Der Beyoncé-Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui macht an der Bayerischen Staatsoper aus Glucks "Alceste" ein Tanztheater mit Gesang, das bis auf die fehlbesetzte Titelfigur überzeugt.
Wo kann man an einem Opernabend noch Anmut, Grazie, Edelmut, Empfindsamkeit, Erhabenheit und Ethos erleben? Dazu fesselndes Tanztheater, das auch mythisch Entrücktes, Rituelles und Spirituelles auf den Punkt und in die Gegenwart bringt, in einer Ästhetik, die die Magie des Abstrakten und der Einfachheit feiert? Im Nationaltheater, in Christoph Willibald Glucks "Alceste".
Nicht von ungefähr kommt einem bei dieser Oper ohnehin Goethes "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!" in den Sinn: Admète, der sterbenskranke König von Thessalien, kann nur gerettet werden, wenn jemand sein Leben für ihn gibt. Alceste, seine Frau, opfert sich, er aber besteht darauf, ihr in den Tod zu folgen. Halbgott Herkules fungiert im Hades als Deus ex machina und holt das Paar glücklich zurück.
Knochenloses Geschlängel
Dass die Neuinszenierung durch Sidi Larbi Cherkaoui wie aus der Zeit gefallen wirkt, muss man nicht als Nachteil sehen. Glucks Reformoper ist so handlungsarm, dass sie sich den heute üblichen Regietheaterdekonstruktionen entziehen darf.
Bei dem belgischen Regisseur mit marokkanischen Wurzeln, der auch das im Louvre gedrehte Video "Apeshit" von den beiden Popstars Beyoncé und Jay Z choreographierte, verrenken sich vor allem die 13 Tänzer seiner Compagnie Eastman - und das auf faszinierende Weise.
Mehr als sonst sind dabei die Hände und Arme im Einsatz, die sich mal scheint's knochenlos schlängeln, dann wieder hart, kantig und blitzschnell den gegebenen Rhythmus in die Luft stechen. Im Fokus steht, die Musik und die durch sie ausgedrückten großen Emotionen, Ängste, Hoffnungen und Konflikte in Bewegung und Körperlichkeit umzusetzen.
Auf der wohltuend abstrakt-einfachen, effektvoll beleuchteten Bühne von Henrik Ahr, die für einige Akteure und die Tänzer auf Stelzen einzig in den zu hohen Treppenstufen eine kleine Hürde enthält, entstehen große archaische Tableaux ebenso wie heftig bewegte kleinteilig-hektische Miniaturen und große Wellenbewegungen und Verschlingungen aller Art.