Faktencheck zur Landtagswahl in Bayern: Sind die Politiker-Aussagen wahr?

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Die Landtagswahl 2018 in Bayern rückt immer näher. Viele Politiker bringen sich mit Forderungen und Programmen zur Verbesserung in Stellung. Doch ist wirklich alles wahr, was bei diversen Debatten behauptet wird? inFranken.de macht den Faktencheck! Foto: Peter Kneffel/dpa
Die Landtagswahl 2018 in Bayern rückt immer näher. Viele Politiker bringen sich mit Forderungen und Programmen zur Verbesserung in Stellung. Doch ist wirklich alles wahr, was bei diversen Debatten behauptet wird? inFranken.de macht den Faktencheck! Foto: Peter Kneffel/dpa

Die Landtagswahl 2018 in Bayern rückt immer näher. Viele Politiker bringen sich mit Forderungen und Programmen zur Verbesserung in Stellung. Doch ist wirklich alles wahr, was bei diversen Debatten behauptet wird? inFranken.de macht den Faktencheck!

So unübersichtlich war die Lage lange nicht vor einer Wahl in Bayern. Bis zu sieben Parteien statt bisher vier könnten in den Landtag einziehen. Das macht auch TV-Duelle komplizierter. Teile des Familiengeldes fließen ins Ausland, zehn Prozent der Unterrichtsstunden werden nicht gehalten und jede zehnte Person ist ein Pflegefall. Ehrlich?

Am Freitag diskutierten Spitzenvertreter von SPD, Freien Wählern, AfD, FDP und der Linken im Bayerischen Fernsehen vor der Landtagswahl ihre Positionen. Auch wenn sie eher Werbung für ihr Wahlprogramm machten, als mit Fakten um sich zu werfen, einige Aussagen lassen sich auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen.

Bildung: Unterrichts-Ausfälle übertrieben thematisiert

Martin Hagen, 37-jähriger Spitzenkandidat der FDP, beklagt, seit vielen Jahren fehle eine langfristige Personalplanung bei den Lehrern. "Deswegen haben wir das Problem, dass in Bayern zehn Prozent der Unterrichtsstunden nicht regulär gehalten werden, also entweder Unterrichtsausfall oder irgendein Ersatzunterricht, wo dann Filme geschaut werden." Seine Aussage ist nicht ganz richtig.

Fakt ist: Im vergangenen Schuljahr fielen nach Angaben des Kultusministeriums 1,6 Prozent der Schulstunden ersatzlos aus, weitere 6,8 Prozent wurden "nicht regulär" gehalten. Diese 8,4 Prozent hat Hagen wohl auf zehn Prozent aufgerundet. Allerdings berücksichtigt er nicht, dass die Statistik unter "nicht regulär" auch Klassenfahrten oder Fortbildungen erfasst, was wohl nicht als inakzeptabler Ausfall zu werten ist.

Familiengeld: Wunder Punkt bei Überweisung ins Ausland

Seit 1. September wird das von Ministerpräsident Söder initiierte bayerische Familiengeld ausgezahlt. Hubert Aiwanger von den Freien Wählern betonte nochmals, er wolle kein Familiengeld, sondern die kostenlose Kita. So bliebe das Geld gewissermaßen im Land, denn: Söder werde das Familiengeld, wie das Kindergeld, ins Ausland überweisen müssen, sagt Aiwanger. Wenn also Familien ein Familienmitglied in Bayern wohnhaft gemeldet hätten, die Kinder aber in der Heimat lebten, "dann zahlen wir am Ende Familiengeld auch nach Rumänien, Ungarn, Polen und so weiter", kritisiert er. Aiwanger hat recht.

Fakt ist: Unter bestimmten Voraussetzungen werden Kindergeld und Familiengeld ins Ausland überwiesen. Die Kindergeldzahlungen ins Ausland - auch an Deutsche - haben der Bundesregierung zufolge im Jahr 2017 zugenommen. Das liegt nicht an der Gutmütigkeit der Staatsregierung, sondern an einer EU-Verordnung für soziale Sicherheit.

Wahl 2018 - Der TV-Fünfkampf: Diskussionsrunde mit Spitzenkandidaten von SPD, FW, AfD, FDP und Die Linke - Jetzt in BR-Mediathek ganze Sendung nachschauen

Wohnen: Enteignung zwar ein Mittel, aber nicht der einzige Weg

Ob für Ates Gürpinar (Die Linke) Enteignung ein Mittel gegen den überlasteten Wohnungsmarkt sei, wird er gefragt. Immerhin fordere er in seinem Programm, zweckentfremdete, zum Beispiel an Airbnb-Touristen vermietete Wohnungen, zu beschlagnahmen. Gürpinars Stimme überschlägt sich fast, als er stark gestikulierend antwortet: "Wissen Sie, Herr Söder hat 33 000 Wohnungen quasi enteignet, von den Menschen, die dort gemietet haben." Das sei eine Beschlagnahmung für die Privaten, für Patrizia, für Großunternehmen. Seitdem seien die Mieten dort in die Höhe gestiegen. Was Gürpinar sagt, stimmt zum Teil.

Fakt ist: Das Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia kaufte die Wohnungen der BayernLB unter dem damaligen Finanzminister Markus Söder ab. Die Wohnungen wurden saniert, die Mieten stiegen, manche konnten sie sich nicht mehr leisten. Enteignung aber bedeutet, jemandem Besitz wegzunehmen. Bei Mietwohnungen ein Widerspruch. Hier übertreibt Gürpinar.

Pflege: Notstand durch Statistik gestützt, aber niedriger als behauptet

Dass es den Pflegenotstand gibt, steht nicht zur Diskussion. Doch ist tatsächlich jede zehnte Person mittlerweile ein Pflegefall, wie Hubert Aiwanger (Freie Wähler) behauptet?

Fakt ist: Pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes sind 348 253 Personen in Bayern. Das geht aus der aktuellen Pflegestatistik des Statistischen Bundesamts hervor. Auch wenn die sich auf Zahlen von 2015 stützt: Jeder Zehnte ist das definitiv nicht.

Fakt ist: In Bayern leben fast 13 Millionen Menschen. Pflegebedürftig sind demnach 2,68 Prozent der Bevölkerung oder etwa jede 37. Person. Hier hat Aiwanger etwas hoch gegriffen.

Polizeiaufgabengesetz: Streitthema bei Inhaftierung ohne Anklage

Wer könnte mit wem koalieren - das ist die große Frage vor der Landtagswahl. Martin Hagen (FDP) sagt: Seine Partei trete nur in eine Koalition ein, wenn das Polizeiaufgabengesetz korrigiert werde, denn hier gerieten Freiheit und Sicherheit außer Balance. Das kenne man aus autoritären Staaten, "dass Bürger, die gegen kein Gesetz verstoßen haben, inhaftiert werden können für drei Monate und dann, wenn der Richter sagt, du hast jetzt deine Unschuld nicht beweisen können, geht´s munter weiter." Das stimmt teilweise.

Fakt ist: Seit August 2017 darf die Polizei Personen ohne Anklage bis zu drei Monate inhaftieren, zuvor waren es zwei Wochen. Laut Innenministerium kann jedoch nach drei Monaten maximal nochmals um drei Monate verlängert werden - nicht unendlich, wie Hagen suggeriert. Innerhalb eines Jahres wurden dem Ministerium zufolge elf Personen länger als zwei Wochen festgehalten.

Ein Artikel von Stefanie Lorenz