Beim nächsten Infomarkt des Übertragungsnetzbetreibers Tennet am Dienstag zur Fulda-Main-Leitung wird es zum ersten Mal keine Demonstration geben. Wie die Energiekrise den Widerstand beeinflusst.
Bad Kissingen, Oberthulba, Elfershausen: Überall, wo der Übertragungsnetzbetreiber Tennet in den vergangenen Jahren vor Ort war, kamen Bürger mit Transparenten und Trillerpfeifen, Rasseln und Lautsprechern. Erst Südlink, dann die Fulda-Main-Leitung (P 43): Der Protest gegen den Ausbau des Stromnetzes einte viele Politiker und Bürger. Bei der Gleichstrom-Höchstspannungstrasse Südlink haben die meisten den Widerstand aufgegeben, seit klar ist, dass sie komplett unter der Erde verlegt wird. Bei der Wechselstromtrasse von Fulda nach Bergrheinfeld ist das nach Aussage von Experten nicht möglich. Dort gibt es bislang wenige Zugeständnisse von Tennet. Trotzdem ist für den nächsten Infomarkt am Dienstag, 18. Oktober, kein Protest angekündigt.
"Eine Kundgebung ist aktuell nicht geplant, da noch kein konkreter Trassenverlauf feststeht, sondern nur mehrere Untersuchungsrahmen", sagt Markus Stockmann, Vorsitzender der Bürgerinitiative "Gegenstrom Elfershausen". In deren Kerngebiet findet der Info-Markt statt: Die Tennet-Mitarbeiter informieren von 17 bis 20 Uhr im Hotel Ullrich in Elfershausen über den aktuellen Sachstand. Die Bürgerinitiativen sind laut Stockmann im regelmäßigen Austausch untereinander, mit dem Verein Rhönlink und dem Landratsamt. "Wir als Initiative werden die Planungen wie beim Südlink so auch bei der Fulda-Main-Leitung kritisch begleiten", gibt sich Stockmann kämpferisch. Vertreter werden am Infomarkt teilnehmen. "Wichtig bleibt ein Netzausbau, der die gesundheitlichen Bedenken sowie die lokalen Umweltauswirkungen vor allem auch in Bezug auf Menschen und Rhön berücksichtigt", fasst Stockmann die Ziele zusammen. Trotz der Energiekrise müsse klar sein, das die neuen Leitungen kurz- und mittelfristig nicht die Probleme der Energieversorgung in Deutschland lösen, "da die Fertigstellung aktuell für 2030 vorgesehen ist", betont Stockmann.
"Leitung der Großen Koalition"
Als "Leitung der Großen Koalition" bezeichnet die Parlamentarische Staatssekretärin Manuela Rottman (Grüne) die P 43. Durch einen früheren Ausbau der Netze und der erneuerbaren Energien in Süddeutschland hätten neue Leitungen vor Jahren verhindert werden können, jetzt seien sie notwendig. "Diese verlorenen Jahre können wir nicht mehr aufholen", bekannte sich Rottmann bereits vor der Bundestagswahl als eine von wenigen Politikern zur P 43. Wegen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine und die energiepolitischen Folgen gelte dies heute nur umso mehr. Und: Auch wenn das viele bestreiten, sei auch der Landkreis Bad Kissingen auf Strom aus den neuen Leitungen angewiesen.
Auch Lokalpolitiker schwenken um: "Die Trassen sind notwendig", sagte etwa der Hammelburger CBB-Stadtrat Reinhard Schaupp in der jüngsten Stadtratssitzung und forderte den Bürgermeister auf, die "Monstertrassen-Plakate" an den Ortseingängen endlich zu beseitigen. Seiner Meinung nach handle es sich um wildes Plakatieren, deshalb beantragte er eine Prüfung, ob die Plakate überhaupt zulässig seien. "Wenn wir die Energiekrise bewältigen wollen, brauchen wir neue Leitungen, da sind sich alle Experten einig", sagt auch der Maßbacher Bürgermeister Matthias Klement, der bis 2020 Vorsitzender des Vereins Rhönlink war, in dem sich Bürgerinitiativen und Kommunen organisiert haben. "Das ist natürlich durch die aktuelle Energiekrise neu zu bewerten", sagt Klement. Der Fokus habe sich vom Widerstand gegen den Netzausbau auf verträgliche Rahmenbedingungen verschoben.
Fünf Infomärkte
Die Bundesnetzagentur hat im Jahr 2021 das Genehmigungsverfahren für die so genannte Fulda-Main-Leitung eröffnet. Die 380-Kilovolt-Wechselstromleitung P 43 soll ab dem Jahr 2031 die Umspannwerke Mecklar und Dipperz in Hessen (Abschnitt A) mit dem Umspannwerk Bergrheinfeld/West in Unterfranken (Abschnitt B) verbinden. Sie soll laut dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet "maßgeblich zur sicheren Stromversorgung der Wirtschaftsregionen Osthessen und Unterfranken beitragen". Für den Abschnitt B hat die Bundesnetzagentur nun festgelegt, welche vertiefenden Untersuchungen Tennet im Rahmen der Bundesfachplanung durchführen muss. Am Ende solle der raum- und umweltverträglichste, 1000 Meter breite Trassenkorridor ausgewählt werden.
Im Rahmen des Verfahrens hat Tennet nun fünf Infomärkte angesetzt. Der für den Landkreis Bad Kissingen findet am Dienstag, 18. Oktober, in Elfershausen statt (siehe Titelseite). Zum Auftakt gibt es am Freitag, 14. Oktober, in Bergrheinfeld den "Main-Dialog". Dabei informieren die beiden Übertragungsnetzbetreiber Tennet und TransnetBW über mehrere Infrastruktur-Projekte, nämlich die Fulda-Main-Leitung, Südlink, die Netzverstärkungsmaßnahmen Bergrheinfeld-Kupferzell sowie die Umspannwerke Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld.
Von Arnstein bis Petersberg
Weitere Infomärkte sind vorgesehen am Montag, 17. Oktober, für den Landkreis Main-Spessart in der Stadthalle Arnstein, am Mittwoch, 19. Oktober, für den Main-Kinzig-Kreis in der Mehrzweckhalle Sterbfritz und am Donnerstag, 20. Oktober, für den Landkreis Fulda im Probsteihaus in Fulda-Petersberg. Jeweils von 17 bis 20 Uhr können sich Interessierte über die Vorhaben informieren. An Ständen gibt es laut Ankündigung Infos rund um die Energiewende.