"Starke Radioaktivität": Überbleibsel erinnern an Haßfurter Wildbad und angeblich heilendes Quellwasser

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Die Firma F. Schelle & H. Schmidt ließ sich dieses Tassenmotiv schützen. Das ist stolz am Tassenboden vermerkt. Das Geschirr stammt offensichtlich von dem Hersteller, der am "Victualienmarkt 4" in München beheimatet war. "Wildbad Haßfurt" ist vorne auf der Tasse vermerkt und weist damit die Tasse als Geschirr einer Einrichtung aus. Das Wildbad war als Kurort weitum bekannt. Fotos: Matthias Heyn
Die Firma F. Schelle & H. Schmidt ließ sich dieses Tassenmotiv schützen. Das ist stolz am Tassenboden vermerkt. Das Geschirr stammt offensichtlich von dem Hersteller, der am "Victualienmarkt 4" in München beheimatet war. "Wildbad Haßfurt" ist vorne auf der Tasse vermerkt und weist damit die Tasse als Geschirr einer Einrichtung aus. Das Wildbad war als Kurort weitum bekannt. Fotos: Matthias Heyn
Eine absolute Rarität ist das Papieretikett auf der Flasche. "Doros" hieß dieses "feiste Tafelwasser aus der Dorotheen Quelle" des Wildbades. Und was immer damit gemeint war: Der Begriff "Radioaktivität" hatte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts natürlich eine völlig andere Bedeutung als heute. Diese "Radioaktivität" sollte zum Beispiel wirksam sein bei Bluthochdruck und Arthritis.
Eine absolute Rarität ist das Papieretikett auf der Flasche. "Doros" hieß dieses "feiste Tafelwasser aus der Dorotheen Quelle" des Wildbades. Und was immer damit gemeint war: Der Begriff "Radioaktivität" hatte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts natürlich eine völlig andere Bedeutung als heute. Diese "Radioaktivität" sollte zum Beispiel wirksam sein bei Bluthochdruck und Arthritis.
 
Vögelchen und zarte Verzierungen machen so ein Kaffeetässchen aus dem Wildbad reizend.
Vögelchen und zarte Verzierungen machen so ein Kaffeetässchen aus dem Wildbad reizend.
 
Matthias Heyn ist stolz auf diese Flasche aus dem Wildbad - der Papieraufkleber blieb erhalten.
Matthias Heyn ist stolz auf diese Flasche aus dem Wildbad - der Papieraufkleber blieb erhalten.
 
Das Wasser der Dorotheen-Quelle aus Haßfurt hatte einen eigenen Porzellan-Verschlusskopf.
Das Wasser der Dorotheen-Quelle aus Haßfurt hatte einen eigenen Porzellan-Verschlusskopf.
 

Das Haßfurter Wildbad hatte in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts einen besonderen Ruf. Die Menschen sprachen der "Dorotheen-Quelle" dort heilsame Wirkung zu. So florierte ein Gaststätten- und Kurenbetrieb. Besondere Überbleibsel verwahrt Matthias Heyn.

Das Haßfurter Wildbad war einst ein bedeutungsvoller Veranstaltungsort. Die Sozialdemokraten hielten in der Weimarer Republik Maikundgebungen dort ab, 1923 gab es sogar eine berüchtigte "Saalschlacht". Damals hatten örtliche NSDAP-Vertreter einen Vortrag organisiert. Am 3. Juni 1923 trat die Propagandahetzrednerin Frau Ellendt auf. Dabei kam es zur gewalttätigen Auseinandersetzung mit Sozialdemokraten und Juden. Die Nazis nutzten das Ereignis, indem sie sich als Märtyrer stilisierten.

Heilende Quellen

Was das Wildbad aber so berühmt gemacht hatte, war die Wirkung seiner Quellwasser. Ihre "Radioaktivität" förderte angeblich die Gesundheit.

Der Hintergrund: Antoine Henri Becquerel entdeckte 1896 die Radioaktivität, weil eine Fotoplatte, die neben Uransalz abgelegt worden war, durch dieses belichtet wurde. Dieser ionisierenden Strahlung schrieb man gute Wirkungen zu, ja man nutzte sie sogar im Haushalt.

