Rudolf Welscher ist kein Pater von der Stange

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Ein Mann der klaren Worte: Pater Rudolf Welscher. Foto: Marco Meißner
Ein Mann der klaren Worte: Pater Rudolf Welscher. Foto: Marco Meißner

Im September wurde der 69-jährige Rudolf Welscher Rektor des Oblatenklosters in Kronach. Im Gespräch zeigt sich, dass er vor allem eines ist: ein Mensch, der im Leben steht.

Tiefernst? Ist er nicht. In sich gekehrt? Ist er nicht. Eine typische Amtsperson? Ist er schon gar nicht. Mit seinem ersten Lächeln wischt Pater Rudolf Welscher alle Klischees von einem Klosterrektor vom Tisch. Fragen beantwortet er, noch ehe sie gestellt sind. Gerne auch mit einem Augenzwinkern. Der neue Rektor des Kronacher Oblatenklosters lässt es "menscheln". Er wirkt ebenso geerdet wie weltoffen. Und doch verliert er im Gespräch nie seinen Glauben oder seine Grundsätze aus den Augen.

Im September wurde Pater Rudolf zum Rektor des Kronacher Klosters ernannt. Damit schloss sich für den 69-Jährigen nach 50 Jahren ein Kreis, der sich durch ganz Deutschland zog und ihm unterschiedlichste kulturelle wie kirchliche Erfahrungen sammeln ließ. 1950 wurde Welscher in Kulmbach geboren, die Mutter stammte aus Erlangen, der Vater aus Pressig. Der Frankenwald ist ihm aus der Jugend daher sehr vertraut.

Nach der Schulbank, die er zeitweise mit TV-Star Thomas Gottschalk gedrückt hat, und schließlich dem Abitur trieb ihn seine kirchliche Berufung in die Ferne. Über Aachen und Gelsenkirchen bis nach Zwickau. "50 Jahre Oblate, 43 Jahre Priester", fasst er seinen reichen Erfahrungsschatz zusammen. Und eine Aufgabe ließ ihn dabei besonders am Puls seiner Mitmenschen horchen. "Ich war fast 30 Jahre Volksmissionar. Das ist sozusagen eine Spezialität der Oblaten - nicht Pfarreien zu übernehmen."

Diese Wanderschaft und der enge Kontakt zu den Menschen erklärt auch, wieso er gesellschaftliche Entwicklungen genau und kritisch verfolgt - auch in der Kirche. "Ich habe den Grundsatz, nicht andere für mich denken zu lassen, sondern immer noch selber für mich zu denken", betont er. Wenn er zurückblicke, habe er sich nie verbogen. Auch zwölf Jahre als Gefängnispfarrer haben zu einer sehr objektiven Weltsicht beigetragen. "Diese Zeit hat meine ganze Theologie durcheinander gebracht", gesteht der Geistliche.

Vom Stadion in die Kirche

Denn was er stets tut, ist aus seinen Begegnungen zu lernen - wie verschieden die Menschen sind und wie unterschiedlich der Glaube gelebt wird. In Gelsenkirchen, scherzt er, sei ihm gleich erklärt worden: "Die einzige Religion ist Schalke!" Aber sehr zu seiner Erleichterung fand er auch Christen vor. Natürlich war der Pater selbst im Stadion. Dort erfuhr er, warum es in so mancher Pfarrei im Ruhrgebiet am Samstagnachmittag selten Beichtgelegenheiten gab: "Weil eine ganze Reihe von Pfarrern auf Schalke war. Die hatten Dauerkarten."

Dass es ihn später ausgerechnet nach Zwickau verschlug, ringt ihm ein fast schon spitzbübisches Lächeln ab. "Das ist ja die Partnerstadt von Dortmund", erklärt er - wohlwissend um die fußballerische Erzrivalität der "Königsblauen" und der Borussia.

Bei allem Spaß, fokussiert sich der Geistliche jedoch schnell wieder auf das, worauf es ihm ankommt. Den Glauben und die Menschen. Erstaunlicherweise hat ihn da gerade die Station in Zwickau geprägt. "80 Prozent sind dort nicht getauft, das ist für uns eigentlich unvorstellbar. Nur knapp fünf Prozent sind Katholiken", erinnert sich Pater Rudolf an seine Jahre in der 1700 Mitglieder starken St.-Nepomuk-Gemeinde.

