Für ihn war das eine Herausforderung, die er aus ganzem Herzen annahm. "Ich habe das als eine sehr schöne Zeit empfunden", sagt er. "Man musste die Leute erobern. Das hatte einen wahnsinnigen Reiz." Seine Belohnung dafür sieht er in einer Gemeinde, die ihm viel Freude bereitet und ihm 20 Erwachsenentaufen ermöglicht hat.
2019 schließt sich für ihn der Kreis. Er ist zu seinen oberfränkischen Wurzeln zurückgekehrt - in ein Welt, die sich grundlegend von der 90 000 Einwohner zählenden Stadt in Sachsen unterscheidet - im Positiven wie im Negativen.
Wieder zieht der Klosterrektor die Mundwinkel hoch: "Ich kann endlich wieder ,Gruß Gott‘ sagen." Auf seinen früheren Stationen habe er für diese Äußerung allenfalls fragende Blicke geerntet. Dabei redet er so gern in seinem heimatlichen Dialekt. Und er ist heute nicht mehr der "Herr Welscher", wie in Sachsen. Endlich ist er wieder der "Pater Welscher".
Zwei Seiten der Traditionen
Als er vom Frankenwald weiterredet, kehrt ein ernster Tonfall ein. "Es gibt hier viel Brauchtum, viel katholische Tradition", freut sich der Geistliche. "Aber es gibt auch viel bewahrende, konservative Einstellung. Manche Menschen haben Angst vor Veränderung, die kapseln sich dann ein." Deshalb wünscht sich Welscher, dass "etwas mehr Bewegung reinkommt", ohne dadurch die guten Seiten der Religiosität in der Region zu zerschlagen.
Schnell kehrt das Schmunzeln zurück, als er von den positiven Aspekten der Traditionspflege im Frankenwald spricht und einen "Kulturschock" nennt. "Ich habe 65 Jahre gebraucht, um zu erleben was eine Kirchenparade ist", sagt er lachend. "Sowas gab's nicht einmal im Ruhrgebiet."
Solche "schockierenden" Erfahrungen möchte er auch künftig nicht missen. Deshalb hofft er, dass der laufende Strukturwandel in unserer Gesellschaft den Gottesglauben im Frankenwald nicht schwinden lässt. Denn "es gibt hier sehr positive Dinge". Er nehme eine große Bereitschaft der Menschen wahr, sich ins Kirchenleben einzubringen. Und die Klosterkirche sei in den Gottesdiensten gut gefüllt. "Es ist noch genug Kaffeemehl im Filter. Daher kommt ein guter Kaffee heraus", malt er ein Bild einer starken christlichen Gemeinschaft in der Region.
Auch innerhalb des Klosters stimme das Miteinander unter den vier Priestern. Das 100. Jubiläum der Oblaten im Jahr 2020 vor Augen, stellt sich dennoch die Frage nach Veränderungen unter dem neuen Rektor. Pater Rudolf sieht sich öfters mit dem Wunsch konfrontiert, angesichts des Priestermangels die Pfarrarbeit stärker zu unterstützen. Für ihn ist das aber ein zweischneidiges Schwert, weil dadurch die Besonderheit des Klosters verloren gehen könnte. "Dann wäre es nur noch ein Wohnheim für vier Priester im Pfarrdienst", befürchtet er.
Begegnung suchen
Was er aber weiter intensivieren möchte, ist die Begegnung mit den Gläubigen. Die Klosterkirche sei früher die Beichtkirche des Frankenwaldes gewesen. Ihm ist besonders wichtig, sie auch heute als einen Ort zu präsentieren, an dem Menschen ihr Herz ausschütten können und sich jemand Zeit nimmt, ihnen zuzuhören. Und zwar nicht nur bei der Beichte.
Und wer sich auf ein Gespräch mit Pater Rudolf einlässt, dem zaubert er vielleicht auch bald ein Lächeln ins Gesicht. Ein bisschen Entertainer steckt schließlich auch in ihm. Kein Wunder bei seinem Schulkollegen.