Eine Zahncreme namens "Doramad" etwa versprach, dass die Zähne weiß und die Mundhöhle erfrischt würde. Der Berliner Hersteller versicherte, die Strahlen würden das Zahnfleisch massierten. Sogar radioaktive Unterwäsche gab es. Radioaktive Wolle sollte eine gesunde und sanfte Wärme verbreiten, gegen Arthritis und Bluthochdruck helfen. Die Unterwäsche "Iradia" gab es nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kleinkinder.

Ausführlich hat der frühere Chefarzt am Haßfurter Krankenhaus, Volker Grumbach, die Geschichte des Wildbades erforscht ("Das Wildbad Haßfurt - Von Heilquellen und Spekulanten", 2005). In einem Würzburger Antiquariat war er auf die Schrift "Die Heilkräfte der Quellen Haßfurts am Main" gestoßen. Ab da sammelte er jahrelang Originalunterlagen zu Geschichte, Gebäuden und Quellen des Wildbades, die nördlich der Bundesstraße 26 in die Nassach fließen. Die Thermalwässer gibt es nachweislich seit 1366, sie trieben Jahrhunderte lang die Sulzmühle an. Seit dem 16. Jahrhundert sorgten sie für florierenden Kur- und Badebetrieb.

Eines der ältesten Bäder

Damit ist das Wildbad Haßfurt eines der ältesten Bäder Frankens. Das Heilwasser wurde im 19. Jahrhundert als Mineralwasser abgefüllt versandt. Vor allem Eisen und Schwefel wirkten laut Grumbach gegen Blutarmut und Hautkrankheiten. Von den großen Bauten des Wildbads und dem Wildbadpark existiert bis auf den "Wildbadsaal" nichts mehr. Die letzten Gebäude wurden im Jahr 1976 für die Nordtangente abgerissen.

Der Kurbetrieb brachte dem Wildbad überregionale Bedeutung. Bis zur Säkularisation 1803 war es eng mit dem Benediktinerkloster Theres verbunden, denn die Patres hatten in dem Mühlwasser die Heilwirkung erkannt. Sogar der Bamberger Bischof ließ sich bei einem Besuch in Zeil das Heilwasser bringen. In den Sulfitionen vermutet der Mediziner Volker Grumbach die Wirkung gegen Verstopfung.

Fast vergessen, richtete ein cleverer Müller 1825 wieder einen Badebetrieb ein. Unter Ludwig von Seefried stand das Wildbad zwischen 1845 und 1875 in Blüte. Sogar Moorbäder mit Moor aus dem Mooswäldchen Augsfeld gab es. Doch der Betrieb warf zu wenig Geld ab.

Von 1875 bis 1908 gab es 14 Besitzerwechsel. Der Kurbetrieb schlief ein, der Gaststättenbetrieb lief allerdings bestens, nachdem der Ballsaal ausgebaut worden war: Die Haßfurter trafen sich hier, Lebenspartner fanden sich. Dann wurde es stiller um das Wildbad. Die "Mambo" spielte letztmals am 26. November 1988 dort auf.

Der Junkersdorfer Matthias Hey lebt seit 25 Jahren in Haßfurt und begann, Interessantes über seine neue Heimat zu sammeln. Ansichtskarten zogen ihn auch in den Bann, weil sie sich gut lagern lassen. Inzwischen hat er über 600 Stück, dazu das ein oder andere Objekt. Stolz ist er auf eine Flasche der Dorotheen-Quelle, weil diese noch ein Papieretikett trägt. "Das haben die meisten dieser Flaschen nicht mehr." Auf Flasche und Kaffeetässchen der Wildbadgaststätte erhielt er beim Posten in der Facebook-Gruppe "Meine Heimatstadt Haßfurt" viel Resonanz. Die "schönen Kommentare" freuen ihn. Zum Schmunzeln ist es, wenn die Menschen ihre Erinnerungen teilen und einer schreibt, "aus der Quelle hab ich noch getrunken". Dem 48-jährigen Diplomkaufmann ist die Heimatgeschichte ans Herz gewachsen, er gehört dem Heimatkreis Kultur und Geschichte Königsberg an sowie dem Historischen Verein Landkreis Haßberge.