Das Würzburger Universitäts-Klinikum hat eine neue, vielversprechende Thrombose-Therapie in Aussicht. Die hochwirksamen Hemmer könnten zur Prävention und Behandlung eingesetzt werden - ohne das Risiko für Blutungen zu erhöhen.
Würzburger Forscher vom Universitäts-Klinikum haben einen neuen, hochwirksamen Thrombosehemmer in Sicht, der funktionieren soll, ohne das Risiko für Blutungen zu erhöhen. In einer Mitteilung werden die neusten Erkenntnisse dargestellt.
Ein ungesunder Lebensstil, Krankheiten oder Verletzungen, genetische Veranlagung sowie eine erhöhte Gerinnungsneigung können die Bildung von Thromben in den Blutgefäßen begünstigen. Diese Gerinnsel behindern den Blutfluss zu lebenswichtigen Organen. Ein Infarkt droht. Die Vorbeugung und Behandlung von Thrombosen ist daher entscheidend, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden.
Prof. Dr. Bernhard Nieswandt, Leiter des Lehrstuhls für Experimentelle Biomedizin I am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und Forschungsgruppenleiter am Rudolf-Virchow-Zentrum (RVZ) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) veröffentlichte jetzt mit seinem Team im European Heart Journal, eine Studie zu einem neuen, hochwirksamen und gleichzeitig sehr nebenwirkungsarmen antithrombotischen Wirkstoff, der breite therapeutische Anwendung finden könnte. Das European Heart Journal ist die weltweit führende Fachzeitschrift auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Forschung.
Oberflächenrezeptor GPVI spielt Schlüsselrolle bei der Aktivierung und Aggregation von Blutplättchen
Bernhard Nieswandt beschäftigt sich seit Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn mit Thrombozyten, auch bekannt als Blutplättchen, und hat auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet. Vor 25 Jahren beschrieb er erstmalig die Funktion des Rezeptors Glykoprotein VI, kurz GPVI, der ausschließlich in Thrombozyten und ihren Vorläuferzellen im Knochenmark zu finden ist. Dieser Oberflächenrezeptor ist vor allem für die Bindung von Kollagen an der verletzten Gefäßwand verantwortlich, was die Aktivierung und Aggregation, also das Verklumpen der Blutplättchen auslöst. So können die kleinen kernlosen Zellen, die nur einen tausendstel Millimeter groß sind, und von denen wir etwa 250 Millionen in jedem Milliliter Blut haben, ihre zentrale Rolle bei der Hämostase erfüllen, und die Blutungen nach Verletzungen stillen. Eine übermäßige Aktivierung von GPVI kann jedoch zur Bildung krankhafter Thromben und damit zu Gefäßverschlüssen sowie akut bedrohlichen Ereignissen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen. Darüber hinaus sind Thrombozyten maßgeblich an Entzündungsreaktionen beteiligt und auch hier ist GPVI von zentraler Bedeutung.
„Die Würzburger Forschungsarbeiten der vergangenen 25 Jahre zeigten eindrücklich, dass GPVI eine vielversprechende Zielstruktur für anti-thrombotische und anti-entzündliche Therapien ist und legten damit das Fundament für die Entwicklung und klinische Erprobung von GPVI-Inhibitoren“, erklärt Bernhard Nieswandt. Der Biologe entdeckte einen Mechanismus, mit dem GPVI sowohl gehemmt als auch ausgeschaltet werden kann. Ein erstes Medikament, der GPVI-Hemmer ACT017/Glenzocimab, wurde inzwischen von einer französischen Forschungsgruppe - basierend auf der Grundlagenforschung der Würzburger Universitätsmedizin - in die klinische Phase III gebracht: „Erste klinische Daten mit diesem GPVI-Hemmer bei Schlaganfallpatientinnen und -patienten, die kürzlich veröffentlicht wurden, waren sehr vielversprechend und deuten darauf hin, dass dieser therapeutische Ansatz im Menschen funktionieren kann“, sagt Bernhard Nieswandt.
Auch sein Team hat einen GPVI-blockierenden Antikörper entwickelt, der in seiner Wirksamkeit die bisherigen Wirkstoffe weit übertrifft, sogar bei sehr niedrigen Dosen, und dabei gleichzeitig das Blutungsrisiko nicht erhöht. „Unser Antikörper ist um den Faktor 50 potenter als die bislang beschriebenen GPVI-Inhibitoren und dürfte daher eine höhere klinische Wirksamkeit und breitere Einsatzmöglichkeiten haben“, meint Bernhard Nieswandt.
Late-Breakthrough-Abstract auf dem ISTH-Kongress in Bangkok
Entwickelt wurde der GPVI-Inhibitor EMA601 von der unterfränkischen Biotech-Firma EMFRET Analytics, die Bernhard Nieswandt einst mitbegründete. Funktionell untersucht wurde EMA601 von Forschenden des UKW, des RVZ und der JMU, allen voran Dr. Stefano Navarro. Er analysierte im Rahmen seiner Doktorarbeit sowohl Antikörperfragmente von Mäusen als auch humanisierte Antikörper in vitro und in vivo und fungiert als Erstautor der Publikation. Seine Ergebnisse stellte der Wissenschaftler bereits als Late-Breakthrough-Presentation auf dem ISTH-Kongress (Congress of the International Society on Thrombosis and Haemostasis) im Juni in Bangkok (Thailand) vor. Stefano Navarros Fazit: "EMA601 ist ein konzeptionell neuartiger und vielversprechender Wirkstoff zur Behandlung und Sekundärprophylaxe von Blutgerinnseln, um Infarkte zu verhindern, aber auch zur Unterdrückung von Entzündungsprozessen, die durch Blutplättchen verursacht werden und lebenswichtige Organe schädigen können.“