Die Suche nach einem guten Arzt führt zunehmend viele Patienten ins Internet. Auf zahlreichen Bewertungsportalen müssen sich auch die Kronacher Mediziner der Meinung ihrer Patienten aussetzen. Die Meinung der Kronacher Ärzteschaft ist geteilt. Viele lehnen die Portale ab .
Die Worte sind entweder Balsam für die Medizinerseele oder gleichen einem Schlag ins Gesicht: "Top Mann", "Krankenhaus zum Wohlfühlen", "Unfassbar", "Leider nicht zu empfehlen" oder "Alles Bestens, sehr schmerzfreie Behandlung". So ein Stimmungsbild über die Kronacher Medizinlandschaft im Internet.
Seit 2007 können die Bürger auf diversen Internetportalen Schulnoten oder Sterne verteilen und Bewertungstexte für die Leistung ihres Arztes abgeben. Auch die Mediziner aus dem Landkreis Kronach müssen sich der öffentlichen Bewertungen ihrer und der Arbeit ihres Personals stellen. Das Urteil der Patienten schwankt dabei zwischen mittelalterlichem Pranger und Lobhudelei. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.
André Naumann, der Verwaltungsleiter der Frankenwaldklinik, sieht in der Online-Bewertung, bezogen auf die Frankenwaldklinik, eher eine Randerscheinung. Und die Zahlen geben ihm Recht.
Auf "
Klinikbewertungen.de", einem der größten Portale für Krankenhaus-Bewertungen, gibt es in den vergangenen Jahren nur acht Bewertungen. Auf eine hat Naumann sogar geantwortet und das beschriebene Problem konnte, nach seiner Aussage, schnell geklärt werden. "Es ist extrem wichtig Kritik und Lob von Patienten zu bekommen, um unsere Arbeit zu verbessern", sagt Naumann. Besser fände er es, wenn die Patienten während ihres Aufenthaltes oder unmittelbar danach Kritik äußerten. "Der direkte Kontakt mit den Patienten ist besser", sagt Naumann. Dafür betreibt die Frankenwaldklink ein internes Qualitätsmanagement. Der Patient könne einen Fragebogen ausfüllen und diesen anonymisiert oder mit Daten zur Kontaktaufnahme in einen Briefkasten werfen oder einem Mitarbeiter übergeben.
Als große Schwachstelle der Arztbewertung im Internet sieht André Naumann die Anonymität.
Hausärzteverband äußert Kritik Ähnlich sieht das Uwe Fleischmann, der Vorsitzende des Kreisverbandes der Hausärzte. Er mahnt an, diese Portale äußerst kritisch zu sehen. "Solche Seiten sind nichts anderes als Portale zur Hotelbewertung. Von 15 Eintragungen sind vielleicht 13 gefälscht", sagt Fleischmann. Der Trend gehe zwar immer mehr ins Internet, aber eine eigene Meinungsbildung sei wichtig. Patienten sollten sich nicht auf irgendwelche Anonymen im Internet verlassen. Sie sollten sich besser im Bekanntenkreis, bei Freunden oder Kollegen nach Ärzten erkundigen.
Auf der Suche nach Fachärzten sei der Hausarzt ein geeigneter Ansprechpartner.
Viele gewerbliche Betreiber Sucht ein Patient im Internet nach einem Mediziner in seiner Nähe, kommen ganz oben in der Trefferliste der Suchmaschine die Bewertungsportale. Sie haben Namen wie "docinsider", "esando", "imedo" oder "jameda". Gewerbliche Betreiber dominieren dabei das Geschäft. Auf einigen Seiten können Ärzte auch sogenannte Premium-Einträge buchen, um so über der eigentlichen Trefferliste angezeigt zu werden. Wie aussagekräftig die Bewertungen sind, ist schwer einzuschätzen.
An der Aussagekraft hegt auch der Steinwiesener Zahnarzt Oldrich Havelka große Zweifel. Zudem bemängelt er die Pranger-Funktion dieser Seiten. "Wenn die Nutzer in den Portalen nicht anonym wären, dann wäre es eine saubere Sache", sagt Havelka.
Aktuell sei es für Ärzte sehr schwierig gegen Diffamierungen oder ähnliches vorzugehen: "Man kann sich als Arzt nicht wehren." Er arbeite zwar nicht aktiv mit den Betreibern solcher Portale zusammen, wisse aber dass er auf denen, auf denen er auftaucht, meistens sehr gut wegkomme. Kollegen, die sogar mit Bildern in diesen Portalen auftauchen, zahlten dafür Geld. Sie hätten es auch einfacher, bestimmte Einträge löschen zu lassen oder negative Einträge zu filtern. "Solche Kollegen finde ich einfach nur peinlich", sagt Havelka. Er rät, sich besser mit Freunden und Kollegen über einen Arzt zu beraten. Auch Havelka arbeitet in seiner Praxis mit Fragebögen, um eine Rückmeldung von den Patienten zu bekommen.
