"Wie Wotan sitzen wir auf der Titanic"

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Clemens Renker
Clemens Renker

Clemens Renker bietet eine ökonomische "Ring"-Exkursion.

Er ist ein gebürtiger Bamberger, lebt jetzt wieder in seiner Heimatstadt und wirft als Wirtschaftswissenschaftler, Banken- und Marketingfachmann für den Richard-Wagner-Verband einen besonderen Blick auf Wagners Tetralogie: Professor Clemens Renker untersucht heute Abend um 19.30 Uhr im Hotel "Bamberger Hof", Schönleinsplatz 4, welche Konsequenzen man aus den Macht-Konstellationen in Wagners "Ring" für Wirtschaft und Politik heute ziehen kann. Der Eintritt zum Vortrag ist frei.

Wie kommt ein Ökonom auf den Gedanken, sich fachlich mit Wagners "Ring" zu beschäftigen?

Clemens Renker: Als ich in den 90er Jahren dank einer geschenkten Karte meinen ersten "Ring" in Bayreuth erlebt habe, wurde mir sofort klar, dass Wagner hier implizit und vorbewusst mehr sagt, als wir explizit und bewusst aufnehmen können. Vorausgesetzt man hält diese langen Opern durch, kann man aus ihnen also vielfältigsten Nutzen ziehen.

"Macht im ,Ring' - Konsequenzen für Wirtschaft und Politik heute" heißt Ihr Vortrag.

Es geht um Macht und Ohnmacht, Machtmissbrauch und Machtvakuum, denn all das ist relevant für jeden einzelnen Menschen. Dazu gibt es einige Kern- und weitere Fragen, die deutlich machen, dass Wotan als allmächtiger Gott nur ein prominentes Beispiel dafür ist, wie man den eigenen Willen gegen den Willen anderer durchsetzt und zu erhalten und zu verteidigen sucht.

Wie geschieht das konkret?

Mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln und Tricks. Wotan und seine Mannschaft sitzen wie wir auf der Titantic: Um ihre Haut zu retten, versuchen sie allerdings nur, ein paar Stühle umzustellen, was natürlich zwecklos ist. Er und seine Umgebung sind nicht fähig, die andere Seite der Macht zu sehen - die kooperative Macht im Sinne von Aufgabe der Kontrolle über sich selbst und die anderen.

Geht es im "Ring" nicht auch um Liebe?

Ja, aber dann muss man auch Macht anders definieren. Menschen haben ein Bedürfnis nach Macht und brauchen sie. Aber eben die andere Seite der Macht: Wenn Macht davon kommt, sich selbst und andere zu mögen, und wenn Macht als Vermögen im Sinn von Können verstanden wird.

Ist das nicht eine Utopie, wenn man weiß, dass Digitalisierung, Algorithmen und Big Data, die weder Moral noch Ethik kennen, zunehmend unsere Welt bestimmen?

Die letzten Takte in der "Götterdämmerung" glauben an den Menschen. Die zutiefst humanistische Musik nährt die Hoffnung, dass die sinnlose Welt sich von der dumpfen und destruktiven Machtsicht verabschiedet.

Die Fragen stellte Monika Beer