Große Steuer-Änderung 2024: Wer kann mit mehr Geld rechnen?

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Die Steuern sollen 2024 sinken. Aber ist das die große Entlastung, die Finanzminister Christian Lindner und die FDP schon lange fordern? Das musst du über das "Wachstumschancengesetz" wissen.

Das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Christian Linder (FDP) – als Entlastungspaket angekündigt ("Menschen und Betriebe verdienen Entlastung") – kommt nicht mehr rechtzeitig zum Start in das Jahr 2024. Der Bundesrat hat das Gesetz nicht durchgewunken, sondern gestoppt und den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat angerufen. Ergebnisse sind frühestens im Januar 2024 zu erwarten. Was an Entlastungen für die Steuerzahler geplant ist, hat jetzt die "Stiftung Warentest" in ihrer Zeitschrift Finanztest recherchiert. Wer alle Information nachlesen will, kann den Bericht downloaden (kostenpflichtig: 4,90 Euro).

Die gute Nachricht: Der Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer steigt

Erste wichtige Information: der Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer steigt. Davon profitieren alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Bei einem Jahreseinkommen von 11.604 Euro (696 Euro mehr als 2023) musst du keine Steuern zahlen. Bei Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern liegt der Grundfreibetrag bei 23.308 Euro. Alles, was du über 11.604 Euro bzw. 23.308 Euro an Einkommen in 2024 erhältst, ist also zu versteuern.

Ist der Grundfreibetrag überschritten, startet die Einkommenssteuer mit einem Satz von 14 % (Eingangssteuersatz) und steigt dann stetig in kleinen Schritten. Die sogenannte Steuerprogression ist 2024 langsamer, weil das Finanzministerium die Inflationsrate, die im Jahr 2023 heftig war, in der Steuerkurve berücksichtigt hat. Besonders deutlich ist das beim Spitzensteuersatz: Er greift erst in Höhe von 66.761 Euro in 2024 anstatt bei 62.810 Euro in 2023. Er beträgt 42 %. 

Zudem gibt es noch immer der Solidaritätszuschlag (kurz: Soli). Der bleibt all denjenigen erhalten, die über 68.413 Euro im Jahr an Einkommen beziehen. Bei Eheleuten und Lebenspartnern liegt die Soli-Grenze bei 136.824 Euro.

So viel Steuern sparen Singles 2024

Der höhere Grundfreibetrag und der abgemilderte Steuertarif senken bei allen die Steuerlast. Und wie viel ist das konkret? Das entscheidet die Steuerklasse. Die Übersicht informiert in zehn Einkommensgruppen (zu versteuerndes Einkommen) über die Steuerlast eines Singles (ledig, unverheiratet, geschieden, verwitwet), der in der Steuerklasse I (Grundtabelle) ist. Die Steuertabelle hat normalerweise 100-Euro-Schritte. Der Vergleich mit dem Jahr 2023 zu 2024 zeigt, mit welchen Ersparnissen du pro Jahr rechnen kannst: Sie liegen zwischen 245 Euro und 775 Euro.

  • Einkommen: 30.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 4.446 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 254 Euro
  • Einkommen: 40.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 7.495 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 333 Euro
  • Einkommen: 50.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 10.906 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 437 Euro
  • Einkommen: 60.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 14.680 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 562 Euro
  • Einkommen: 70.000 Euro
  • Steuer 2024: 18.797 Euro
  • Solidaritätszuschlag: 79 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 551 Euro
  • Einkommen: 80.000 Euro
  • Steuer 2024: 22.997 Euro
  • Solidaritätszuschlag: 579 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 775 Euro
  • Einkommen: 90.000 Euro
  • Steuer 2024: 27.197 Euro
  • Solidaritätszuschlag: 1.079 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 775 Euro
  • Einkommen: 100.000 Euro
  • Steuer 2024: 31.397 Euro
  • Solidaritätszuschlag: 1.579 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 775 Euro

So viel Steuern sparen zusammenveranlagte Paare 2024

Die zweite Tabelle informiert über die Auswirkungen des höheren Grundfreibetrags und des abgemilderten Steuertarifs in der Steuerklasse III und IV (Ehepaare sowie eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner). Erneut bezieht sich der Vergleich bei der Zusammenveranlagung auf das Jahr 2023 zu 2024 (Splittingtabelle). Er zeigt, mit welchen Ersparnissen du rechnen kannst, je nach Jahreseinkommen: Sie liegen für zusammenveranlagte Ehepaare bzw. Lebenspartnerinnen und Lebenspartner zwischen 394 Euro und 1.550 Euro. 

