Töpfer- und Keramikerhandwerk im Lockdown: "In der Krise hat man uns glatt vergessen"

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Derzeit dauert es etwas länger, bis Wolfgang Knapp seinen großen Brennofen anschüren kann. Die Aufträge fehlen.
Derzeit dauert es etwas länger, bis Wolfgang Knapp seinen großen Brennofen anschüren kann. Die Aufträge fehlen.
Dieter Hübner

Auch dem im Landkreis Kulmbach starken Töpfer- und Keramikerhandwerk macht der Lockdown schwer zu schaffen

Jeweils am zweiten März-Wochenende findet deutschlandweit der "Tag der offenen Töpferei" statt. Normalerweise.

Die Flyer für dieses Jahr wurden zwar bereits im Dezember gedruckt, doch Corona machte den Veranstaltern - wie schon 2020 - einen dicken Strich durch die Rechnung.

Töpfer- und Keramikerbetriebe schlagen Alarm: "In der Krise hat man uns glatt vergessen"

Das veranlasste Edith Memmel, Obermeister der Töpfer- und Keramiker-Innung Bayern, dazu, die Öffentlichkeit auf die prekäre Lage dieser Handwerksbetriebe hinzuweisen. "Diese Absage tut emotional wie auch wirtschaftlich weh", bedauert sie die Situation. Die Keramikermeisterin vertritt seit 1992 insgesamt 75 Betriebe im Freistaat.

Sie schlägt Alarm: "Das Töpfern gehört zu den ältesten Handwerkskünsten überhaupt. Wir gelten sogar als ‚kulturrelevant‘. Aber bei den politischen Entscheidungen spielen wir ebenso wenig eine Rolle wie Betriebe mit ähnlichen Strukturen. In der Krise hat man uns glatt vergessen", wird sie deutlich.

Memmel weiß, wovon sie spricht. Sie kennt die Nöte und Sorgen, die ihre Kollegen seit dem vergangenen Frühjahr umtreiben. "Seit dem zweiten Lockdown ab Dezember sind unsere Geschäfte wieder geschlossen. Die Umsätze sind völlig weggebrochen, wir sitzen auf unserer Ware. Meinen Kollegen geht langsam die Luft aus, zumal auch die staatlichen Hilfen - ausgenommen die erste unkomplizierte Bayernhilfe - für die meisten von uns nicht greifen. Hier brauchen wir dringend unbürokratische Regelungen, die an die Bedürfnisse und Möglichkeiten kleiner Betriebe angepasst sind."

"Kurzarbeit ohne Kurzarbeitergeld"

Wolfgang Knapp fertigt mit seiner Frau Natascha in Trebgast handwerkliches Steinzeuggeschirr und Gartenkeramik. Er stellt enttäuscht fest: "Wir kommen im Denken der Politiker gar nicht vor." Sein Hauptaugenmerk gilt etwa zehn Töpfermärkten in ganz Deutschland, die einen guten Namen haben. "Dort machen wir drei Viertel bis vier Fünftel unseres Jahresumsatzes."

Vom bekannten Keramikort Kandern bei Lörrach bis hinauf nach Schwerin sind beide von Mai bis Oktober unterwegs. Normalerweise. Letztes Jahr im März kam der erste Lockdown. "Als ab Juli wieder offen war, dachten wir, dass uns dieses Thema 2021 nicht mehr beschäftigen wird."

Aber im Dezember kam der zweite Lockdown. "Das Weihnachtsgeschäft, sonst ein Polster, das bis März/April reicht, ist total weggebrochen. Der Markt in Dießen am Ammersee, mit bis zu 50 000 Besuchern in vier Tagen einer der großen, fällt heuer bereits zum zweiten Mal hintereinander aus", bilanziert Wolfgang Knapp nüchtern und fasst zusammen: "Das ist Kurzarbeit ohne Kurzarbeitergeld."Obwohl bei ihm das Ladengeschäft nicht die Haupteinnahmequelle ist, bedauert er, dass er nicht öffnen darf.

