Am zweiten Verhandlungstag zum versuchten Totschlag in Kronach sagte die Betreuerin eines Angeklagten aus. Der 19-Jährige behauptet, schwer traumatisiert zu sein - ließ seine Termine mit Ärzten und Psychologen aber wiederholt platzen.
Noch während er zu Boden stürzte, traten sie ihm mit den Füßen gegen den Kopf - mit der Hacke ins Gesicht, bis sich der 51-Jährige zusammenkauerte und versuchte, sich wenigstens mit den Armen zu schützen. So beschreiben Augenzeugen den Vorfall, der sich am 11. Mai 2018 am Kronacher Marienplatz ereignet haben soll. Zwei junge Männer aus Afghanistan werden beschuldigt, das Opfer mit Faustschlägen und Tritten malträtiert zu haben. Die Anklage lautet versuchter Totschlag. Dabei wollte der 51-Jährige nur einigen Jugendlichen helfen, die mit den Angeklagten aneinandergeraten waren.
Was bisher geschah: "Das heiße Blut im Gesicht" - Mann (51) aus Kreis Kronach will Jugendlichen helfen und wird selbst zum Opfer
Eine Gruppe, die zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit dem Auto über den Marienplatz fuhr, schilderte in ihren Aussagen Schläge gegen die Brust und Stampftritte gegen den Kopf des 51-Jährigen. Als sich einer der Zeugen dem 19-jährigen Angeklagten in den Weg stellte, habe dieser zuerst eine drohende "Kampfstellung" eingenommen, sei dann aber vom Tatort geflohen.
Nicht mehr aufgetaucht
Am zweiten Verhandlungstag am Coburger Landgericht verlas ein Psychiater der Klinik Erlangen sein Gutachten. Außerdem sagte die Berufsbetreuerin des 19-jährigen Afghanen aus. Sie wurde dem jungen Mann zur Seite gestellt, um ihm beispielsweise bei Behördengängen zu helfen. Schon vor ihrem ersten Treffen wurde dem Angeklagten ein Platz im Psychologischen Zentrum in Nürnberg zugeteilt, um seine Kriegserlebnisse verarbeiten zu können.
Im Erstgespräch mit seiner Kronacher Betreuerin habe sich die Situation aber plötzlich ganz anders dargestellt. "Er wusste nichts von dem Klinikplatz und hatte auch nicht vor, nach Nürnberg zu ziehen", erzählte die Zeugin. Stattdessen wurde er in der Psychologischen Tagesklinik in Kronach aufgenommen - erschien aber bereits am dritten Tag nicht mehr. "Ich habe schon viele schwer traumatisierte Leute getroffen und die kämpfen alle um so einen Platz wie in Nürnberg", betonte die Betreuerin.
Im Betreuungsgutachten wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. "Das wäre für ihn also schon die richtige Einrichtung gewesen", meinte die Zeugin. Bei einem Hausbesuch habe sie ihm noch einmal eindringlich erklärt, wie wichtig die Therapie für ihn sein. Doch ein paar Tage danach sei sie darüber informiert worden, dass der 19-Jährige die Behandlung abgebrochen habe. Auch der Versuch, mit dem jungen Mann weiterhin in Kontakt zu bleiben, sei gescheitert: Terminvorschläge habe er einfach ignoriert. Seine Betreuerin habe danach weitere Hausbesuche vermieden: "Als Frau war es irgendwie komisch, da alleine hinzugehen."