  • Einkommen: 40.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 3.518 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 394 Euro
  • Einkommen: 60.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 8.892 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 508 Euro
  • Einkommen: 80.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag:  14.990 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 666 Euro
  • Einkommen: 100.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 21.812 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 874 Euro
  • Einkommen: 120.000 Euro
  • Steuer 2024, kein Solidaritätszuschlag: 29.360 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 1.124 Euro
  • Einkommen: 140.000 Euro
  • Steuer 2024: 37.594 Euro
  • Solidaritätszuschlag: 159 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 1.101 Euro
  • Einkommen: 160.000 Euro
  • Steuer 2024: 45.994 Euro
  • Solidaritätszuschlag: 1.158 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 1.550 Euro
  • Einkommen: 180.000 Euro
  • Steuer 2024: 54.394 Euro
  • Solidaritätszuschlag: 2.158 Euro
  • Ersparnis gegenüber 2023: 1.550 Euro

Der Kinderfreibetrag steigt ebenfalls

Familien können mit einem erhöhten Kinderfreibetrag in 2024 kalkulieren. Der steigt je Elternteil von 3.012 Euro auf 3.192 Euro. Für beide Elternteile bleiben also 6.384 Euro vom Einkommen steuerfrei. Der Kinderfreibetrag ist zusätzlich zum erhöhten Grundfreibetrag.

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2.928 Euro Freibetrag bekommen Familien zusätzlich, und zwar in der Höhe unverändert für ihre Aufwendungen für Betreuung, Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder (BEA). Damit erhöht sich der Freibetrag auf 9.312 Euro bzw. 4.656 Euro pro Elternteil.

Der erhöhte Kinderfreibetrag und der BEA-Freibetrag sind mit dem ausgezahlten Kindergeld (250 Euro pro Kind pro Monat) zu verrechnen. Das Finanzamt prüft, was steuerlich günstiger ist und verfährt entsprechend. Ist das Kindergeld die günstigere Variante, entfallen Kinderfreibetrag und BEA. Sind dagegen Kinderfreibetrag und BEA günstiger, addiert das Finanzamt das Kindergeld zum Einkommen hinzu. In diesem Fall erhöht sich die Steuerbelastung. "Familien sollen in jedem Fall nur von einem der Boni profitieren", schreibt Finanztest in seinem Report.

Zwei Varianten: Freibetrag vorab beantragen oder Geld in der Einkommenssteuerklärung zurückholen

Damit du die beschriebenen Vorteile nutzen kannst, muss das Wachstumschancengesetz erst einmal in 2024 im Bundestag und Bundesrat die notwendige Zustimmung finden. Sollte das der Fall sein, hast du zwei Möglichkeiten, um an das Geld zu kommen: Zum einen kannst du in 2024 unverändert deine Steuern zahlen und erst mit deiner Steuererklärung für 2024 abrechnen, also dann im Jahr 2025.

Die zweite Variante funktioniert schneller und führt bereits im laufenden Jahr 2024 zu mehr Netto auf deinem Konto. Dazu musst du einen "Antrag auf Lohnsteuerermäßigung" online bei www.elster.de stellen. Den Antrag kannst du auch im Netz herunterladen und ausgedruckt als Papier an dein zuständiges Finanzamt schicken.

In Summe müssen für die Lohnsteuerermäßigung (auch Freibetrag genannt) mindestens 600 Euro im Jahr zusammenkommen. Diesen Betrag erreichen relativ viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.  

Welche Änderungen sonst noch bei der Steuer Vorteile bringen: Arbeitsmittel und Reisekosten

Neben dem höheren Grundfreibetrag und dem Kinderfreibetrag sind weitere Veränderungen mit dem Wachstumschancengesetz geplant. Für Arbeitsmittel gilt: Berufskleidung, Bürostuhl, Schreibtisch etc. lassen sich künftig schneller abschreiben. Kosten für beruflich genutzte Gegenstände dürfen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis 1.190 Euro (1.000 Euro Nettobetrag plus 19 % Mehrwertsteuer) in voller Höhe direkt in der jährlichen Steuererklärung geltend machen. Bislang lag dieser Betrag für sogenannte "geringwertige Wirtschaftsgüter" bei 800 Euro.

Die beruflich genutzte Hard- oder Software ist komplett, also auch teurer als 1.000 Euro netto, sofort und vollständig im Steuerjahr abzuschreiben. Konkret gehören dazu: PCs, Laptops, Tablets, die Maus, Tastatur, Mikrofone, externe Festplatten, Laufwerke, Displays, Monitore und Drucker. Gehören die Arbeitsmittel nicht zur ausgewählten Technik oder sind teurer als 1.000 Euro netto, musst du die Kaufsumme über die jeweilige Nutzungsdauer jährlich abschreiben.

