Ende der öffentlichen Telefone, außer in Marktgraitz

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Die Gemeinde hat abgelehnt: Vorerst bleibt das letzte öffentliche Telefon in Marktgraitz an Ort und Stelle. Bürgermeister Jürgen Partheymüller will das Telefon als Notrufstelle behalten. Fotos: Thomas Heuchling
Die Gemeinde hat abgelehnt: Vorerst bleibt das letzte öffentliche Telefon in Marktgraitz an Ort und Stelle. Bürgermeister Jürgen Partheymüller will das Telefon als Notrufstelle behalten.  Fotos: Thomas Heuchling
Bürgermeister Jürgen Partheymüller steht am letzten öffentlichen Telefon im Marktgraitz.
Bürgermeister Jürgen Partheymüller steht am letzten öffentlichen Telefon im Marktgraitz.
 
Einsam und selten benutzt: das Telefon in Marktgraitz
Einsam und selten benutzt: das Telefon in Marktgraitz
 
Zeitreise in die 80er: Das Telefon im Gasthof Dinkel in Stublang
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Das Tastenfeld ist schon etwas, abgenutzt, aber funktioniert.
Das Tastenfeld ist schon etwas, abgenutzt, aber funktioniert.
 
Hinter dieser Tür ist der Telefonraum im Gasthof Dinkel.
Hinter dieser Tür ist der Telefonraum im Gasthof Dinkel.
 
Bedienung Silke Eichhorn probiert das Telefon aus: Ihre Chefin ruft vom Handy an. Es funktioniert noch.
Bedienung Silke Eichhorn probiert das Telefon aus: Ihre Chefin ruft vom Handy an. Es funktioniert noch.
 
Das Telefon im Marktgraitz
Das Telefon im Marktgraitz
 
Das Telefon im Gasthof Dinkel
Das Telefon im Gasthof Dinkel
 

In Marktgraitz wollte die Telekom das letzte öffentliche Telefon abbauen. Die Gemeinde hat abgelehnt. Derweil sammelt das Münztelefon im Stublanger Gasthof Dinkel immer noch Münzen.

Es steht versteckt zwischen Brief- und Stromkasten: das letzte öffentliche Telefon in Marktgraitz. Aber es bleibt. Der Gemeinderat hat sich in der vergangenen Sitzung einstimmig gegen den Abbau durch die Telekom entschieden. "Es gibt auch noch Leute ohne Handy. So ein Telefon ist wichtig für Notfälle", sagt Jochen Partheymüller (BB/FW), der Bürgermeister von Marktgraitz. Die gelbe Telefonzelle, die hier seit 1968 stand, gebe es schon seit 15 Jahren nicht mehr, sagt Partheymüller. Abgelöst von einem sogenannten Basistelefon.

Kein Dach, keine Scheibe

Eine einfache grau-silberne Säule mit violettem Hörer. Kein Dach, keine Scheibe, die gegen Regen oder Wind schützt. Münzen kann man auch nicht einwerfen. Lediglich mit der Nummer einer Telefonkarte kann der Bürger noch telefonieren.Mit ihrer Entscheidung versucht die Gemeinde einem allgemeinen Trend entgegen zu wirken. Dem stetigen Abbau öffentlicher Telefone durch die Telekom. Für das Unternehmen sind sie unrentabel geworden. Handys und die flächendeckende Verbreitung von Festnetzanschlüssen machen diesen Dinosaurier der Kommunikation für das Unternehmen unnötig.

"Die Telekom darf Städte und Gemeinden wegen eines Abbaus ansprechen, wenn dort öffentliche Fernsprecher mit einem Umsatz von weniger als 50 Euro stehen", schreibt Markus Jodl, Pressesprecher bei der Telekom. Aber die Gemeinde habe das Recht diese Anfrage abzulehnen, sagt Partheymüller. Auch der deutsche Städte- und Landkreistag rät, einem Abbau nicht zuzustimmen, wenn Zweifel bestehen, dass die Bevölkerung den Standort noch benötige. "Wir warten jetzt ab und schauen, wie die Telekom reagiert", sagt der Bürgermeister.

