Nachdenkliches aus Coburg: Macht des Geredes

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Kommunikationssituationen in Schwarzweiß: Fotografien von Bernd Zwönitzer begleiten die Gedanken von Reinhard Heinritz. Bernd Zwönitzer
Kommunikationssituationen in Schwarzweiß: Fotografien von Bernd Zwönitzer begleiten die Gedanken von Reinhard Heinritz. Bernd Zwönitzer
Reinhard Heinritz im Thieracher Kunstgarten. Carolin Herrmann
Reinhard Heinritz im Thieracher Kunstgarten. Carolin Herrmann
 

Einen kunstvoll gestalteten Essayband über das Wesen der Kommunikation hat der Coburger Autor und Lehrer Reinhard W. Heinritz vorgelegt.

Unsere Welt besteht zu einem erheblichen Teil aus Kommunikation. Es gibt eine wissenschaftliche Denkrichtung, die sagt, dass unsere soziale, gesellschaftliche, auch unsere individuelle Welt, unser Ich, weitestgehend erst durch Reden "hergestellt" und in unablässiger Kommunikation aufrecht erhalten wird, also durch die Benennung mit Namen, durch Definition und sprachliche Abgrenzung.
Reinhard W. Heinritz ist als Gymnasiallehrer für Deutsch, früher in Coburg, jetzt in Neustadt, an der "Herstellung von Welt" im Detail, beim einzelnen kleinen Menschlein, aktiv beteiligt. Da er ein nach-denkendes Wesen hat, dazu noch mit kunstsinniger Ader, verfasst er seit längerer Zeit selbst Texte, poetische, essayistische. Jetzt legt er wieder einen bemerkenswerten Band vor, mit dem er diesen essenziellen Prozess der Kommunikation beleuchtet.
Da Heinritz auf keinen Fall das Gerede nur weiter vermehren will, ist jeder Satz in diesem Buch genau abgewogen, so knapp wie möglich gefasst. Heinritz Kunst liegt im aufmerksamen Sammeln von Weisheiten, die er sortiert und vorsichtig zusammenfügt zu Erkenntnis. Er nimmt sie aus der uns umschwirrenden und verwirrenden Hyperwelt der Informationen und Signale, so dass wir sie leicht ergreifen und damit be-greifen können. Darum ist Heinritz dankenswerter Weise wirklich bemüht.


Drehen und Wenden

"Das Reden und das Schweigen, so scheint mir, sind nicht im Lot." So vorsichtig formulierend beginnt Heinritz in einer Art Vorwort zu seiner Betrachtung "Macht des Geredes - Symbolik des Schweigens". Es erscheint zweimal, von vorne und auf den Kopf gestellt von hinten, das dann auch "von vorne" ist. So tritt Heinritz uns als erstes mit sinnlicher Geste gegenüber. Das Buch in Händen können, müssen wir drehen und wenden. Es ist in der Coburger Edition Resch zudem sehr klar und schlicht schön zu nennen gestaltet, vom sanft zu fühlenden Papier bis zur Anordnung von Wort und Bild.
Denn begleitet werden die Gedanken eindringlich schwarz-weiß-fotografisch von Bernd Zwönitzer. Nackte, eigentlich ausdruckslose Styropor-Puppenköpfe, immer neu arrangiert, sind aufgereiht, einander zu- und abgewendet, symbolisieren die unterschiedlichen Kommunikationssituationen.
Was bedeutet es, wenn unsere Zivilisation, die umfassend auf den "logos", also auf Wort und Vernunft setzt, von Geschwätz überschwemmt wird? Dem Schweigenden begegnet man darin mit Misstrauen. Doch hat das Nicht-Reden nicht seine eigene Würde, fragt Heinritz und geht nun den zwei Seiten dieser Medaille nach.
Doch keine Sorge, Heinritz fügt den gängigen Silber-Gold-Sentenzen keine weitere Eitelkeitsgeste hinzu. Denn er lässt gelten, dass Plausch, Smalltalk als "verbales Kraulen" sehr wohl ihren Sinn im Bemühen um Miteinander haben. Die unablässige Kommunikationsmaschine soll schließlich die zum Egoshooting neigenden Einzelnen zusammenhalten. Die anthropologische Betrachtung des "Geredes" kommt zur unausweichlichen Machtfrage. Darin stellen Klatsch und Tratsch gerade heute, in den sogenannten "sozialen Medien", eine eigene Dimension dar.


Provokation: Schweigen

Von der anderen Seite her geht Heinritz dem Schweigen nach, als Provokation in Politik und Geschichte, dann als Voraussetzung für eigenständiges Denken. Meditative Stille öffnet philosophischen, ja religiösen Zugang zum Sein. Und: Schweigen kann wiederum auch teilnehmend, somit eine eigene Form der Kommunikation sein. Der wir grundsätzlich niemals entgehen, weil sie, wie gesagt, konstitutiv ist für Gesellschaft.
Entstanden aus Enttäuschung über vielfach misslingende Kommunikation, wollte Heinritz nicht einfach nur seiner Wut Ausdruck verleihen. Er wollte besser verstehen, "was uns zum Reden antreibt - und was uns verstummen lässt." Heinritz lässt uns auf schöne Weise daran teilnehmen.




Reinhard Heinritz, 1954 in Hof geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in Erlangen, Hull/England und Salzburg und schloss sein Studium mit Staatsexamen und Promotion ab. Heinritz ist Gymnasiallehrer, lange am musischen Albertinum in Coburg, mittlerweile in Neustadt. Zwischenzeitlich war er als Privatdozent im Fach Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg tätig.

Das Buch Reinhard W. Heinritz: Macht des Geredes - Symbolik des Schweigens. Essays. Edition Resch, Coburg. 160 Seiten, 24,80 Euro

Lesungen Vorgestellt wird der neue Essayband von Reinhard Heinritz am Sonntag, 1. Oktober, um 14.30 Uhr im Thieracher Garten bei " Hyazinth - Schöne Künste im Garten". Eintritt frei zur Lesung. Um 15.30 Uhr steht der Kunstgarten im Rahmen der "Offene Gartenpforte" zur Besichtigung (Eintritt 4 Euro). Weitere Termine am Dienstag, 24. Oktober, um 19 Uhr in der kultur.werk.stadt Neustadt, Bahnhofstraße (Eintritt 5 Euro) sowie am 8. Dezember um 19 Uhr in der Galerie ada in Meiningen.