So hoch war die Arbeitslosigkeit in Deutschland lange nicht mehr. Der Herbst könnte zwar Entspannung bringen. Doch Fachleute sind sich sicher: Ohne Impulse wird es langfristig keine Erholung geben.
Es ist ein symbolischer Schwellenwert für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: Erstmals seit mehr als zehn Jahren sind mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet. Für einen August liegt die Arbeitslosigkeit damit sogar so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Neben der Sommerpause ist dafür vor allem die seit langem schwächelnde Konjunktur verantwortlich. Die Forderungen nach Reformen werden lauter. Diese seien dringend nötig, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).
Im August stieg die Zahl der Arbeitslosen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf 3,025 Millionen - 46.000 mehr als im Vormonat und 153.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Vergleich zum Juli um 0,1 Prozentpunkte auf 6,4 Prozent.
Zarte Anzeichen für eine Stabilisierung?
«Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor von der wirtschaftlichen Flaute der vergangenen Jahre geprägt», erläuterte BA-Chefin Andrea Nahles. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland wachse seit Ende 2022 stetig. «Es gibt allerdings auch erste - wenn auch zarte - Anzeichen einer Stabilisierung.» So sei die Kurzarbeit seit Jahresbeginn rückläufig, und im August hätten wieder mehr Unternehmen freie Stellen gemeldet.
Bundesregierung will sich auf Reformen konzentrieren
Die steigende Zahl der Arbeitslosen in Deutschland verdeutlicht aus Sicht von Bundeskanzler Merz, wie notwendig Reformen für mehr Wachstum und Erwerbsfähigkeit sind. «Darauf wird sich die Bundesregierung konzentrieren», sagte Merz am Rande der deutsch-französischen Ministergespräche in Toulon. Er nannte Reformen des Arbeitsmarktes, in der Wirtschaftspolitik und bei Genehmigungsverfahren. Es gebe eine große Bereitschaft, in Deutschland zu investieren. Das hänge aber stark von den Rahmenbedingungen ab. «Im Augenblick ist Deutschland für solche Investitionen nicht attraktiv genug», sagte Merz. «Wir haben ein Problem mangelnder preislicher Wettbewerbsfähigkeit. Und daran müssen wir arbeiten.»
Eine Sprecherin von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sagte, es müsse schnell für stabile Rahmenbedingungen gesorgt werden. Sie nannte die Senkung der Energiepreise, die Sicherung von Fachkräften und den Abbau von Bürokratie.
Reformen müssen schnell kommen
Viele Reformen dulden aus Sicht von Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, keinen Aufschub mehr. «Die Regierung darf sich nicht in den zahlreichen Kommissionen wegducken und die jetzt notwendigen Entscheidungen weiter vertagen, verschleppen und verwässern», betonte er. «Unser Land braucht einen effizienten und finanzierbaren Sozialstaat, der treffsicher und unbürokratisch unterstützt.»
Die «Wirtschaftsweise» Veronika Grimm sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Dazu ist es auch wichtig, auch die Flexibilität der Arbeitsmärkte zu stärken etwa über einen weniger strikten Kündigungsschutz, wie es zum Beispiel in Dänemark oder anderen europäischen Ländern gehandhabt wird.» Auch die bereits vereinbarte Erhöhung des Mindestlohns könnte vor diesem Hintergrund keine gute Idee sein, sagte sie.