Am Limit: Ein Insider berichtet über die Belastung des Systems durch Covid-19

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Bewusst an einem abgeschiedenen Ort in Haßfurt aufgestellt wurde der Container, der bislang in Eltmann stand: Hierher werden alle Personen vom Gesundheitsamt beordert, die von Amts wegen einen Abstrich im Gaumen machen lassen müssen. Ohne Benachrichtigung kann hier niemand einfach so einen Corona-Test machen lassen. Die Kandidaten werden im Abstand von jeweils zehn Minuten zum Test bestellt. In den Container selbst durften wir nicht reinspitzen. Foto: Julia Scholl
Bewusst an einem abgeschiedenen Ort in Haßfurt aufgestellt wurde der Container, der bislang in Eltmann stand: Hierher werden alle Personen vom Gesundheitsamt beordert, die von Amts wegen einen Abstrich im Gaumen machen lassen müssen. Ohne Benachrichtigung kann hier niemand einfach so einen Corona-Test machen lassen. Die Kandidaten werden im Abstand von jeweils zehn Minuten zum Test bestellt. In den Container selbst durften wir nicht reinspitzen. Foto: Julia Scholl

Das Testsystem für mutmaßlich Erkrankte ist nicht einfach zu durchschauen. Ein Insider berichtet von den Problemen, mit denen jetzt die Kräfte zurechtkommen müssen. Hinter den Kulissen arbeiten alle am Anschlag.

Die Berichterstattung des FT hat ihn geärgert. Unser verdienter Notarzt, der für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der kassenärztlichen Vereinigung (KVB) im Einsatz ist, wendet sich am Freitag per Telefon an die Redaktion. Wenn man über die Verärgerung der wartenden Menschen schreibe, solle man auch mal an diejenigen denken, die in dem System arbeiten müssten, sagt er - und gibt einen Einblick hinter die Kulissen. Denn da wurden beispielsweise quasi über Nacht 40 Mehrstunden pro Woche für die Fahrbereitschaft angeordnet. Eigentlich nicht zu stemmen, wenn Fahrer im Urlaub sind und im normalen Betrieb schon Überstunden anfallen.

Mindestens genauso schlimm ist es für die Telefondisponentinnen am Bereitschaftstelefon 116117. Die Software "SmED", die "strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland", ermöglicht zwar eine verfeinerte Analyse der Lage des Anrufers und übersetzt dies in ein Ampelsystem, dafür dauert die Abfrage länger und das Telefon ist damit länger besetzt.

"Mir ist es schon passiert, dass ich dann vor Ort war, aber die Ehefrau gesagt hat, sie habe jetzt schon den Rettungswagen gerufen. Den Bereitschaftsdienst hat sie zum Absagen nicht mehr erreicht, weil der ständig besetzt war." Da fährt der Arzt mit seinem Rettungsfahrer durch die Nacht und vergeudet wertvolle Zeit, die es bräuchte, um Patienten zu besuchen.

Skeptisch sieht der Insider das System, wenngleich es in bestimmter Hinsicht Sinn macht. Denn lebensgefährlich bedrohte Patienten (Herzinfarkt) werden als rot eingestuft. Der Abstrich beim Corona-Verdachtsfall rangiert hingegen unter grün und ist nachgeordnet. So kommt es, dass der Arzt erst später bei dem Wartenden eintrudelt. Wenn dann auch noch spätabends der Mundschutz ausgegangen ist, kann es sein, dass der Arzt eben nicht mehr zu dem Gemeldeten fährt - er muss sich nicht selbst gefährden.

Kommunikation über Hierarchien

Hinzu kommt die Hierarchie. Der Bereitschaftsarzt nimmt nur die Probe, die kommt ins Labor und von hier aus werden der Reihe nach Kassenärztliche Vereinigung und Gesundheitsamt verständigt, falls es ein positives Ergebnis geben sollte. "Der Doktor hat gar nichts mehr damit zu tun", sagt unser Mann, wird aber mit Fragen von den Patienten bedrängt. Er versteht die Not. "Innerhalb von 24 Stunden müsste eigentlich Bescheid gegeben werden, aber das läuft nun mal leider nicht." Grund ist die Überlastung auf allen Ebenen. Das System ist aus seiner Sicht am Limit, der Bereitschaftsarzt sei auch "kein Polanti" des Arbeitgebers: Denn oft erhielten Familien, aus dem Urlaub zurückgekehrt, die Anweisung aus der Firma, sich einen Abstrich nehmen zu lassen. Axel Heise, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern in München kennt genau diese Praxis aus vielen Gesprächen mit den Beratungsärzten. "Uns ist das Problem definitiv bekannt", sagt er. Es ist aber nun einmal so, dass nur getestet wird, wenn jemand aus einem Risikogebiet kommt und krank ist. Ohne Symptome kein Test. Die Abfrage am KVB-Telefon per "SmEG" gebe dem Anrufer Handlungsanweisung und löse die Rettungskette aus: Durch die strukturierte Abfrage ergeben sich die Lösungswege: Zuhause bleiben oder eine Bereitschaftspraxis aufsuchen oder Notarzteinsatz. Selbst Schulen haben schon beim Bereitschaftsdienst angerufen, weiß Heise. Das führe alles dazu, dass das Personal über Gebühr belastet werde und die Telefone besetzt seien, obwohl sie zu einem Drittel aufgestockt wurden. "Wir nehmen momentan pro Tag 800 Proben in Bayern und haben 5000 Anrufe pro Tag in Bayern." Ein Gewaltakt für die Mitarbeiter, die zu Stoßzeiten um Weihnachten herum 1500 Anrufe haben und zu Normalzeiten gerade einmal ein Zehntel.