit 103,50 Euro den Höchststand.

Danach begann der Sturzflug der Technologiebranche mit zahlreichen Pleiten. In nur eineinhalb Jahren gibt die T-Aktie den kompletten Gewinn wieder ab, fällt in den darauffolgenden Jahren sogar bis auf 7,71 Euro, also unter den Einstandspreis. Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz berichtet in der Sendung des WDR ZeitZeichen: "Die Euphorie um die T-Aktie hat eigentlich der Aktienkultur eher geschadet, als dass es sie gefördert hat. Weil viele haben gesagt: Ich werde nie, nie mehr eine einzige Aktie anfassen". Inzwischen steht der Kurs wieder bei 28,52 Euro (9.11.2024).

Noch schlimmer erging es Anlegern mit ihren Aktien am "Neuen Markt". 1997 startete dieses Segment an der Deutschen Börse in Frankfurt am Main. In den vermeintlich sicheren "Zukunftsbranchen" (Informationstechnik, Multimedia, Biotechnik, Telekommunikation etc.) wollten die Aktienbesitzenden viel Geld verdienen. Der Aktienkurs des Nemax All Share erreichte im März 2000 ein Allzeithoch von 9.666 Punkten, im September 2002 lag er nur noch bei 325 Punkten, wie das Manager-Magazin in einer Chronik zum neuen Markt schreibt. 2003 gab die Frankfurter Börse das Segment "Neuer Markt" auf. Viele arglose Kleinanleger standen mit leeren Händen und enttäuschten Hoffnungen da.

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