Geboren wurde Bozdech 1918 nämlich nicht nur in einem anderen Land, sondern auch gleich einer anderen Staatsform. Die inzwischen tschechische Stadt Olmütz gehörte 1918 noch zur Donaumonarchie Österreich-Ungarn, deren letzter Kaiser Karl I. zwei Jahre zuvor die Amtsgeschäfte übernommen hatte und schon bald wieder los war.
Sieben Kilometer neben der deutschen Sprachgrenze wuchs Bozdech in Nordmähren auf - zu dieser Zeit Teil der neu gegründeten Tschechoslowakei. "Als die Slowakei 1938 unabhängig geworden ist, mussten alle tschechoslowakischen Staatsangehörigen die Slowakei verlassen", erzählt Bozdechs Sohn Rudolf. Seit seine Mutter Lieselotte vor vier Jahren starb, hat er die Familientradition fortgeführt und mit seinem Vater jedes Jahr dem Riesenrad einen Besuch abgestattet.
Als Ferdinand Bozdech nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ins ehemalige Sudetenland zog, dachte er, nun endlich eine Heimat gefunden zu haben. In einer Textilfabrik in Neuberg lernte er seine spätere Frau kennen, bekam mit ihr Sohn Rudolf und baute ein Haus. 1968 waren es schließlich die einmarschierten Russen, die dafür sorgten, dass die Heimat nicht Heimat bleiben durfte. "Nach langem Hin und Her durften wir ein Jahr später ausreisen", erinnert sich Rudolf Bozdech. Weil die Schwester und Mutter von Ferdinand Bozdechs Frau in Theisenort wohnten, wurde der Landkreis Kronach zum Ziel.
Ehrenamtlich engagiert
Bis zu seinem Ruhestand 1981 arbeitete der gelernte Eisenbahner als Maschinenschlosser bei der Kronacher Maschinenfabrik und engagierte sich im Markt Küps ehrenamtlich als Feldgeschworener und als Dolmetscher der tschechischen und slowakischen Sprache bei Polizei und bei Gericht.
Nach sechs Jahren im Ruhestand zog Bozdech zusammen mit seiner Frau erst nach Vogtendorf, ehe sich das Ehepaar zu Bozdechs 90. Geburtstag eine Eigentumswohnung am Kreuzberg gönnte - in der er auch mit zehn weiteren Jahren auf dem Buckel lebt.
Unterstützt wird er dabei nicht nur von seinem Sohn, sondern an zwei Tagen in der Woche auch von der Lucas-Cranach-Tagespflege "meine Zeit" des Diakonischen Werks. "Bei uns singt und kegelt er nicht nur gerne, sondern nimmt auch an der Zeitungsrunde teil, wenn wir aus dem Fränkischen Tag vorlesen", erzählt Pflegerin Christina Schukat.
Wert verdoppelt
In Deutschland ist Bozdech inzwischen einer von 16 860 über Hundertjährigen, die 2014 gezählt wurden. Und die Zahl dürfte weiter steigen. "Es wird damit gerechnet, dass es in 40 Jahren schon 60 000 sind, in 70 Jahren rund 120 000", sagte Adelheid Kuhlmey vom Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft am Berliner Krankenhaus Charité vor und einem Jahr der in Berlin erscheinenden Zeitung Der Tagesspiegel.
Knapp 50 Jahre wurden Männer aus Bozdechs Generation im Durchschnitt alt. Ein Wert, den er längst verdoppelt hat. Zeit, die er genießt. Und nutzt. Sei es zum Singen des Oberfrankenlieds, zum gemeinsamen Marmorkuchenbacken mit seinem Sohn - oder zum Besuch auf dem Riesenrad.