Söders Abschiebe-Plan: Zwei Gründe machen Umsetzung sehr schwierig

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Nach dem Attentat von München verlangt der CSU-Chef schnelle Abschiebungen nach Afghanistan. Doch so einfach ist das nicht: Zwei Punkte sprechen gegen eine Ausweitung der Abschiebeflüge nach Afghanistan.

Der Anschlag von München mit zwei Toten und vielen Verletzten hat die Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan erneut angefacht. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, wies die Forderung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach sofortigen Verhandlungen mit den Taliban zurück.

Generell bleibt die Frage: Kann man Menschen so einfach nach Afghanistan abschieben? Zwei Argumente sprechen gegen ein solches Vorgehen. 

Verhandlungen wegen Abschiebungen: Taliban salonfähig international machen?

Söder hatte der Bild am Sonntag gesagt: "Es braucht jede Woche einen Flug." Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits am Samstag die Abschiebung des Attentäters von München angekündigt. Die Grünen-Politikerin Kaddor sagte der Rheinischen Post, der impulsgetriebene Vorschlag Söders verkenne die außenpolitische Dimension. Immer wieder bekundeten die Taliban ihre Bereitschaft, direkt mit der Bundesrepublik in Verbindung treten zu wollen. "Davor kann man nur warnen, da dies dem Aufbau offizieller diplomatischer Beziehungen gleichkommt, die wir aus gutem Grund bisher nicht aufgebaut haben."

Ende August 2024 war erstmals seit der Machtergreifung der Taliban vor drei Jahren wieder ein Abschiebeflug aus Deutschland nach Afghanistan gestartet. Abgeschoben wurden 28 verurteilte Straftäter, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen. Der Flug kam damals unter Vermittlung Katars zustande - eine direkte Zusammenarbeit mit den Taliban fand also nicht statt. 

Sollten Abschiebeflüge aber ausgeweitet werden, lässt sich eine Zusammenarbeit mit dem Taliban-Regime nicht vermeiden. Die Taliban hatten sich zuletzt angesichts des Anschlags offen für eine Zusammenarbeit bei Abschiebungen gezeigt. Dafür wollen die Islamisten jedoch eine konsularische Vertretung in Deutschland. "Wir haben unsere Bereitschaft gezeigt, die konsularischen Dienste für Afghanen in Deutschland wieder aufzunehmen, die alle Aspekte der Migration abdecken", sagte der Sprecher des Taliban-Außenministeriums, Abdul Kahar Balchi, der dpa. 

Verstoßen Abschiebungen nach Afghanistan gegen internationales Recht?

Neben Überlegungen zu den internationalen Auswirkungen einer Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem islamistischen Taliban-Regime sprechen auch rechtliche Bedenken gegen eine Ausweitung von Abschiebungen nach Afghanistan. Menschenrechtsorganisationen und NGOs, die Flüchtlinge unterstützen, hatten bereits im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass internationale Vereinbarungen gegen Abschiebungen nach Afghanistan sprechen.

Demnach würden Abschiebeflüge nach Afghanistan unter Umständen gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und die EU-Grundrechtechart verstoßen. Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags sah im vergangenen Jahr Abschiebungen nach Afghanistan kritisch und fürchtete, dass Gerichte solche kippen könnten:  "Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan [...] aufgrund des absoluten Charakters von Art. 3 EMRK rechtlich hohe Hürden nehmen müssen." Die "desolate Sicherheitslage und der vielerorts prekäre humanitären Lage" dürfte demnach "etwaigen Abschiebungen in diese Staaten regelmäßig entgegenstehen."

Den Anschlag von München hätte man mit mehr Abschiebungen sowieso nicht verhindern können: Bayerns Innenminister Herrmann sagte, dass der Täter vorab nicht auffällig gewesen sei. "In der Tat hat es hier nach derzeitigem Stand nichts gegeben, das Anlass gegeben hätte, auf diesen Mann aufmerksam zu werden", sagte der CSU-Politiker der Welt. "Vielleicht ist es heute wichtig, zu überlegen, wie wir die rechtlichen Möglichkeiten weiter ausbauen, damit extremistische, gewaltverherrlichende, gar zur Gewalt aufrufende Inhalte im Internet gesperrt oder gar gelöscht werden können", sagte er dem Blatt.

Versagen bei Integrationspolitik?

Nach Einschätzung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang stellen selbst radikalisierte Einzeltäter aktuell eine größere Gefahr dar als islamistische Terrorzellen. "Solche Menschen, bei denen der Tatplan oft sehr kurzfristig entsteht und wo Messer oder Fahrzeuge als Waffe benutzt werden, sind leider sehr schwer zu erkennen", sagte Haldenwang der Deutschen Presse-Agentur. 

"Die verbindende Klammer bei zahlreichen dieser Täter ist gescheiterte Integration", fügte er mit Blick auf die jüngsten tödlichen Gewalttaten in Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München hinzu. Haldenwang war ab Herbst 2018 sechs Jahre lang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und tritt bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat an. rowa/mit dpa

Vorschaubild: © Julian Stratenschulte/dpa