Veränderungen gibt es ebenfalls bei den beruflich bedingten Reisekosten, die du steuerlich absetzen willst. Die Pauschalen für den ersten und letzten Tag steigen um einen Euro von 14 Euro auf 15 Euro. Und für Zwischentage mit 24 Stunden von 28 Euro auf 30 Euro. Unverändert bleibt auch im Jahr 2024 der Betrag von 0,30 Euro je gefahrener Kilometer.

Änderungen beim Dienstwagen, bei Privatverkäufen und der Rente

Nutzt du als Beschäftigte oder Beschäftigter einen Dienstwagen, dann gibt es ebenfalls Veränderungen. Die Vorteile für diejenigen, die mit einem E-Auto unterwegs sind, steigen. Für sie ist die 1-%-Regelungen als Aufschlag auf das monatliche Entgelt von der Firma modifiziert. Nutzerinnen und Nutzer eines E-Autos zahlen ab 2024 nur noch ein Viertel-Prozent vom Bruttolistenpreis des PKW. Diesen reduzierten geldwerten Vorteil gibt es für E-Autos bis 70.000 Euro Bruttolistenpreis, die ab 2024 neu vom Arbeitgeber angeschafft sind. 

Privatverkauf: Mancher macht Gewinne aus privaten Verkäufen. Steuerfrei war dies bislang bis zu einem Betrag von 600 Euro. Ab 2024 ist dieser Betrag auf 999 Euro angehoben.

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Für Neurentnerinnen und -rentner aus den Jahren 2023 und 2024 ist der steuerpflichtige Teil der Rente gegenüber der ursprünglichen gesetzlichen Regelung leicht abgesenkt. Für diejenigen, die 2023 in Rente gegangen sind, sind 82,5 % der Rente steuerpflichtig (statt ursprünglich 83 %) und für diejenigen, die 2024 in Rente gehen 83 % (statt 84 %). Der steuerpflichtige Teil der Rente steigt in den kommenden Jahren jeweils um 0,5 % für jeden neuen Rentnerjahrgang. Ursprünglich war ein jährlicher Anstieg um einen vollen Prozentpunkt vorgesehen.

Was sonst noch bei der Steuer größere Vorteile bringt: Einkommen aus Vermietung

Mieteinnahmen gehören normalerweise zu einer Steuererklärung. Davon soll es ab 2024 eine Ausnahme geben. Betragen die Mieteinnahmen unter 1.000 Euro pro Jahr (vor Abzug dazugehöriger Kosten) soll es eine Freigrenze geben. Steuerpflichtige müssen dem Finanzamt Beträge bis zu dieser Höhe nicht mehr angeben.

Das Wachstumschancengesetz will ebenfalls den schwachen Wohnungsbau ankurbeln. Wer in 2024 eine Immobilie kauft und dann vermietet, kann die Anschaffung- oder Herstellungskosten schneller abschreiben. Investoren können jährlich 6 % für die degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) ansetzen.  

Steuerliche Vorteile, verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten und eine Investitionsprämie für Unternehmen – das Wachstumschancengesetz der Bundesregierung soll mit seinem Paket an Maßnahmen einen Impuls für mehr private Investitionen im Land geben. Das lässt sich die Regierung einiges kosten: Von 2024 bis 2028 nimmt der Staat durch das Gesetz voraussichtlich rund 32 Milliarden Euro weniger an Steuern ein, das hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln errechnet. Trotzdem ist das IW vom Erfolg nicht überzeugt: "Trotz vollmundiger Ankündigungen dürfte der Effekt gering ausfallen."

Fazit: Der große Wurf wäre nötig

Im europäischen Vergleich ist die Steuer- und Abgabenlast für die Mittelschicht in Dänemark, Belgien, Deutschland, Finnland, Litauen, Slowenien und den Niederlanden am höchsten. Das hat das ifo Institut in München ermittelt. Am niedrigsten ist die Steuerlast in Spanien, Griechenland, Estland, Portugal, Zypern, Bulgarien und Rumänien. Das Wachstumschancengesetz aus dem Finanzministerium ist nicht der große Wurf, der an dieser Situation viel ändert. Das Steuerrecht bleibt kompliziert und ist mit hohen Steuersätzen überfrachtet. Auf eine Entbürokratisierung und Steuervereinfachung müssen Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen weiterhin warten. Das jetzt angedachte "Klein-Klein" hilft wenig.  

Vorschaubild: © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa