Energiewende ist in Fuchsstadt Chefsache

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Aktuell geht es noch rückwärts, aber schon bald aufwärts: Insgesamt vier Bagger entfernen derzeit die Fundamente der gesprengten Windradtürme oberhalb von Fuchsstadt. Nach dem Einsturz eines baugleichen Windrades will die Betreibergesellschaft bis...
Aktuell geht es noch rückwärts, aber schon bald aufwärts: Insgesamt vier Bagger entfernen derzeit die Fundamente der gesprengten Windradtürme oberhalb von Fuchsstadt ...
Aktuell geht es noch rückwärts, aber schon bald aufwärts: Insgesamt vier Bagger entfernen derzeit die Fundamente der gesprengten Windradtürme oberhalb von Fuchsstadt. Nach dem Einsturz eines baugleichen Windrades will die Betreibergesellschaft bis...
Ralf Ruppert

Von Nahwärmenetz über Windpark und Waldumbau bis zur Versorgungssicherheit: Der Fuchsstädter Bürgermeister René Gerner sieht die Gemeinden immer mehr in der Verantwortung. Was Kommunen bewirken können. Mit Kommentar.

René Gerner ist sich sicher: "Die Kommunen sind die Macher der Energiewende", sagt der Fuchsstädter Bürgermeister, der seit 2020 im Amt ist. "Wenn wir's nicht machen, macht's keiner", rief er bei der diesjährigen Bürgerversammlung den rund 200 Besucherinnen und Besuchern zu. Die Sorge um die Folgen des Klimawandels und die Sicherheit der Energieversorgung zog sich denn auch wie ein roter Faden durch seinen Vortrag. Unter anderem will der Bürgermeister dafür sorgen, dass die Wasserversorgung im Winter bei Stromausfall auch mit Notstromaggregaten versorgt werden kann. Wenn es zu Engpässen kommt, sollen sich Bürger im Winter in der mit Holzpellets beheizten Schule duschen können.

Vor allem aber gehe es um langfristige Veränderungen wie das geplante Nahwärmenetz, das möglichst viele Häuser in Fuchsstadt klimafreundlich mit Wärme versorgen soll. "Macht alle mit", lautete Gerners Aufruf, und: "Keiner verdient was dran, das Geld bleibt hier in der Region." Der Wärmebedarf mache einen riesigen Anteil des Kohlendioxid-Ausstosses aus, umso wichtiger sei eine zentrale Heizanlage, die zunächst mit Hackschnitzeln und langfristig vielleicht mit Wasserstoff betrieben werden soll.

Windpark "schon fast fertig"

In Kontakt steht Gerner auch mit Qair Deutschland, der Betreibergesellschaft des Windparks oberhalb von Fuchsstadt: "Wir waren schon fast fertig", kommentierte Gerner die Sprengung der drei Windradtürme vor wenigen Wochen. Nach mehreren Insolvenzen, dem Einsturz eines baugleichen Windrades und jahrelangen Verzögerungen soll es nun schnell gehen: Der Betreiber habe eine Verpflichtung gegenüber der Bundesnetzagentur, bis Jahresende Windstrom einzuspeisen. Ab der zweiten Augustwoche soll der Neubau des ersten Windrades beginnen, die Inbetriebnahme sei für kurz vor Weihnachten geplant.

Im Lauerbachtal östlich des Windparks soll zudem ein großer Solarpark entstehen, eine erste Beteiligungsrunde für die Bauleitplanung sei bereits gelaufen. Weil in dem Tal rund 5000 Jahre alte Keramikscherben gefunden wurden, sei demnächst eine geomagnetische Untersuchung geplant. Wichtig bei allen Projekten zur Energieerzeugung ist dem Fuchsstädter Bürgermeister, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt. Gerner begrüßte deshalb auch die Bemühungen des Landkreises Bad Kissingen, ein Regionalwerk zu gründen, über das Energie vertrieben werden kann.

Neue Wege will die Gemeinde auch bei der Ausweisung von neuem Bauland gehen: Für die Erweiterung des Baugebietes "Hinter dem Turm" kündigte Gerner an, dass es keine 900 bis 1000 Quadratmeter großen Grundstücke mehr geben werde, sondern kleinere Einheiten. Zudem denke die Kommune über offene Straßengräben zur Entwässerung, wenig Versiegelung von Flächen und eine Pflicht zu Zisternen und Photovoltaikanlagen nach. Vor allem solle Wohnraum für Alleinstehende geschaffen werden, damit die Bürger zwar im Ort bleiben könnten, aber zum Beispiel nach dem Auszug der Kinder ihre zu groß gewordenen Häuser verkaufen.

Als Vorzeigeprojekt bezeichnete Gerner das Insektengärtle mitten im Ort: Mit Mitteln des Regionalbudgets hatten freiwillige Helfer die Grünfläche neu angelegt. Das Projekt sei unter anderem auf der Grünen Woche in Berlin präsentiert worden. Der Bürgermeister hofft zudem auf einen Preis für die Aktion, die dem örtlichen Obst- und Gartenbauverein bis zu 5000 Euro Preisgeld bringen könnte. Weitere Projekte sind bereits in Arbeit: Unterhalb des Ortes entsteht derzeit der Erlebnisgarten, der mit Bundesmitteln gefördert wird. Ein Teilprojekt sei ein kreisrunder Entspannungsbereich.

Bildstock musste Trafostation weichen

Als konkrete Auswirkung der Energiewende kündigte Gerner zudem das Aufstellen weiterer Trafostationen an. "Die bisherigen Stromkästen reichen einfach nicht mehr aus", berichtete der Bürgermeister von Gesprächen mit Bayernwerk. In einem Fall habe die Gemeinde deshalb sogar einen Bildstock versetzt: Um Platz für eine Trafostation zu bekommen, zog das Denkmal vom Schafhof zur Raiffeisenbank um.

