Wie das Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz durch die Corona-Krise kommt

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Sven Oelkers, Geschäftsführer des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz, steht an einem leeren Krankenhausbett. Foto: Franziska Rieger
Sven Oelkers, Geschäftsführer des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz, steht an einem leeren Krankenhausbett. Foto: Franziska Rieger

Aufgeschobene Operationen, Isolierfälle in Mehrbettzimmern: Geschäftsführer Sven Oelkers berichtet im Gespräch mit dem FT, wie hart die Corona-Krise das Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz trifft.

Frei gehaltene Betten und verschobene Operationen: Die Corona-Pandemie bringt die Krankenhäuser in Bedrängnis. Sven Oelkers, Geschäftsführer des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz, spricht im Interview darüber, wie das Klinikum bisher durch die Krise gekommen ist.

Herr Oelkers, ist schon wieder Normalbetrieb in den Alltag am Klinikum eingekehrt?

Sven Oelkers: Nein. Natürlich werden neben Notfällen auch wieder geplante Eingriffe behandelt. Es hat sich aber generell etwas geändert: Jeder Patient, der stationär aufgenommen wird, wird auf Corona getestet. Wir haben immer noch einen Isolier- und Verdachtsbereich für Coronafälle. Dadurch ist eine Normalbelegung des Hauses gar nicht möglich.

Wie oft liegen noch Coronafälle im Klinikum?

Verdachtsfälle kommen regelmäßig, an manchen Tagen kommen vier oder mehr Verdachtsfälle, an manchen Tagen einer. Auch behandeln wir immer wieder Corona-Patienten auf der Isolierstation am Standort Forchheim.

Wegen der Corona-Krise werden weiterhin Betten frei gehalten, im Frühjahr wurden nicht lebenswichtige Operationen verschoben. Welche Auswirkungen hat das auf die Finanzen des Klinikums?

Für die finanzielle Lage war das schwierige, dass von heute auf morgen die Anweisung der Staatsregierung kam, nur noch Notfälle zu behandeln. Dadurch sind Erlöse der geplanten Aufnahmen weggefallen. Auf der Gegenseite sind die normalen Kosten, die Personalkosten sind der größte Kostenblock in einem Krankenhaus, unvermindert weiter gelaufen bei massivem Rückgang der Einnahmen. Dieses finanzielle Thema wird sich auch so einfach nicht lösen lassen.

Dahinter steckt ein Finanzierungssystem mit Fallpauschalen, also die Vergütung von stationären Leistungen pro Behandlungsfall.

2004 sind die sogenannten Fallpauschalen eingeführt worden. Dabei war das Ziel, mögliche Effizienzreserven im Gesundheitswesen zu heben. Das heißt, man bekommt je nach Schweregrad des behandelten Falles einen bestimmten Euro-Betrag und dann ist es grob egal, ob dieser Patient vier Tage oder 14 Tage stationär in der Klinik ist. Das Ziel dabei war, die Verweildauer zu verkürzen und damit das System effizienter zu machen. Damit verbunden ist eine Auslastung der Klinikbetten zu gewährleisten, da diese ansonsten gestrichen werden. Das Dilemma ist deshalb seit Jahren: Immer mehr Patienten müssen in immer kürzerer Zeit behandelt werden, damit die Kliniken die Erlöse wie in den Vorjahren erreichen können.

Wie sehr hat die Corona-Krise dieses System verschärft?

Wenn man sich das unter den Rahmenbedingungen von Corona anschaut, ist dieses System völlig ungeeignet. Wegen Corona ist ein massiver Rückgang der Fallzahlen, aber auch der Belegung aufgrund der Isolierung der Verdachtsfälle einhergegangen. Und damit sind diese beiden Steuerungsgrößen, Fallzahl und Bettenauslastung, die ja quasi die Basis der wirtschaftlichen Finanzierung stellen, gar nicht mehr gegeben. Aber auch die Kalkulation der Fallpauschalen ist seit vielen Jahren ein zunehmendes Problem, da viele Kosten und Rahmenbedingungen der Kliniken nicht berücksichtigt werden.

Was sind Alternativen zu den Fallpauschalen?

Im Endeffekt müsste dieser Mengenleistungsdruck aus dem System raus: Wenn weniger Fälle da sind, kann das nicht automatisch zu einem riesen negativen Ergebnis in den Kliniken führen. Die Frage ist, ob man wieder dahin zurückgeht, wo man schon einmal war. Also zu einem Art Kostendeckungs-Prinzip: Dass die Häuser keine Gewinne erwirtschaften müssen. Dafür wäre Voraussetzung, dass die Förderquoten entsprechend angepasst werden. Alternativ müsste die Kalkulation der Fallpauschalen leistungsgerecht angepasst werden, so dass auch die Vorhaltekosten und Rahmenbedingungen der Kliniken kostenmäßig berücksichtigt werden und nicht nur die reinen Behandlungskosten eines Patientenfalles.

