Erkrankungen mit gefährlicher Geschlechtskrankheit steigen in Deutschland "beunruhigend stark"

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Uniklinikum Erlangen: Syphilis-Erkrankungen in Deutschland steigen "beunruhigend stark"
Eine Moulage aus der Erlanger Sammlung zeigt Zeichen der Syphilis (Lues) im Gesicht (rechts).
Uniklinikum Erlangen: Syphilis-Erkrankungen in Deutschland steigen "beunruhigend stark"
SecondSide/Adobe Stock (Symbolbild); Franziska Männel/Uniklinikum Erlangen; Collage: inFranken.de

Syphilis-Fälle nehmen in Deutschland wieder zu. Experten der Hautklinik am Uniklinikum Erlangen klären über Ursachen, Symptome und Schutzmöglichkeiten auf.

"Syphilis – das klingt wie eine Krankheit aus einer Zeit, die längst vergangen ist. Doch die bakteriell verursachte Geschlechtskrankheit, die Fachleute auch Lues nennen, verzeichnet in Deutschland wieder steigende Zahlen", so das Uniklinikum Erlangen in einer Pressemitteilung. "Dabei ist die Syphilis nicht zwingend auf den Intimbereich beschränkt", wird Michael Sticherling, stellvertretender Direktor der Hautklinik (Direktorin: Carola Berking) des Uniklinikums Erlangen, zitiert.

"Sie kann mit einem Geschwür im Genitalbereich, aber auch am Mund beginnen. Und auch an anderen Körperstellen können rote Flecken und kleine Knötchen auftauchen, zum Beispiel im Gesicht. Dazu kommen manchmal Fieber, geschwollene Lymphknoten, Kopfschmerzen und Müdigkeit. Die inneren Organe und das Gehirn können ebenso betroffen sein. Wir nennen die Syphilis das Chamäleon der Medizin, weil sie viele andere Krankheiten nachahmen kann", so der Dermatologe.

Uniklinikum Erlangen: Geschlechtskrankheiten steigen jährlich um mindestens zehn Prozent

Die Zahl derjenigen, die an Syphilis, aber auch an Gonorrhoe (Tripper) und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen leiden, steige seit Jahren wieder an. "Und zwar beunruhigend stark", sagt Sticherling. "Das hat mit unserem Reiseverhalten zu tun, mit dem Sextourismus nach Asien, mit mehr sexuellen Kontakten durch Onlineplattformen und Ähnlichem. Zwei Drittel der Infektionen passieren durch Oral- oder Analverkehr, aber viele wissen gar nicht, dass dabei ein Risiko besteht. Es gibt heutzutage nicht mehr diese Vorsicht, die etwa in den 80er- und 90er-Jahren während der AIDS-Zeit herrschte." inFranken.de berichtete bereits, dass sogar Bayern von dem Syphilis-Anstieg besonders betroffen ist.

Das Team der Erlanger Hautklinik beobachte bei Geschlechtskrankheiten Steigerungsraten von jährlich zehn Prozent und mehr. "Wir überlegen tatsächlich, wieder standardisierte Syphilis-Bluttests bei unseren Hautklinikpatientinnen und -patienten einzuführen", so Sticherling weiter. "Bei Hautsymptomen müssen wir heute auch wieder an die Lues denken." Geschlechtskrankheiten sind in Deutschland wieder auf Rekordniveau. So kannst du dich schützen. Unter anderem sind die HIV-Diagnosen 2023 in Bayern gestiegen.

Bereits im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert gab es laut dem Erlanger Uniklinikum eine "Hochzeit" der Geschlechtskrankheiten. Flugblätter hätten unter anderem vor der Gefahr gewarnt, sich mit Prostituierten einzulassen, und auch Moulagen dazu gedient, die Menschen aufzuklären und abzuschrecken. Dabei habe es sich um realistische Abformungen von erkrankten Körperteilen aus Wachs gehandelt. Mithilfe von Gips sei ein Abdruck der betroffenen Hautregion gefertigt worden.

Krankenhäuser um 1900 noch "voll mit Syphilis-Kranken"

"Dieses Negativ befüllte der Mouleur dann mit gefärbtem Wachs, ließ es aushärten und kolorierte es. Auch die Erlanger Hautklinik trug für die medizinische Dokumentation und die Lehre verschiedene dieser Moulagen zusammen - neben vielen Geschlechtskrankheiten zeigen sie unter anderem Verhornungsstörungen, Hauttumoren, Tuberkulose und Lepra", so das Klinikum. Heute seien noch rund 135 Stücke in Vitrinen im Internistischen Zentrum im Ulmenweg ausgestellt.

