Der Forscher des arbeitgebernahen Instituts wirft dem Projekt in Münster vor, dass es an der notwendigen Repräsentativität bei der Auswahl der Betriebe mangelt, dass eine Vergleichsgruppe fehlt und die Produktivitätsentwicklung nicht systematisch untersucht ist. "Selbst wenn es für kurze Zeit gelingt, produktiver zu arbeiten und den fehlenden Arbeitstag auszugleichen, bleibt offen, wie nachhaltig das ist. Nachhaltigkeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon", so Schäfer. Ihn wundert es nicht, dass 20 % der Betriebe das Modell der 4-Tage-Woche abbrechen und zur 5-Tage-Woche zurückkehren.
Müssen wir wirklich länger anstatt kürzer arbeiten?
Noch kritischer kommentiert der Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) Steffen Kampeter das Projekt gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). So hätten sich Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, bewusst gegen eine Teilnahme entschieden, berichtet er. "Sie wissen, dass es Produktivitätsreserven in diesen Größen nicht gibt."
Letztlich komme eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich nur einer "massiven Lohnsteigerung" gleich. Kampeter plädiert stattdessen für mehr Flexibilisierung und für die Abschaffung der Tageshöchstarbeitszeit zugunsten einer Wochenhöchstarbeitszeit. Unterstützung findet die Position der BDA bei Finanzminister Christian Lindner und dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr, wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe und das RedaktionsNetzwerk Deutschland berichten.
Arbeitsmarktexperte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg (IAB) gibt in der FAZ zu Protokoll, dass die Studienergebnisse nicht auf die Gesamtwirtschaft übertragbar sind. Auch wenn er den Modellversuch insgesamt für "sehr interessant" und "verdienstvoll" hält. "Die Effekte, die sich in solchen Studien zeigen, kommen nicht nur durch die Arbeitszeitreduktion selbst, sondern jeweils durch ein Maßnahmenpaket zustande", sagt er. Insofern hänge die Arbeitszeitverkürzung nicht unbedingt kausal mit einer möglichen Effizienzsteigerung zusammen.
Stimmt das Gehalt nicht, schwindet die Zustimmung zur 4-Tage-Woche
Und was sagen die Beschäftigten zu weniger Arbeitsstunden? Gleich zwei Expertisen liegen dazu vor. Eine Umfrage der HDI-Versicherung in Hannover aus dem Jahr 2022 ergab, dass mehr als drei Viertel aller Berufstätigen in Deutschland eine 4-Tage-Woche begrüßen. Allerdings sinken die Zustimmungswerte auf 14 %, wenn kein vollständiger Lohnausgleich garantiert ist.
Junge Berufstätige interessieren sich mehr für eine Vier-Tage-Woche als ältere. Aber auch sie sind nur zu 17 % bereit, Einbußen beim Entgelt dafür in Kauf zu nehmen. Die Mitarbeiter erwarten, dass eine 4-Tage-Woche positive Effekte auf ihre Gesundheit hat. Auf Montage und Freitage würden die Befragten am liebsten verzichten.
Bei einer Studie, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung 2023 veröffentlichte, ergab sich ein ähnliches Bild. Rund 81 % der Vollzeiterwerbstätigen wünschen sich eine 4-Tage-Woche. Knapp 73 % geben dabei an, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen. Den gewonnenen Wochentag will die übergroße Mehrheit in mehr Zeit mit der Familie investieren. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat für die Beschäftigten offenbar einen hohen Stellenwert. Wer eine 4-Tage-Woche ablehnt, vermutet, dass sich an den Arbeitsabläufen nichts ändert oder die Arbeit in der kürzeren Zeit nicht zu schaffen ist.
4-Tage-Woche – Krisenlösung für Volkswagen?
Die Diskussion um die 4-Tage-Woche ist keineswegs neu. Bereits 1993 kam sie bei Volkswagen zum Zuge, weil es damals eine heftige Absatzkrise gab. Die Arbeitszeit von 36 Stunden wöchentlich reduzierte sich auf 28,8. Massenentlassungen waren so zu vermeiden. Die Mitarbeiter bekamen 10 % weniger Lohn bei 20 % weniger Arbeit. Erst im Jahr 2006 kehrte Volkswagen wieder zur alten Arbeitszeit zurück.
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In der aktuellen Absatzkrise beim Autobauer, bei der es um Massenentlassungen und Werksschließungen geht, könnte sich diese Variante des Krisenmanagements wiederholen. Laut einem Bericht in der ARD-Tagesschau hat sich IG-Metall-Chefin Christiane Benner angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage offen für die Wiedereinführung der 4-Tage-Woche bei Volkswagen gezeigt.
Auch international spielt die Verkürzung der Arbeitszeit eine Rolle. In Belgien ist die 4-Tage-Woche seit Ende 2022 gesetzlich verankert. Hier können Angestellte ihre wöchentliche Arbeitszeit von üblicherweise 38 Stunden an vier Tagen absolvieren. Alternativ ist eine Verkürzung möglich, dann wird aber das Gehalt entsprechend verringert. In Island haben laut euronews rund 90 % der Erwerbstätigen reduzierte Arbeitszeiten. In Großbritannien, Australien, Spanien, Portugal und Irland gibt es Modellprojekte zur 4-Tage-Woche. Es tut sich also einiges in Sachen stärkerer Flexibilisierung der Arbeitszeiten in Europa.
Vorschaubild: © Volkswagen