Wie ernst ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt?
Aktuell können Deutschlands Unternehmen rund 1,73 Millionen offene Stellen nicht besetzen, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in seiner Quartalsabfrage. Allein bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind im Oktober 748 665 unbesetzte Stellen gemeldet. Laut der BA liegt derzeit die durchschnittliche abgeschlossene Vakanzzeit, um eine Stelle zu besetzen, bei 153 Tagen. Das spiegele laut BA die Schwierigkeiten vieler Betriebe wider, trotz steigender Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung zeitnah passende Arbeits- und Fachkräfte zu finden.
Was sagen Verbände dazu?
In der Pflege und im Handwerk wird händeringend Personal gesucht. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sieht im Gesetz aber keine Lösung für das Fachkräfteproblem. «Einerseits, weil der Fachkräftemangel in den Pflegeberufen weltweit ein Problem ist, andererseits, weil die Rahmenbedingungen für Pflegefachpersonen in Deutschland nicht attraktiv sind», sagte DBfK-Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper.
«Das beste Gesetz nützt nichts, wenn zu viel Bürokratie zu bewältigen ist, und wenn es an der Umsetzung hapert», sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich. Vor allem den kleinen und mittelständischen Betrieben fehle es an konkreten Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei der Suche und Rekrutierung handwerklich qualifizierter Fachkräfte im Ausland sowie bei der Integration vor Ort.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) mahnte, für Zugewanderte müssten ausreichend bezahlbarer Wohnraum sowie Schul- und Kitaplätze für den Familiennachzug zur Verfügung gestellt werden. «Hier darf es nicht zu neuen Verteilungskämpfen kommen», sagte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Nicht aus dem Blick verlieren dürfe man die Menschen, die bereits hier sind. Sie müssten besser in Arbeit integriert werden. Dazu zählten Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderungen, Ältere, bereits Zugewanderte und auch Frauen.
Geht das Gesetz weit genug?
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz weise in die richtige Richtung, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). «Wo es große Fachkräftelücken gibt, bestehen meist aber auch strukturelle Probleme wie schlechte Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen.» Nun gelte es, vorhandene Potenziale besser auszuschöpfen.
«Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist ein wichtiges Willkommens-Signal», teilte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mit. Es könne aber nur ein erster Schritt sein. Die Migrationsverwaltung sei schon jetzt völlig überlastet. «Arbeitskräfte, die bereits einen Arbeitsvertrag haben und morgen anfangen könnten, warten monatelang darauf loszulegen.»
Wie groß ist das Interesse?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bietet Beratungen für Menschen im Ausland an, die sich für eine Arbeit in Deutschland interessieren. Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben des BAMF 71 409 Beratungen zur Fachkräfteeinwanderung - eine Steigerung von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Deutschland sei - trotz der schwierigen Sprache - bei Fachkräften im Ausland sehr beliebt, sagte Sekou Keita vom IAB. In Umfragen lande Deutschland häufig auf dem dritten Platz, knapp hinter Kanada und den USA. «Deutschland zehrt sehr vom Image der starken Wirtschaft mit guten beruflichen Möglichkeiten», sagte Keita.