Für ihn war das eine Herausforderung, die er aus ganzem Herzen annahm. "Ich habe das als eine sehr schöne Zeit empfunden", sagt er. "Man musste die Leute erobern. Das hatte einen wahnsinnigen Reiz." Seine Belohnung dafür sieht er in einer Gemeinde, die ihm viel Freude bereitet und ihm 20 Erwachsenentaufen ermöglicht hat.

2019 schließt sich für ihn der Kreis. Er ist zu seinen oberfränkischen Wurzeln zurückgekehrt - in ein Welt, die sich grundlegend von der 90 000 Einwohner zählenden Stadt in Sachsen unterscheidet - im Positiven wie im Negativen.

Wieder zieht der Klosterrektor die Mundwinkel hoch: "Ich kann endlich wieder ,Gruß Gott‘ sagen." Auf seinen früheren Stationen habe er für diese Äußerung allenfalls fragende Blicke geerntet. Dabei redet er so gern in seinem heimatlichen Dialekt. Und er ist heute nicht mehr der "Herr Welscher", wie in Sachsen. Endlich ist er wieder der "Pater Welscher".

Zwei Seiten der Traditionen

Als er vom Frankenwald weiterredet, kehrt ein ernster Tonfall ein. "Es gibt hier viel Brauchtum, viel katholische Tradition", freut sich der Geistliche. "Aber es gibt auch viel bewahrende, konservative Einstellung. Manche Menschen haben Angst vor Veränderung, die kapseln sich dann ein." Deshalb wünscht sich Welscher, dass "etwas mehr Bewegung reinkommt", ohne dadurch die guten Seiten der Religiosität in der Region zu zerschlagen.

Schnell kehrt das Schmunzeln zurück, als er von den positiven Aspekten der Traditionspflege im Frankenwald spricht und einen "Kulturschock" nennt. "Ich habe 65 Jahre gebraucht, um zu erleben was eine Kirchenparade ist", sagt er lachend. "Sowas gab's nicht einmal im Ruhrgebiet."

Solche "schockierenden" Erfahrungen möchte er auch künftig nicht missen. Deshalb hofft er, dass der laufende Strukturwandel in unserer Gesellschaft den Gottesglauben im Frankenwald nicht schwinden lässt. Denn "es gibt hier sehr positive Dinge". Er nehme eine große Bereitschaft der Menschen wahr, sich ins Kirchenleben einzubringen. Und die Klosterkirche sei in den Gottesdiensten gut gefüllt. "Es ist noch genug Kaffeemehl im Filter. Daher kommt ein guter Kaffee heraus", malt er ein Bild einer starken christlichen Gemeinschaft in der Region.

Auch innerhalb des Klosters stimme das Miteinander unter den vier Priestern. Das 100. Jubiläum der Oblaten im Jahr 2020 vor Augen, stellt sich dennoch die Frage nach Veränderungen unter dem neuen Rektor. Pater Rudolf sieht sich öfters mit dem Wunsch konfrontiert, angesichts des Priestermangels die Pfarrarbeit stärker zu unterstützen. Für ihn ist das aber ein zweischneidiges Schwert, weil dadurch die Besonderheit des Klosters verloren gehen könnte. "Dann wäre es nur noch ein Wohnheim für vier Priester im Pfarrdienst", befürchtet er.

Begegnung suchen

Was er aber weiter intensivieren möchte, ist die Begegnung mit den Gläubigen. Die Klosterkirche sei früher die Beichtkirche des Frankenwaldes gewesen. Ihm ist besonders wichtig, sie auch heute als einen Ort zu präsentieren, an dem Menschen ihr Herz ausschütten können und sich jemand Zeit nimmt, ihnen zuzuhören. Und zwar nicht nur bei der Beichte.

Und wer sich auf ein Gespräch mit Pater Rudolf einlässt, dem zaubert er vielleicht auch bald ein Lächeln ins Gesicht. Ein bisschen Entertainer steckt schließlich auch in ihm. Kein Wunder bei seinem Schulkollegen.