Der heute vier Monate alte David hatte "eine der schlechtesten Prognosen, die ein Kind haben kann", wie es ein Erlanger Arzt formuliert. Zahlreiche Experten kämpften um sein Leben, während seine Eltern "zwischen Himmel und Hölle" bangten.
"Es gibt sie, die Patientengeschichten, die einem Wunder gleichen", so stellt das Uniklinikum Erlangen den Fall David in einem Bericht vor. Seine Mutter Karolina war mit ihm und seiner Zwillingsschwester Adele schwanger, als bei ihr plötzlich schon in der 29. Schwangerschaftswoche die Wehen einsetzten. "Ich fühlte einen Druck, aber ich hatte keine Schmerzen. Vielleicht wollte mein Kopf es nicht wahrhaben, dass es schon so weit ist", wird sie zitiert.
Noch dazu war sie zu diesem Zeitpunkt mit ihrem sechsjährigen Sohn Lev alleine Zuhause, während ihr Mann auf Geschäftsreise war. Karolina wählte den Notruf - doch als der Rettungsdienst eintraf, waren David und Adele schon geboren, so das Klinikum.
Uniklinik Erlangen schildert unfassbaren Fall: Sechsjähriger hilft seiner Mutter bei extremer Frühgeburt
Karolina brachte die Zwillinge völlig auf sich gestellt, lediglich mit Unterstützung ihres ersten Sohnes, auf die Welt. "Ich hab Mama das Handtuch gehalten", berichtet der sechsjährige Lev stolz. Ab der Geburt befand sich David "in höchster Lebensgefahr", ist weiter zu lesen. "Er hat nicht geschrien", erinnert sich die 31-jährige Mutter. Der Grund: Aufgrund seines zuvor bereits bekannten angeborenen Herzfehlers konnte das Herz seinen Körper nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgen.
Genauer sind bei ihm die Ursprünge der Körper- und der Lungenschlagader vertauscht. Normalerweise reichert der Lungenkreislauf das Blut mit Sauerstoff an, während der Körperkreislauf den Körper mit Sauerstoff versorgt, erklärt die Klinik. Bei David aber sind diese beiden Kreisläufe vollständig voneinander getrennt. Dadurch wird das sauerstoffreiche Blut in die Lunge gepumpt und sauerstoffarmes Blut in den Körper geleitet, was eine mangelhafte Sauerstoffversorgung der Organe zur Folge hat und ohne chirurgischen Eingriff zum Tod führen kann.
Von den Rettungskräften reanimiert, kam David mit seiner Schwester in die Neonatologie des Uniklinikums Erlangen. Gemeinsam mit der extremen Frühgeburt hatte der Junge "eine der schlechtesten Prognosen, die ein Kind haben kann", so Sven Dittrich, Leiter der Kinderkardiologischen Abteilung. Normalerweise kann die Art von Herzfehler durch einen Herzkatheter und eine anschließende operative Korrektur (Switch-Operation) kurz nach der Geburt in 95 Prozent der Fälle behoben werden.
"Eingriff wird riskant": Ärzte treffen mit Eltern lebensrettende Entscheidung
"Man kann bei einem Kind mit gerade einmal 1200 Gramm aber nicht einfach einen Herzkathetereingriff durchführen, geschweige denn eine Switch-Operation", erklärt Dittrich die heikle Situation. Bei der Herzkatheter-Operation wird eine natürliche Öffnung zwischen den Herzvorhöfen mithilfe eines Ballonkatheters vergrößert, erklärt das Klinikum. So kann das Herz sauerstoffreiches Blut in den Körper und sauerstoffarmes zur Lunge pumpen und sich der Kreislauf bis zur korrektiven Operation stabilisieren.
Der Ballon war laut Dittrich aber zu diesem Zeitpunkt größer als Davids Herz. "Wir wollten das viel zu kleine Vorkammerloch des in etwa kirschgroßen Herzens daher zuallererst mit einem Mini-Ballon dehnen." Heiko Reutter, Leiter der Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin, ergänzt: "Wir wussten: Ein Eingriff wird riskant, aber ohne ihn wird David ganz sicher sterben." Schließlich beschloss das Spezialisten-Team gemeinsam mit den Eltern, dass sie David diese Chance geben wollen.