Nürnberg: Chefarzt der Kinderklinik schlägt Alarm: Kinder leiden unter der Stellennot

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Die Schulkinder in Nürnberg leiden unter Personalnot, beklagt Wolfram Scheurlen als gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Nürnberger Stadtrat. Symbolfoto: Semevent/Pixabay.com
Die Schulkinder in Nürnberg leiden unter Personalnot, beklagt Wolfram Scheurlen als gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Nürnberger Stadtrat. Symbolfoto: Semevent/Pixabay.com

Wolfram Scheurlen wirft der Stadt Nürnberg vor, die öffentliche Gesundheitsversorgung sträflich zu vernachlässigen. Im Fokus der Kritik steht der grüne Gesundheitsreferent Peter Pluschke.

Bereits seit Jahren würden die Nürnberger Schulkinder im Stich gelassen, kritisiert Wolfram Scheurlen, gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Nürnberger Stadtrat. Die wichtigen Schuleingangsuntersuchung würden bereits seit Jahren nicht mehr korrekt durchgeführt.

Nürnberg hat klaren Versorgungsauftrag - Mängelliste wird immer länger

Dabei habe die Stadt Nürnberg durch den Gesetzgeber eigentlich einen klaren Versorgungsauftrag, betont der CSU-Stadtrat. Durch die Personalnot im städtischen Gesundheitsamt werde die Mängelliste immer länger. Neben den verspäteten Schuleingangsuntersuchungen ist die Lage bei den Untersuchungen im Vorschulalter noch schlimmer. Diese finden offensichtlich kaum noch statt. Bei Impfpasskontrollen in den 6. Klassen scheint die Lage ebenfalls katastrophal. Aus personellen Gründen konnten diese in den letzten zwei Jahren laut Stadt "leider gar nicht" stattfinden.

Chefarzt platzt der Kragen - kommunale Pflichtaufgabe wird nicht erfüllt

Weil Verbesserungsmaßnahmen "nicht oder nicht ausreichend" bewilligt würden, sei Scheurlen "kürzlich der Kragen" geplatzt. Als Chefarzt der "Cnopfschen Kinderklinik" in Nürnberg dürften Scheurlens mahnende Worte besonderes Gewicht bekommen. "Wie sollen Familien, deren Kinder nicht regelmäßig einem Kinderarzt vorgestellt werden, auf Entwicklungsdefizite oder einen unzureichenden Impfschutz aufmerksam gemacht werden?", fragt sich Scheurlen. Eine Untersuchung zur Einschulung sei laut Scheurlen mit Recht eine kommunale Pflichtaufgabe. Hier böte sich die "unverzichtbare Gelegenheit", psychische oder körperliche Entwicklungsstörungen eines Kindes frühzeitig zu erfassen. Dadurch könnten spätere Defizite verhindert werden.

Grüne räumen Missstände ein: "Nur mit Einschränkungen" kann das Gesundheitsamt Aufgaben bewältigen

Gesundheitsreferent Peter Pluschke (Grüne) räumt die Missstände auf Anfrage von inFranken.de ein. "Nur mit Einschränkungen" könne das Gesundheitsamt seine Aufgaben wie die Schuleingangsuntersuchung bewältigen. Pluschke verweist auf "personelle Engpässe" und "steigende Kinderzahlen". Die pro Schuljahr untersuchte Kinderzahl habe sich von 4078 im Jahr 2011 auf zuletzt 4844 im Jahr 2018 erhöht. Ein Nürnberger legte zwei Monate lang ins Bett, um die Auswirkung der Schwerelosigkeit auf die Gesundheit zu erforschen.

Zu wenig Personal, zu viele Krankheitsfälle und Zuwanderung als Herausforderungen

Fazit: Die Personaldecke ist zu dünn. Krankheitsfälle würden den städtischen Personalstand im Gesundheitsbereich obendrein verschlimmern. Zusätzlich spiele die Zuwanderung eine Rolle. Denn die steigende Zahl der Kinder setze sich laut Pluschke nicht nur aus steigenden Geburtenzahlen, sondern auch aus der anhaltenden Zuwanderung und dem Familiennachzug zusammen. Durch die Zuwanderung erhöht sich zusätzlich der Zeitbedarf für jede Einzeluntersuchung. Pluschke verweist auf "sehr geringe" Deutschkenntnisse von Eltern und Kindern.

Grundlegende Beratung der Eltern notwendig

Zusätzlich mangele es an Wissen über das deutsche Gesundheits- und Schulsystem. Dadurch seien häufig "grundlegende Beratungen" der Eltern notwendig, die "äußerst zeitaufwendig" seien. Allein durch das Versenden von Mahnungen nach versäumten Terminen habe sich der Organisationsaufwand stark erhöht.

Verzögerungen lösen Kette von Problemen aus

Die Folge: Durch die Mehrbelastung und den Personalnotstand entstehen Verzögerungen, die offensichtlich einen ganzen Rattenschwanz von Problemen nach sich ziehen. In diesem Jahr trete laut Stadt bereits im zweiten Jahr in Folge das Problem auf, dass es kaum noch gelingt, die Untersuchungen der ABC-Schützen bis zum Beginn der Sommerferien abzuschließen. Untersuchungen müssten dadurch immer häufiger erst kurz vor dem Start des neuen Schuljahres stattfinden.

CSU-Stadtrat kritisiert: Stadt fehlt der Wille, mehr Geld für Gesundheitsvorsorge auszugeben

Das Ziel einer "zeitgerechten Beratung" über entscheidende Fragen wie Einschulung, Zurückstellung oder Fördermöglichkeiten könne so "in vielen Fällen" überhaupt nicht oder erst viel zu spät stattfinden. Mit gravierenden Folgen für die Betroffenen, wie CSU-Stadtrat Wolfram Scheurlen kritisiert. Laut Scheurlen fehle der Stadt der Wille, mehr Geld für die öffentliche Gesundheitsvorsorge auszugeben.

Bezüge der städtischen Ärzte könnten erhöht werden, um Stellen attraktiver zu machen

Der CSU-Stadtrat fordert die Stadt mit dem grünen Gesundheitsreferenten an der Spitze auf, die Defizite bis "spätestens 2020" endlich abzustellen. Scheurlen schlägt vor, notfalls die Bezüge der städtischen Ärzte zu erhöhen, um die Stellen für Mediziner attraktiver zu machen. Offensichtlich tut sich die Stadt auch schwer, überhaupt geeignete Bewerber zu finden.

Pluschke fordert lediglich neue "Stelle für eine Kinderkrankenschwester"

Zur Abstellung der Defizite und Erfüllung "all dieser Aufgaben" wäre laut Gesundheitsreferent Peter Pluschke "nach überschlägiger Abschätzung" lediglich die Schaffung "einer Stelle für eine Kinderkrankenschwester" notwendig. Warum dies bislang noch längst nicht geschehen ist? Diese Nachfrage hat der grüne Gesundheitsreferent bislang unbeantwortet gelassen.

Personalnotstand verschlechtert sich mit neuen Untersuchungen

Stattdessen hat Pluschke darauf verwiesen, dass die Schuleingangsuntersuchungen ab Herbst 2021 sogar noch aufwendiger werden sollen. Dann wolle der Freistaat umfangreichere Untersuchungen für alle Kommunen verpflichtend einführen. Dadurch wird der Personalnotstand im Pluschke-Referat noch viel größer. "Wir erwarten dadurch einen zusätzlichen Bedarf in der Größenordnung von vier Kinderkrankenschwestern und zwei Kinderärzten", teilt der Gesundheitsreferent auf Anfrage mit.