Als Vorsorge für den Klimawandel sieht Gerner auch den Kauf von zwei Trinkwasserquellen in der Gemarkung Pfaffenhausen. Die Quellen, die früher von der Bundeswehr genutzt wurden, hätten jeweils eine Schüttung von elf Litern in der Sekunde, das entspreche täglich zwei Millionen Litern Wasser mit einem niedrigeren Nitratwert als die bestehende Trinkwasserversorgung mitten im Saaletal. "Die Wogen haben sich geglättet", kommentierte er die Verstimmung der Stadt Hammelburg über den Kauf der Quellen. Derzeit werde geklärt, wie die Quellen rund 800 Meter außerhalb der Fuchsstädter Gemarkung genutzt werden können. Gerner geht davon aus, dass sie langfristig die bisherigen Quellen ersetzen. Fuchsstadt benötige derzeit im Schnitt rund 250.000 Liter Trinkwasser am Tag.

Direkte Auswirkungen hat der Klimawandel auch auf den 928 Hektar großen Gemeindewald: Von 4560 Festmeter Holzeinschlag im vergangenen Jahr seien 2139 Festmeter Schadholz gewesen, also Bäume, die wegen Trockenheit, Windbruch oder Borkenkäferbefall gefällt werden mussten. "Da wird noch viel auf uns zukommen", kündigte Gerner an. Unter anderem wurden 7600 neue Bäume gepflanzt, vorwiegend klimaresistente Sorten wie Elsbeere, Baumhasel, Weißtanne oder Ahorn. Eine Nachfrage wie beim Klopapier erwartet Gerner auch beim Brennholz, deshalb werden im Rathaus bis 15. Oktober alle Wünsche gesammelt. Danach würden bis zu 13 Ster pro Haushalt vergeben - natürlich bevorzugt an Fuchsstädter Bürger.

Vorfreude auf Landesentscheid

Der Termin steht bereits fest: Am Freitag, 16. September, kommt die Jury für den Landesentscheid im Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" in den Ort. Ab 9 Uhr hofft Bürgermeister René Gerner auf die Unterstützung aller Bürger. Weil an dem Tag eigentlich die Müllabfuhr kommen soll, hat Gerner bereits Kontakt mit dem Landratsamt aufgenommen, um den Abfuhrtag verlegen zu lassen: Nichts soll den Eindruck der Jury stören. Für den Landesentscheid hatte sich Fuchsstadt gemeinsam mit Wipfeld durch den Sieg auf Bezirksebene qualifiziert.

In der Diskussionsrunde forderte Bürger Jürgen Winkler mehr finanzielle Unterstützung für den örtlichen Sportverein. "Ich gehe davon aus, dass wir das älteste Sportheim im ganzen Landkreis haben", sagte Winkler. Die Mitglieder würden Arbeiten immer wieder in Eigenleistung erledigen, der Verein habe trotz Pandemie hohe Ausgaben für den Unterhalt gestemmt. Um Unterstützung baten auch andere Vereine, denn: Der Platz im Kindergarten wird langsam eng, alleine in diesem Jahr sei die Zahl der betreuten Kinder von 89 auf 99 gestiegen. "Jeder Verein kriegt einen Raum", sicherte Gerner zu. Im Zusammenhang mit der Sanierung des Musikerheimes stellte der Bürgermeister jedoch klar, dass es sich bei dem Wasserschaden um einen Versicherungsfall handelte. Die Gemeinde habe lediglich den früheren Brotzeitraum des Bauhofes neu als Raum für die Bläserjugend zur Verfügung gestellt.

Neuer Bauhof bereits im Bau

Kurzfristig gehe es deshalb im Bauhof etwas enger zu, allerdings entstehe ja gerade ein Neubau. Dabei zahle sich einmal mehr aus, dass der Bauhof viele Bauarbeiten in Eigenleistung erledigt: vom Austausch eines Wasserschiebers bis zu Pflanzarbeiten. Gerner rief Vereine dazu auf, für geplante Maßnahmen Zuschüsse zu beantragen. Auf Nachfrage kündigte er zudem an, dass der Gemeinderat für die Sanierung von Flur- und Waldwegen eine Prioritätenliste erarbeite.

Dazu ein Kommentar von Redakteur Ralf Ruppert:

Starker Zusammenhalt

Die Bürgerversammlung auf dem Fuchsstädter Dorfplatz glich einem kleinen Volksfest: Rund 200 Einwohnerinnen und Einwohner kamen an dem lauen Sommerabend zusammen und interessierten sich tatsächlich für Steuereinnahmen, Bauarbeiten und sonstige Belange der Kommune. Zwar gab es die ein oder andere kritische Nachfrage, aber unterm Strich wurde klar: Da hält ein Dorf zusammen. Der Gemeinsinn der Fuschter trotzt mehreren oft zu hörenden Unkenrufen: Zum einen konnte selbst die Corona-Pandemie den Zusammenhalt nicht schwächen. Im Gegenteil: In der Gemeinde gab es unter anderem gut besuchte Impfaktionen. Zum anderen muss schnelles Wachstum nicht zur Entfremdung führen: Kein Ort im Landkreis ist schneller gewachsen als Fuchsstadt, trotzdem sind die meisten Neubürger nicht nur gut integriert, sondern setzen sich in vielen Bereichen an vorderster Stelle für ihre neue Heimat ein. Das verdient Respekt!