"Um 1900 herum waren die Krankenhäuser voll mit Syphilis-Kranken", sagt Prof. Sticherling. "Um zu erkennen, ob es die Lues war oder doch etwas anderes, brauchte es zunehmend Spezialisten." Dies war die Geburtsstunde einer eigenständigen Klinik für Dermatologie und Venerologie in Erlangen, die ihre Türen erstmals im Februar 1923 öffnete, heißt es.

Damals habe man Patientinnen und Patienten trotz schambesetzter Leiden noch in Medizin-Vorlesungen vor Publikum "präsentiert". Aber auch Moulagen hätten als Lehrobjekte für angehende Ärztinnen und Ärzte und zur Dokumentation von Krankheitsverläufen gedient. "Haut lässt sich nicht konservieren, wie zum Beispiel ein Herz, das in Formaldehyd eingelegt wird. Haut wird farblos und fällt zusammen", erklärt Sticherling. "Deshalb konnte man Hautkrankheiten lange nur in Büchern abbilden. Durch die Moulagen war das ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch dreidimensional möglich."

Heilung und Schutz vor Geschlechts- und anderen Infektionskrankheiten möglich

Bis heute zeige der Dermatologe die Wachsabformungen in seinen Vorlesungen. "Was aber die Patientinnen und Patienten mit intimen (Haut-)Problemen betrifft, so müssen diese im Jahr 2024 nicht mehr fürchten, mit Gips übergossen, in einem Hörsaal vorgestellt oder Opfer medizinischer Experimente zu werden", beruhigt das Klinikum. "Wie man damals mit Erkrankten umging, ist nicht mit heute zu vergleichen, wo wir individuell auf Bedürfnisse und Ängste eingehen", so Michael Sticherling.

Während die Syphilis ab 1910 mit Salvarsan bekämpft worden sei – einem giftigen, nebenwirkungsreichen Gemisch aus Arsenverbindungen, das die vorher üblichen, ebenfalls toxischen Quecksilberverbindungen abgelöst habe –, gebe es heute wirksame Antibiotika. "Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind sie die wichtigste Waffe gegen bakteriell verursachte Geschlechts- und andere Infektionskrankheiten", betont Sticherling hierzu. Vor sexuell übertragbaren Bakterien, aber auch vor Viren, schützten Kondome oder sogar Impfungen – etwa gegen Humane Papillomaviren, die beispielsweise Gebärmutterhalskrebs auslösen können.

Dermatologinnen und Dermatologen seien sich mittlerweile um die große Bedeutung der Haut als eigenständiges Immunorgan im Klaren, das sogar eigene Antibiotika produziert. "Weil man an die Haut von außen so gut herankommt – besser als beispielsweise an den Darm –, spielt sie auch eine wichtige Rolle in der Immun- und der Entzündungsforschung", erklärt Sticherling. Die ersten Biologika gegen Schuppenflechte und Rheuma seien in Erlangen mitentwickelt worden. "Die Haut ist also viel mehr als die alles zusammenhaltende ,Wurstpelle‘, für die man sie einst hielt."

100-jähriges Bestehen der Erlanger Dermatologie wird zelebriert - Zeitzeugen erwartet

Mit einem Symposium am Samstag, 20. Juli 2024, würdigen Angehörige des Uniklinikums Erlangen und der Hautklinik, der FAU Erlangen-Nürnberg sowie externe Gäste und Referierende das 100-jährige Bestehen der Erlanger Dermatologie. "Der Weg zu ihrer Etablierung war lang und teils beschwerlich, doch im Februar 1923 wurde die Klinik schließlich im ehemaligen Garnisonslazarett in der Hartmannstraße 14 eröffnet", erinnert das Uniklinikum.

Im März 1924 habe sie mit Leonhardt Hauck ihren ersten Lehrstuhlinhaber erhalten, der sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs geführt habe. Nach zwei weiteren Klinikleitungen habe dann Gerold Schuler im Jahr 1995 die Hautklinik übernommen, bis ihn seine Nachfolgerin Carola Berking 2019 als Klinikdirektorin ablöste. Sie führe nun unter anderem die langjährige Erforschung und Therapie des weißen und schwarzen Hautkrebses in Erlangen fort.

Bei der Veranstaltung für geladene Gäste kommen unter anderem die Nachfahren Leonhardt Haucks zu Wort sowie Zeitzeugen, die die Erlanger Hautklinik über die Jahrzehnte begleiteten. Es gibt historische Einblicke in die Entwicklung der universitären Dermatologie, in die Moulagensammlung und schließlich auch einen Ausblick auf künftige Herausforderungen und Chancen im Fach Dermatologie. Weitere Nachrichten aus Erlangen-Höchstadt findest du in unserem Lokalressort.