Das Staatstheater Nürnberg feiert das Strauss-Jubiläumsjahr mit einer champagnerlaunigen Neuinszenierung der Konversationsoper "Arabella". Bei der Premiere am 1. Februar gab es vor allem für die erstklassige Solistenriege viel Applaus.
Schon weil das zentrale Liebespaar hier eben nicht aus Tenor und Sopranistin besteht, möchte man jedem "Arabella" von Richard Strauss empfehlen, wo ausnahmsweise der Bariton die Heroine kriegt, und zwar mit Happyend! Erst recht wenn zwei solistische Solitäre wie Ekaterina Godovanets und Jochen Kupfer sich diese Rollen aneignen und das Ganze auch szenisch und musikalisch überzeugend gelingt. Anspruchsvolle Opernfreunde sollten sich schnell Karten sichern, denn die
Nürnberger Neuinszenierung ist ein exquisiter Opernabend - natürlich nicht nur im Fasching.
Das Strauss-Jubiläumsjahr - der Komponist wurde am 11. Juni vor 150 Jahren geboren - hat nach der
Münchner Neuinszenierung der "Frau ohne Schatten" bereits seinen zweiten Glanzpunkt an bayerischen Bühnen. Dass die Nürnberger Oper die musikalisch schwierige "Arabella" fast komplett aus dem eigenen Ensemble heraus besetzen kann, spricht für die Kompetenz von Generalmusikdirektor Marcus Bosch und Intendant Peter Theiler.
Kehraus in den Goldenen ZwanzigernDas Inszenierungsteam unter Andreas Baesler, der in Nürnberg schon mehrfach sehens- und nachdenkenswerte Interpretationen realisierte, hatte keine einfache Aufgabe. Wie soll man heute dieses als "lyrische Komödie" bezeichnete Konversationsstück erzählen, das um 1860 zur Faschingszeit in einem Wiener Stadthotel spielt und unter anderem ein Frauen- und Männerbild vorführt, das eigentlich schon bei der Uraufführung 1933 in Dresden längst hätte passé sein müssen?
Der Kunstgriff, die dreiaktige Oper in ihre Entstehungszeit zu verlegen, geht nicht nur ästhetisch überzeugend auf. Die 1920er-Jahre als eine aufregende Zeit des Umbruchs spiegeln sowohl die zum Teil noch nicht vollendeten, aus den Wiener Werkstätten stammenden Art-déco-Interieurs der drei verschiedenen Hotelschauplätze (Bühne: Harald B. Thor) als auch die stilvolle Kostümierung (Gabriele Heimann), die beim Fiakerball zum Faschingskehr aus mit einer männlichen Josephine Baker und der brillant jodelnden Fiakermilli (Cornelia Götz) im Laméfrack à la Marlene Dietrich kulminiert.
Geschlechtertausch beim FiakerballDass hier die komplette Ballgesellschaft sich dem Geschlechtertausch hingibt, ist ein wunderbarer Kommentar zu dem erzwungenen Rollenwechsel der jungen Zdenka, die von der Regie spürbar aufgewertet wird. Sämtliche Figuren des Stücks und vor allem die Mitglieder der nicht nur finanziell, sondern auch moralisch heruntergekommenen Familie des auch seine Töchter verzockenden Rittmeisters a.D. Graf Waldner sind in Rollenspielen gefangen, von denen spürbar und aus eigener (Liebes-)Kraft doch nur die Jüngste ausbricht.
Das zentrale Liebespaar Arabella/Mandryka ist zwar dem größeren Missverständnis und Verwicklungen ausgesetzt, aber letztlich verändern sich beide auch in der sternenübersäten Schlussszene nicht: Wie viel Gefühlswahrheit die selbstbewusst-verwöhnte höhere Tochter Arabella und der gesellschaftlich ungeschliffene Außenseiter Mandryka in ihre Heirat einbringen, muss sich am Ende jeder selbst beantworten.
Anspruchsvoller PlaudertonÜberhaupt ist - obwohl die vom Komponisten und seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal vorgenommene Klassifizierung als Komödie Leichtigkeit suggeriert - Mitdenken angesagt. Die zentralen und handlungsarmen Gespräche des Konversationsstücks erfordern vom Publikum ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration: Das musikalische und szenische Parlando ist mitnichten ein leicht konsumierbares oberflächliches Spektakel, sondern ein höchst kompliziertes und komplexes Kunstwerk, das sich erst erschließt, wenn man genau hinsieht und zuhört.
Unter dieser Voraussetzung ist das ein grandioser Abend. Denn auf der Basis des unaufdringlichen, gleichwohl entschiedenen Regiekonzepts und der bis in die kleinsten Rollen ausgefeilten Personenführung, auf der Basis der präzisen musikalischen Einstudierung gelingt es unter der einfühlsamen Leitung von Generalmusikdirektor Marcus Bosch, dass Sänger und Instrumentalisten sich auf einer Wellenlänge begegnen, selbst wenn das Orchester bei Strauss zwangsläufig manchmal zupackend laut und das Tempo sehr schnell wird.
Großartige SängerdarstellerRandall Jakobsh als Graf Waldner ist stimmlich eine Wucht und bringt sogar etwas Wiener Schmäh ein, sängerdarstellerisch auf hohem Niveau auch Roswitha Christina Müller als seine bigotte Frau Adelaide, Martin Nyvall als strahlkräftiger Matteo und vor allem Michaela Maria Mayer, die als Zdenka bei der Premiere am 1. Februar rollensympathiegeschwängert mit den größten Applaus einheimste.
Von der stimmlichen Delikatesse und der Artikulation her war ihr allerdings Ekaterina Godovanets noch überlegen. Mit welchen Farben und dynamischen Feinheiten, welchem Lodern und Leuchten sie schon bei ihrem Rollendebüt als Arabella aufwarten konnte, ist sensationell. Fast auf Augenhöhe Jochen Kupfers erster Mandryka, der durchaus rollengerecht steif in die Wiener Gesellschaft stolpert, aber genügend Wärme und Verführungskraft in seinem flexiblen Bariton hat, dass man versteht, warum Arabella lieber ihn als all die anderen nimmt.