"Merken hier manche überhaupt noch was?": Fastnachtszug-Absage in Aschaffenburg sorgt für Kontroverse

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Der Aschaffenburger Fastnachtszug 2025 fällt aus. Grund ist die tödliche Messerattacke in der unterfränkischen Stadt. Im Netz ruft die Entscheidung unterschiedliche Reaktionen hervor.

Der tödliche Messerangriff in Aschaffenburg sorgte bundesweit für Entsetzen. Bei der Gewalttat am 22. Januar 2025 wurden ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann erstochen, drei weitere Menschen erlitten schwere Verletzungen. Der 28-jährige afghanische Angreifer, der in einer Asylunterkunft lebte und in psychiatrischer Behandlung war, wurde kurz nach der Tat festgenommen. Die Tat löste eine politische Debatte über die Migrationspolitik in Deutschland aus, wobei Politiker strengere Asylregeln fordern. 

Auch knapp zwei Wochen nach dem entsetzlichen Ereignis herrscht bei vielen Aschaffenburger Bürgern alles andere als Normalzustand. Aus Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer der tödlichen Messerattacke ist nun der diesjährige Fastnachtszug vor Ort abgesagt worden. Mit dieser Entscheidung wird auch auf die zahlreichen Sicherheits- und Einsatzkräfte Rücksicht genommen, die nach der Gewalttat im Einsatz waren und teils traumatisiert sind. Die Kräfte sind für den Umzug unerlässlich.

"Nicht vorstellbar": Aschaffenburgs Oberbürgermeister erläutert Fastnachtszug-Absage

Die Interessengemeinschaft Ascheberscher Fastnacht hat sich in Absprache mit Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) darauf geeinigt, teilten die Stadtverwaltung am Untermain und die Interessengemeinschaft mit. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht", wird der OB zitiert. "Angesichts der großen Trauer ist für uns ein Fastnachtszug um den Park Schöntal herum aber nicht vorstellbar."

Auch Marie Christine Kunkel, Sprecherin der Aschaffenburger Fastnachtsvereine in der IG Fastnacht, betonte in der auf der Webseite der Stadt veröffentlichten Verlautbarung, dass den Verantwortlichen der Schritt nicht leicht gefallen sei. "Denn hier gibt es kein richtig oder falsch. Jeder muss ein solch einschneidendes Erlebnis auf seiner Art verarbeiten", so Kunkel. "Dazu braucht es in Aschaffenburg aktuell Raum und Zeit. Dies und die Aufgabe als Vorstände, unsere Mitglieder und unser Brauchtum gleichermaßen zu schützen, haben zu diesem Entschluss geführt."

Die Interessengemeinschaft Ascheberscher Fastnacht setzt sich aus sechs einzelnen Aschaffenburger Fastnachtsvereinen und der Stadt Aschaffenburg zusammen, wie aus dem Beitrag auf der städtischen Internetseite hervorgeht. Die Interessengemeinschaft ist demnach für die Veranstaltung der Seniorensitzung sowie des Rathaussturms und des Fastnachtszugs federführend.

"Merken hier manche überhaupt noch was?": Ausfall von Fastnachtszug sorgt für Kontroverse im Netz

Im Netz gehen die Meinungen bezüglich der Absage des Umzugs auseinander. "Schade, damit wird das falsche Zeichen gesetzt", hält etwa ein Facebook-Nutzer fest. "Werden die Opfer jetzt wieder lebendig, nur weil der Zug ausfällt? Und was ist falsch daran, in schweren Zeiten ans eigene Vergnügen zu denken?", fragt ein anderer rhetorisch.

"Merken hier manche überhaupt noch was?", entgegengeht eine Frau indes merklich aufgewühlt. "Hier sind zwei Menschen gestorben und weitere verletzt worden. Der Umzug findet direkt neben dem Tatort statt und einige denken hier nur an ihren eigenen Spaß", betont sie. "Schon krass, wie schnell etwas vergessen wird." Ähnlich sieht es eine weitere Nutzerin. "Die Trauer und der Schock sitzen noch zu frisch und zu tief", konstatiert sie.

Ein User schlägt derweil vor, dass der Fastnachtszug in diesem Jahr eine andere Route nehmen könnte, um nicht in der unmittelbaren Nähe des Tatorts vorbeizuziehen. "Vielleicht ist auch die Angst vor weiteren Vorfällen dabei", gibt derweil eine Frau zu bedenken. "Das sollte jeder für sich entscheiden", schreibt eine andere. "Ich würde auch nicht hingehen, aber als Kind war ich gerne dort und gerade Kinder sollten Spaß haben dürfen." Ein generelles Verbot finde sie fragwürdig. "Es ist eine Entscheidung für jeden einzelnen."

Prunksitzungen, Kindermaskenbälle und Seniorennachmittage in Aschaffenburg finden statt

Im Gegensatz zum Fastnachtszug sollen andere Faschingsveranstaltungen in der unterfränkischen Stadt wie geplant stattfinden. Fastnacht sei ein tief verwurzeltes Kulturgut und symbolisiere Lebensfreude, Kreativität und traditionelle Werte wie Freundschaft, Respekt und Zusammenhalt, heißt es in der gemeinsamen Meldung der Stadt und der Interessengemeinschaft Ascheberscher Fastnacht.

"Mit viel Hingabe und Leidenschaft bereiteten sich die Mitwirkenden, ob Tanzgruppen, Gesangsgruppen oder Büttenredner, oft monatelang im Voraus gemeinsam auf die Fastnacht vor", erklären die Verantwortlichen. "Daher finden Prunksitzungen, Kindermaskenbälle und Seniorennachmittage wie geplant statt."

Der erstochene zweijährige Junge ist inzwischen in Marokko, der Heimat seiner Familie, beerdigt worden. Auch für den Bruder des Opfers seien die Ereignisse schwer zu begreifen, berichtet ein Onkel. "Er möchte auch in den Himmel zu seinem Bruder", erzählt der Angehörige. Weitere Nachrichten aus Aschaffenburg und Umgebung gibt es in unserem Lokalressort.

Vorschaubild: © Lars Haubner / News5 (Archivbild)