Studie zeigt: So hat Corona unsere Lebenserwartung verändert - und so alt werden wir jetzt

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Weltweit steigt die Lebenserwartung seit vielen Jahren rapide. Doch die Corona-Pandemie hat den Trend zwischenzeitlich umgekehrt - auch in Deutschland. Todesursache Nummer 1 war aber etwas anderes.

Die weltweite Lebenserwartung steigt seit Jahrzehnten rapide an. Allerdings habe die Corona-Pandemie zwischen 2019 und 2021 zu einer Verringerung der globalen Lebenserwartung geführt, schreiben Forschende um Simon Hay vom Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der University of Washington im Fachblatt "The Lancet".

Auch in Deutschland ist der Trend zu erkennen. Was sagen die aktuellen Zahlen? 

Entwicklung der Lebenserwartung weltweit

Zunächst ein Blick auf die weltweite Entwicklung. Die weltweite Lebenserwartung ist laut der Studie von 1990 bis 2021 um 6,2 Jahre gestiegen. Danach fiel die Lebenserwartung aber ab - was vor allem an Corona lag. In ihrer Studie zur globalen Belastung durch Krankheiten, Verletzungen und Risikofaktoren listen die Forscher Covid-19 im Jahr 2021 als zweithäufigste Todesursache

2019 waren die häufigsten Todesursachen demnach noch die gleichen wie 1990. "In absteigender Reihenfolge waren dies: koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Infektionen der unteren Atemwege", heißt es in der Studie. Bei der koronaren Herzkrankheit sind die Herzkranzgefäße, die den Muskel mit Sauerstoff versorgen, verengt - das kann zu einem Herzinfarkt führen. 

Die Corona-Pandemie hat die Reihenfolge jedoch verschoben. 2020 landete Covid der Studie zufolge auf Rang drei der häufigsten Todesursachen, 2021 sogar vor dem Schlaganfall auf Rang zwei. 

Was die globale Lebenserwartung erhöht hat - und was nicht

Aufgrund von Todesfällen durch Covid sank die weltweite Lebenserwartung zwischen 2019 und 2021 den Angaben nach um 1,6 Jahre. Dabei gab es allerdings deutliche regionale Unterschiede: In Südostasien, Ostasien und Ozeanien habe sich die Lebenserwartung aufgrund von Covid um 0,4 Jahre und damit am wenigsten verringert, in Lateinamerika und der Karibik mit 3,6 Jahren am stärksten. 

Zum insgesamt festgestellten Anstieg der weltweiten Lebenserwartung von 1990 bis 2021 trug laut der Studie dagegen ein Rückgang der Todesfälle durch Darminfektionen wie zum Beispiel Durchfall bei. Dies sei in dem Zeitraum für einen Anstieg um 1,1 Jahre verantwortlich. "Die zweitgrößte Auswirkung auf den Anstieg der Lebenserwartung ist auf den Rückgang der Todesfälle durch Infektionen der unteren Atemwege zurückzuführen, der 0,9 Jahre der gewonnenen Lebenserwartung von 1990 bis 2021 ausmacht", heißt es in der Studie. Auch eine verringerte Sterblichkeit durch Schlaganfälle und koronare Herzkrankheiten nennen die Forschenden als zentrale Faktoren. 

"Unsere Studie zeichnet ein nuanciertes Bild der weltweiten Gesundheit", wird IHME-Mitautorin Liane Ong in einer Mitteilung des Instituts zitiert. "Auf der einen Seite sehen wir die monumentalen Erfolge der Länder bei der Verhinderung von Todesfällen durch Durchfall und Schlaganfall", erläutert sie. "Gleichzeitig sehen wir, wie sehr uns die Covid-19-Pandemie zurückgeworfen hat." Die absolute globale Lebenserwartung wird in der aktuellen Studie nicht genannt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass sie im Zeitraum von 2000 bis 2019 um gut 6 Jahre stieg - von 66,8 auf 73,4 Jahre.

Blick nach Deutschland: So hat sich die Lebenserwartung durch Corona verändert

Für Deutschland hingegen gibt es genauere Zahlen. Nach den Ergebnissen der aktuellen Sterbetafel 2020/2022 des Statistischen Bundesamtes (destatis) liegen diese Werte bei 78,3 Jahren (Männer) beziehungsweise 83,2 Jahren (Frauen). Die Lebenserwartung bei Geburt ist in Deutschland damit heute mehr als doppelt so hoch, wie sie vor etwa 150 Jahren in den damaligen Grenzen war.

Der rasche Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ist zu einem großen Teil auf die starke Verringerung der Säuglingssterblichkeit zurückzuführen. Als weitere maßgebliche Gründe für den Anstieg der Lebenserwartung gelten der Fortschritt in der medizinischen Versorgung, Hygiene, Ernährung und Wohnsituation sowie verbesserte Arbeitsbedingungen und gestiegener materieller Wohlstand.

In den letzten Jahren hatte sich das Wachstum der Lebenserwartung aber abgebremst. Covid-19 hat zwischenzeitlich sogar zu einer Trendumkehr geführt: Vor der Pandemie (2017-2019) lag die Lebenserwartung bei Männern noch 78,6 Jahren und damit 0,3 Jahre höher. Bei Frauen lag die Lebenserwartung vor Corona 0,2 Jahre höher bei 83,4 Jahren. Damit fällt der Rückgang der Lebenserwartung durch Corona in Deutschland im internationalen Vergleich sehr niedrig aus. 

Hintergrund: Methode und Daten 

Die aktuelle Studie des Institute for Health Metrics and Evaluation beruht auf Schätzungen der Sterblichkeit für 288 Todesursachen in mehr als 200 Ländern und Gebieten. Grundlage dafür waren mehr als 56.000 Datenquellen, etwa Autopsien, Volkszählungen und Krebsregister.

Die Schätzungen zu Covid wurden demnach aus Analysen zur Übersterblichkeit aufgrund der Corona-Pandemie vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2021 abgeleitet. Insgesamt stütze sich die Studie auf das Fachwissen von mehr als 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus über 160 Ländern und Gebieten.

Die Zahlen für Deutschland beruhen auf Erhebungen des Statistischen Bundesamtes. Wichtigste Datenbasis der deutschen Todesursachenstatistik ist der sogenannte vertrauliche Teil der Todesbescheinigung. Die statistischen Landesämter verschlüsseln die medizinischen Angaben der Todesbescheinigung nach den Vorgaben der ICD-10 und ermitteln für jeden Sterbefall das "unikausale Grundleiden". Das macht eine relativ genaue Auswertung der Todesursachen und Lebenserwartung möglich. rowa/mit dpa

Vorschaubild: © Julian Stratenschulte/dpa