Wie groß ist das Defizit, das durch die Corona-Krise am Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz entstanden ist?

Das kann konkret noch keiner sagen. Ein genaues Bild der Lage wird man erst in ein paar Monaten treffen können. Aktuell ist ja auch unklar, wie es jetzt im Herbst und Winter weitergeht und welche Maßnahmen von der Regierung noch ergriffen werden.

Der Landkreis und die Vereinigten Pfründnerstiftungen Forchheim sind Gesellschafter des Klinikums. Sie haben dem Klinikum eine Bürgschaft zugesagt.

Das die beiden Träger hinter dem Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz stehen und im Fall der Fälle aushelfen würden, ist sehr erfreulich und beruhigend. Ob das Geld wirklich gebraucht wird, und in welcher Höhe, kann heute noch keiner sagen.

Was sind denn die Folgen eines Defizits?

Die Gesellschafter würden das Defizit ausgleichen.

Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung vom Landkreis?

Sehr, wir haben uns eng abgestimmt, hatten engen Kontakt mit dem Katastrophenstab des Landkreises. Auch im verwaltungstechnischen Bereich, wo es um die Beschaffung und Vergabe der ganzen Materialien im Katastrophenfall ging.

Wie sieht es denn mit den Tagespauschalen aus, die der Bund für jedes leere Bett versprochen hat?

Die gab es, sie wurden aber in einem zweiten Schritt in Berlin differenziert und angepasst. Zum 30 September sind diese ganz weggefallen. Im Fall des Standortes Forchheim gab es dann auf einmal nur noch 460 Euro statt 560 Euro für jedes leere Bett. Dafür habe ich kein Verständnis, denn gerade Häuser wie Forchheim, die Corona-Patienten behandelt haben und in die Bresche gesprungen sind, werden abgestuft bei den Pauschalen und finanziell schlechter gestellt.

Das heißt, für jedes Bett, das im Klinikum frei gehalten wurde, gibt es 460 Euro?

Nein, das wurde ja von vielen falsch verstanden: Nicht für jedes Bett, das im Krankenhaus frei ist, bekommt man die Pauschale. Die Basis ist die durchschnittliche Belegung des Vorjahres 2019. Das heißt, wenn man im Vorjahr vielleicht 80 Prozent Auslastung hatte, dann bekommt man für jedes frei gehaltene Bett, das unter den 80 Prozent ist, diese Pauschale. Es wird also nur versucht, die Differenz zwischen der durchschnittlichen Belegung des Vorjahres und der aktuellen Ist-Belegung des laufenden Jahres auszugleichen.

Wie blicken Sie denn der Winterzeit entgegen?

Die Verdachtsfälle werden in dieser Zeit sicher wegen den Erkältungserkrankungen zunehmen. Es wird eher jemand als Verdachtsfall eingestuft, als es in den Sommermonaten der Fall war. Aktuell haben wir noch eine überschaubare Lage hier im Landkreis. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn das so bleibt. Keiner hat ein Interesse daran, dass die Situation wieder solche Ausmaße annimmt wie im Frühjahr. Aber ganz ausschließen kann man das leider nicht.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus den vergangenen Monaten gezogen?

Mittlerweile sind die Abläufe eingeübt, es gibt strukturierte Abfragen, wenn man in die Kliniken kommt, es kommt keiner zu geplanten Aufnahmen ohne negativen Coronatest in die Klinik. Das sind alles Bedingungen, die eine viel höhere Sicherheit mit sich bringen, als es das im Frühjahr war. Am Anfang, als die Welle so hochgeschnellt ist, waren die Testkapazitäten bei den Laboren gar nicht vorhanden. Mittlerweile ist dieses Kapazitätsproblem ja sehr gut gelöst. Die Rahmenbedingungen sind nun in vielen Punkten geklärt. Außerdem hat sich bewährt, dass alle Verdachtsfälle und Corona-Patienten ins Klinikum am Standort Forchheim kommen. So versuchen wir, den Standort Ebermannstadt komplett Corona-frei zu halten, weil sich in Ebermannstadt unter anderem die Akut-Geriatrie befindet.

Wie sieht es denn mit Mitarbeiter-Testungen aus?

Unsere Betriebsmediziner bieten regelmäßig Termine für die Mitarbeitertestungen an. Das ist eine freiwillige, vorsorgliche Testung. Neue Mitarbeiter werden bei Einstellung getestet. Mitarbeiter, die im Haus in Risikobereichen wie auf der Isolierstation oder auf der Intensivstation tätig sind, können sich alle zwei Wochen testen lassen. Im Verdachtsfall natürlich auch außerhalb der Reihe. Das Gespräch führte Franziska Rieger.