Vom Essen bis zur Zimmerpflanze Online wird fast alles bewertet.
Erreichbarkeit, Wartezeiten, Praxiseinrichtung, Freundlichkeit des Personals oder bei Kliniken die Qualität des Essens. Alles Dinge, die ein Patient durchaus beurteilen kann. Schwieriger wird es da schon bei der Beurteilung der fachlichen Kompetenz eines Arztes. Patient "Hellmahr" äußerte sich im April 2014 auf "Klinikbewertungen.de" als unzufrieden über die Frankenwaldklinik. Unter pro gab er an: "Gutes Essen, gutes Team bei Bauchspiegelungen." Unter contra schrieb er: "Unhygienisch, unterqualifiziert, viele ausländische Ärzte, kommerziell ausgerichtet". Vielleicht auch auf Grund solcher Bewertungen sehen fachkompetente Prüfer bei den meisten Portalen Nachholbedarf. Auch Stiftung Warentest kam 2011 zu dieser Einschätzung.
Wenig Bewertungen für Kronach Aus diesem Test ergeben sich einige Schwachstellen der Portale: Ihre Vielzahl ist unübersichtlich und der Mangel an Bewertungen vieler Ärzte lässt an der Aussagekraft zweifeln. Rund Zehn größere Portale und knapp 30 kleinere gibt es, in denen der Patient mit großer Wahrscheinlichkeit auch einen Arzt aus seiner Nähe findet. Im Schnitt haben die Ärzte aus dem Kronacher Raum zwei bis acht Bewertungen. Ausreißer mit bis zu 100 Bewertungen gibt es vereinzelt auch. Rund die Hälfte der Kronacher Ärzte, egal ob Facharzt oder Allgemeinmediziner, haben gar keine Bewertung.
Interessant ist auch ein Blick auf die Zugriffszahlen eines Arztprofils. Glaubt man den Statistiken des Seitenbetreibers, sind diese Zahlen weitaus höher als die Bewertungen.
Teilweise mehrere hundert Male wurden die Kronacher Mediziner bei verschiedenen Anbietern aufgerufen.
Betreiber fordern private Daten Eine weiterer Schwachstelle: Bei vielen Anbietern muss der Nutzer außerdem Angaben zum Krankheitsbild machen. Etwas harmloser, aber nicht weniger privat sind Informationen zu Versichertenstatus, Alter und Geschlecht, die bei vielen Portalen Pflicht sind. Positiv zu bewerten ist, dass ein Ansehen der Bewertungen ohne Anmeldung möglich ist. Einen ersten Schritt für einheitliche Qualitätsstandards hat das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), eine gemeinsame Einrichtung der Bundesärztekammer und der kassenärtzlichen Bundesvereinigung, im Dezember 2009 angestoßen: Einen Kriterienkatalog für solche Portale.
In der Kronacher Zahnarztpraxis von Thomas Löffler geht das Praxis-Team einen Zwischenweg.
"Die Patienten füllen anonymisiert einen Bogen aus und diesen geben wir an eine Firma weiter, welche die Daten dann auf verschiedenen Portalen einträgt", erklärt Zahnarzthelferin Anastasia Gast. Sie ist auch Beauftragte für das Qualitätsmanagement in der Praxis. Zum einen bedeute dieser Weg weniger Aufwand für das Praxispersonal und zum anderen könnten so auch ältere Menschen, die sich weniger im Internet auskennen, die Praxis bewerten.
Kassen gehen eigenen Weg Dass auch die gesetzlichen Krankenkassen dieses Thema ernst nehmen, zeigt sich darin, dass sie ihre eigenen Portale online schalten. "Mit dem AOK-Arztnavigator wollen wir den Patienten eine verlässliche Orientierungshilfe für die Suche nach einem passenden Arzt geben", sagt Stephan Preisz von der AOK-Direktion Coburg.
Die Bewertung beruhe auf einem wissenschaftlich fundierten Fragebogen und werde im Portal erst freigeschaltet, wenn eine Mindestzahl von fünf Bewertungen für einen Arzt vorliege. "Zum Schutz vor Diffamierungen sind keine Freitexte möglich", betont Preisz.
Solche Portale stecken noch in der Entwicklung und haben in einigen Bereichen das Potenzial, bei der Ärztewahl zu helfen. Aber auf eines sollte sich der Patient nicht verlassen, wie aus einer Stellungnahme des ÄZQ hervorgeht: "Wer suggeriert,ein Portal könne die medizinische Fachkompetenz der bewerteten Ärzte abbilden, der handelt in den meisten Fällen grob fahrlässig."