Ein Raum für ein Telefon

Solche Probleme hat Jochen Dinkel nicht. In seinem öffentlichen Telefon sind tatsächlich noch Münzen drin. "So zwei oder drei Mal im Jahr leeren wir das Telefon", sagt der Chef vom Gasthof Dinkel im Bad Staffelsteiner Ortsteil Stublang. Wer das Telefon sucht, der muss den nach frisch gekochtem Braten riechenden Gastraum verlassen. Es geht eine Treppe hinunter ins Untergeschoss, vorbei an der Tür zur Herrentoilette. Gegenüber des Zigarettenautomaten steht unscheinbar "Telefon" auf einer braunen Holztür. Ein kleiner Raum mit abgeschrägter Decke und zwei Stühlen befindet sich dahinter. An der Wand wie aus einer Zeit vor 20 oder 30 Jahren hängt ein gräulich-silbernes Telefon mit einem violetten Farbstreifen der Telekom darauf.

"Den Raum gibt es seit 1978. Damals hing hier noch ein Telefon mit Wählscheibe. Das mit den Tasten kam Ende der 80er Jahre", sagt Dinkel. Er wolle das Telefon auch weiter behalten, denn die Ein-Euro-Stücke und Cent-Münzen zeigen ihm, dass es noch benutzt werde. Meistens von Leuten, die wissen, dass es dort unten stehe. Aber richtig erklären, warum damit Menschen telefonieren, kann Dinkel auch nicht.

Münzen gehen als Wechselgeld in die Kasse

Der Gastwirt kann nur schätzen, was die Minute kostet: "Wir haben es mal irgendwann auf 30 Cent pro Minute runter gesetzt." Es steht zwar das Logo der Telekom drauf, aber die Dinkels zahlen eine ganz normale Telefonrechnung für den Apparat. Die Münzen gehen als Wechselgeld in die Kasse. In Marktgraitz muss die Telekom vorerst ihrer Pflicht zur Grundversorgung nachkommen. Noch versteckt sich das grau-silberne Telefon zwischen Post- und Stromkasten.

Telefonzellen, mit Dach, Wänden und Scheiben, wie sie Marktgraitz vor mehr als 15 Jahren auch noch hatte, landen unter Umständen in Berlin. Dort gibt es eine gelbe für 450 und eine magenta-graue für 350 Euro zu kaufen. Bei der Telekom können Sammler, Nostalgiker oder Bastel-Fans die klobigen Zeugnisse der analogen Kommunikation zu sich nach Hause holen.

In einem Zentrallager in der Nähe von Berlin bewahrt die Telekom die Zellen auf. Interessierte können sich Fotos zuschicken lassen und die Telefonzellen in Eigenregie abholen, schreibt die Telekom. "Die Bedeutung der Telefonzelle hat mit dem Siegeszug des Handys abgenommen. Es gibt bundesweit noch rund 40 000 Telefonzellen", schreibt Markus Jodl, Pressesprecher der Telekom. Zahlen für den Landkreis Lichtenfels oder einzelne Gemeinden seien bei der Telekom nicht für die "externe Kommunikation" vorgesehen.

Insgesamt sind es zwischen 40 000 und 50 000, denn einige andere Anbieter tummeln sich auch noch auf dem Markt. Zumeist an Bahnhöfen oder Flughäfen, wo öffentliche Telefone noch lukrativ sind. Auch die Zahlen der Bundesnetzagentur sprechen für ein Ende öffentlicher Münz- und Kartentelefone: 113 Millionen Sim-Karten gab es 2013 in Deutschland. Bei den Festnetzanschlüssen herrsche bereits seit längerem Vollversorgung.

Fangemeinde im Internet

Auf dem sozialen Netzwerk Facebook gibt es zahlreiche Gruppen, die für den Erhalt der Telefonzellen kämpfen oder die letzten vorhandenen dokumentieren. Der 17-jährige Stefan Zaum aus Augsburg ist einer von ihnen. "Bei mir vor der Tür wurde eines Tages eine Telefonzelle abgebaut, danach hab' ich angefangen Fotos zu machen und die Facebook-Seite gegründet", sagt Zaum. Im Internet und bei Facebook gibt es Bilder und Informationen von Zaum und seinem Hobby. Er wolle den Abbau nicht aufhalten, das gehe gegen die mächtige Telekom nicht. Sein Ziel ist es, eines Tages ein Museum für die gelben und magenta-grauen Häuschen zu eröffnen.