Volker Backerts vierter Kriminalroman liegt vor. Sein Kommissar Charly Herrmann muss sich der "Rhein-Main-Bestie" stellen.
"Wild schäumt der weiße Krimsekt über ihre prallen braunen Brüste." Zum Ablecken kommt MdB Nassel beim "Arbeitstreffen der Deutsch-Ukrainischen Parlamentarier Gruppe in Kiew" allerdings nicht mehr. Es trifft ihn der Schlag. Womit er kurz vor der Bundestagswahl in seinem Wahlkreis den Weg frei macht für ein Duell der speziellen Art.
Mit Sätzen siehe oben muss man leben bei Volker Backert. Er ist der erste in dessen neuem "Franken Krimi", der wahrlich zubeißend "Rhein-Main-Bestie" heißt. Aber dass Backert nicht lange rum tut, benennt, was das Verbrechen so bietet und was Mann träumt und fühlt, wissen wir nach nun schon drei erfolgreichen Romanen um den Coburger Kommissar Charly Herrmann.
Doch literarischer Meriten wegen ist "Deutschlands einziger krimischreibender Standesbeamter" ohnehin nicht angetreten. All diese Sensibelchen-Krimis aus der Region, die gingen ihm auf die Nerven. Er trat an, damals noch Sicherheitschef Coburgs, um den knallharten Krimi zu bringen, eher was für Männer, weshalb er öfters typische Männerszenen, -dialoge, -rituale beschreibt. Autos, Sex (ein bisschen), das Beziehungstechnische nicht gar so grüblerisch, alles eher unverbrämt, hart an der Kante. Charly wirft dem Exkollegen Bernie ein Gampert rüber. Und zu Backerts Lesungen kommen deutlich mehr Frauen als Männer.
Wenn die Welt doch so ist
Aber Moment mal: Dass Backerts in und von
Coburg aus spielende Romane blöd seien, soll damit nicht gesagt werden. Gar nicht. Wenn die (Männer-) Welt doch so ist! Ich - das kann nicht anders gesagt werden - bin nun mal Frau, unbeschreiblich weiblich sozusagen und damit inkompetent für Volker Backerts Fälle.
Davon abgesehen sei also knallhart festgestellt: Auch Volker Backerts vierter Roman ist vom Verbrechensfall her spannend dargelegt, macht kribbelnd Spaß, was das Zwischenmenschliche anbelangt, aber gleichzeitig auch nachdenklich und betroffen, weil er in vielerlei Hinsicht düster-realistisch beschreibt.
Backert hat das Talent, knackig zu charakterisieren, die "Ü40- Schönheit, gesichtsmäßig leicht verhärtet" beispielsweise. Er kann ätzend sarkastisch sein und verteilt auch mal gerne einen kleinen lokalen Seitenhieb, etwa gegen die "unerbittliche Hightech-Präzision beim Baumschnitt" in der "Pjöngjang-Allee" im Süden Coburgs. Seine Spezialität sind Zitate aus Rock- und Popgeschichte, die hintergründig Stimmungen transportieren, weil sie ganzen Generationen präsent sind.
Der Mörder will Rache an Charly
Von "Das Haus vom Nikolaus" bis "Hardrock" hatte Backert neben der Abartigkeit der Morde immer ein brisantes aktuelles Thema im Blick. Diesmal ist es das zunehmend populistische öffentliche Kommunikationswesen, das Politik und Gesellschaft zu entstellen droht.
Dabei analysiert Backert die handelnden Personen quer durch differenziert, kritisch, aber nicht gnadenlos: Die engagierte ältere Abgeordnete Sylvia Freyberger auf ihrer "Zirkustournee" durch den Wahlkreis muss sich dem karrieregeilen Hannes Förster stellen, der gerne rechtsorientiert stachelt und jetzt, nach Ausbruch des Massenmörders Dirk Lepky - die besagte "Rhein-Main-Bestie" - öffentlichkeitswirksam den "Maßregelvollzug deutlich verschärfen" will. Es war Charly Herrmann, der Lepky vor zehn Jahren dingfest gemacht hatte (wenn auch eher durch banalen Zufall) und dem der Sexmörder Rache schwor. Und schon haben wir auch in Coburg, in einem Kindergarten, einen furchtbaren Mord im Stile Lepkys.
Das dann alles anders kommt, ob das alles realistisch ist, ob das nachvollziehbar ist... Fakt ist, die Realität schlägt die Fiktion wöchentlich, was Skurrilität, Abartigkeit, Grausamkeit anbelangt. Lesen Sie nur die Zeitung.
Volker Backert: Rhein-Main-Bestie. Franken Krimi. Emons Verlag Köln. 205 Seiten, 10,90 € Buchpremiere Volker Backert stellt seinen neuesten Kriminalroman "Rhein-Main-Bestie" am 20. September um 20 Uhr in der Coburger Buchhandlung Riemann vor, begleitet von "Gitarren-Mafioso" Franco Corleone. Karten im Vorverkauf für 10 Euro, Abendkasse 14 Euro.
Volker Backert wurde 1962 in Coburg geboren, wuchs am Obermain auf und absolvierte sein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt in München und Bayreuth. Bei der Stadt Coburg sammelte er zunächst während der Wendezeit "unschätzbare Erfahrungen im Sozialamt, der damaligen Champions League jeder Verwaltung...", wie er in seiner Vita schrieb. Seit 1995 arbeitete er als Abteilungsleiter für Öffentliche Sicherheit eng mit der Polizei zusammen. Seit 2013 ist er stellvertretender Leiter des Standesamtes.
Schon in früher Jugend entwickelte er ein Faible für Kriminalromane. Die Regionalkrimis waren ihm in den letzten Jahren aber "viel zu weiblich ", wie er im Gespräch mit dem Tageblatt sagte. Da sah er sich gezwungen, selbst einen "echten, harten Thriller" zu schreiben. Der Kölner Emons-Verlag veröffentlichte 2010 "Das Haus vom Nikolaus". Der Roman kam auf die Auswahlliste zum Friedrich-Glauser-Preis für das beste deutschsprachige Krimi-Debüt. Die Bayerische Staatsbibliothek setzte ihn auf ihre Liste "Best of Regionalkrimis 2012". Im selben Jahr erschien der zweite Charly Herrmann-Roman, "Todesfessel". "Hardrock" 2015 blickte in Chrystal Meth-Abgründe. Volker Backert lebt in Lichtenfels.
ct