"Wir werden in unseren Läden ja nicht überrannt"

"Der Reiz holzgebrannter Keramik liegt in seiner unverwechselbaren Ausstrahlung, die sich einem erst durch Betrachten und Ertasten erschließt. Das Feuer ist das bestimmende Element", ist Marianne Le Dieu von der Töpferei am Museum in Thurnau von ihren Produkten überzeugt.

Jetzt ist auch ihre Werkstatt zu, und sie hat keine Kunden. "Im Grunde können wir das nicht einsehen, wir werden in unseren Läden ja nicht überrannt", erklärt sie uns.

"Unser bester Monat ist der Dezember mit den Weihnachtsmärkten. Davon zehren wir sonst von Januar bis März, wenn von Haus aus wenig los ist. Dieses Hauptgeschäft ist 2020 ausgefallen." Ebenso wie ihre Hausausstellung, die immer in der Woche nach Ostern stattfindet. "Danach habe ich immer Arbeit für drei Monate."

"Es wird langsam brenzlig"

Viele Märkte besucht Marianne Le Dieu aus Altersgründen nicht mehr. "Durch das Töpfermuseum und das Schloss haben wir das Glück, dass im Sommer auch etwas Tourismus im Ort unterwegs ist." Ihr Fazit: "Die Decke wird dünn, es wird langsam brenzlig."

Heike Flaschka von der Töpferei Drehwurm im Mainleuser Ortsteil Motschenbach macht es sehr viel Freude, mit ihren selbst entworfenen Keramiken schöne Dinge und auch ein Stück Lebensqualität im Alltag zu schaffen. Aber auch bei ihr schwingt derzeit eine allgemeine Verunsicherung mit. "Wir wissen nicht, woran wir sind. Wann dürfen wir wieder öffnen? Wann können wieder Märkte stattfinden? Wir hangeln uns von Woche zu Woche. Das macht uns alles nicht unbedingt froh."

Wegen Corona hat sie letztes Jahr in einen Onlineshop investiert. "Für die Fotos hatten wir das Wohnzimmer in ein halbes Fotostudio verwandelt." Aber auch ihr hat das Weihnachtsgeschäft, vor allem der Thurnauer Weihnachtsmarkt, komplett gefehlt. "Das war für uns wie ein Schlag ins Gesicht." Und die zwei Ausstellungen, die sie jedes Jahr anbietet, konnte sie nicht durchführen. "Die ersten Märkte dieses Jahr wurden bereits nach hinten verlegt. Wenn dann später wieder etwas Normalität einkehrt, führt das dazu, dass viele Märkte an den Wochenenden zusammenfallen werden. Wir verstehen halt nicht, warum die einen dürfen, und die anderen nicht. Gerecht ist das nicht."

Zweites Standbein

Auch Gerhard Trommler von der Töpferei Peesten ist von der Politik enttäuscht. Er verkauft seine Produkte hauptsächlich in Freiberg in Sachsen, wo seine Frau in bester Lage ein Keramikfachgeschäft betreibt. Aber seit 13. Dezember 2020 ist das auch geschlossen. "Es wird langsam eng", sagt er . Obwohl ein großes Fragezeichen dahinter steht, wie sich die Leute nach dem Lockdown verhalten werden, produziert er derzeit weiterhin auf Vorrat. Etwas Luft verschafft ihm auch sein zweites Standbein: "Anfang des Jahres hatte ich zwei Aufträge für den Bau von Kachelöfen."

Gerhard Trommler bedauert insbesondere junge Kollegen, die erst angefangen und eventuell noch Geld aufgenommen haben. "Sie haben durch die Umsatzeinbußen noch größere Schwierigkeiten." Übereinstimmend betonen alle immer wieder, dass sie in der Lage sind, alles Notwendige regeln zu können, was zur Ausübung und zum gefahrlosen Betrieb ihres Berufes erforderlich ist.