Corona-Krise: So erholt sich die Umwelt

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Die Corona-Krise führt dazu, dass sich die Natur ein wenig erholen kann. Foto: Ronald Rinklef
Die Corona-Krise führt dazu, dass sich die Natur ein wenig erholen kann.  Foto: Ronald Rinklef
Boris PfetzingFlugsicherung
Boris PfetzingFlugsicherung
 
Christian MartensBayernwerk
Christian MartensBayernwerk
 
Jürgen KoppitzAbfall-Entsorger
Jürgen KoppitzAbfall-Entsorger
 
Andreas FriedrichWetterdienst
Andreas FriedrichWetterdienst
 

Corona hat aktuell auch positive Auswirkungen. Experten erklären, wo Effekte bereits messbar sind - und wo man trotzdem skeptisch sein muss.

Der Spaziergang und die Radtour an frischer Luft gehören zu den wenigen Freizeitaktivitäten, die in der Corona-Krise nicht tabu sind. Das ist gleich zweimal eine gute Nachricht, wenn man dem Notstand überhaupt etwas Positives abgewinnen kann: So viel draußen bewegt haben sich so viele Menschen wohl schon lange nicht mehr.

Und so frisch wie aktuell ist die Luft auch nur selten. Das ist nicht nur gefühlt so, das lässt sich mit Daten und Fakten belegen. Dazu haben wir eine Reihe von Experten befragt. Weniger Flugzeuge und weniger Autos: Ist die Luft sauberer? Ja und nein, sagt eine Sprecherin des Landesamtes für Umwelt (LfU) in Augsburg. Ja deshalb, weil insbesondere an viel befahrenen Straßen in den großen Städten das Weniger an Verkehr messbar ist. "Hier ist seit 21. März insbesondere ein Rückgang der Stickoxide zu verzeichnen", sagt die Landesamt-Sprecherin. Man müsse allerdings beachten, dass der Vergleichszeitraum noch sehr kurz ist und dass andere Faktoren wie die lokalen Verhältnisse und die Wetterlage die Schadstoffmessungen "stark beeinflussen".

So seien zuletzt die Feinstaubwerte vielerorts recht stark gestiegen - eine Folge des trocken-kalten Ostwindes. Ebenfalls zum Teil recht hoch, wenngleich noch deutlich unter der Warnschwelle, sind die Ozonwerte. Ozon entsteht bodennah durch die starke Sonneneinstrahlung. In Hof etwa, wo eine von 50 Messstationen des LfU steht, wurde am Donnerstag ein Ozonwert von fast 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. 120 Mikrogramm gelten als Richtwert, der nicht überschritten werden soll. Wirkt sich der Rückgang des Flugverkehrs bereits auf das Klima aus - und wenn ja, wie? Ein Sprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln bestätigt, dass nach aktuellen Studien Kondensstreifen als künstliche Wolken das Klima beeinflussen. Sie wirken aber nicht kühlend, wie man meinen sollte, sondern verstärken die Erderwärmung, weil sie die Abstrahlung von Wärme ins All behindern. Das ist allerdings ein langfristig wirkender Effekt, der zudem durch andere Faktoren (Kohlendioxid) überlagert wird. Kurzfristig unübersehbar und gezählt: In der letzten Märzwoche 2019 gab es laut Boris Pfetzing von der Deutschen Flugsicherung 59 326 Flugbewegungen am deutschen Himmel. Ein Jahr später, 2020, sind es nur noch 11 451, ein Rückgang um 80 Prozent! Haben wir das schöne Wetter der letzten Tage auch dem Corona-Shutdown zu verdanken? Unmittelbare Auswirkungen auf das Wettergeschehen hat der Stillstand in vielen Lebensbereichen nicht, sagt Andreas Friedrich, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach. "Die klare Luft der letzten Tage hatten wir einer kalten Ost-Strömung zu verdanken", sagt der Wetterexperte. Der "Corona-Effekt" sei minimal im Vergleich zu den anderen Faktoren, die das hiesige Wetter bestimmen. "Entscheidend ist, ob wir unter dem Einfluss von Hoch- oder Tiefdruckgebieten liegen und wo sich diese positionieren", sagt Friedrich. In einem Fall gibt es eisige Ostluft, im anderen einen Sommerhauch. Friedrich hat eine gute Nachricht für alle, die in den Osterferien gerne ans Mittelmeer gereist wären: "Ab dem Wochenende kommt das Mittelmeer zu uns, wir knacken die 20 Grad." Tut die Zwangspause der Natur gut, gibt es einen Effekt auf die Tier- und Pflanzenwelt? Es gibt vereinzelt Berichte, dass wilde Tiere die Städte erobern (siehe "Im Abseits" auf Seite 1) und dass Delfine wieder vor großen Städten im Mittelmeer auftauchen, weil sie nicht mehr von den Kreuzfahrtschiffen vertrieben werden. Ob das alles mit Corona zusammenhängt, ist nach Ansicht eines Experten vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) fraglich - und noch mehr Fragezeichen müsse man machen, ob die Krise sich nachhaltig positiv für die Natur auswirkt. "Es wird ja nach der Krise sehr vieles aufgeholt werden müssen und der Schwerpunkt auf der Ankurbelung der Wirtschaft liegen, weniger auf Natur- und Klimaschutz." Eine Zahl hat der Umweltfachmann: Jedes Jahr sterben im deutschen Straßenverkehr 16 Millionen Wildvögel. "Vielleicht werden es heuer einige weniger." Wird die Zwangspause in vielen Bereichen inzwischen auch beim Energieverbrauch spürbar? Das kann Christian Martens, der Sprecher des Bayernwerks, bestätigen. Das Unternehmen, das den Großteil des Freistaates mit Strom versorgt, misst in normalen Zeiten in seiner Schaltzentrale in Regensburg einen Spitzenverbrauch von 6700 Megawatt. Aktuell sind es rund ein Viertel, 1500 Megawatt, weniger. "Dabei sehen wir deutlich weniger Verbrauch in Industrie und Gewerbe und minimale Steigerungen im privaten Bereich, die dadurch zustande kommen, weil die Menschen mehr zu Hause sind, mehr kochen und im Homeoffice arbeiten", so Martens.

Der Corona-Effekt beschert dem Bayernwerk im Verein mit dem schönen Wetter mehrere Tage mit Allzeit-Rekorden: "Wir haben zum wiederholten Male insbesondere durch den ungetrübten Sonnenschein den gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Quellen decken können, bayernweit."

Gibt es diesen Effekt auch beim Öl - spart der Verbraucher? Heizöl ist so günstig wie seit gut zwei Jahren nicht mehr, an der Tankstelle können sich Autofahrer sogar über ein Vier-Jahres-Tief freuen. Der Bundesverband der Mineralölwirtschaft rechnet mit einem längerfristig sinkenden Verbrauch - und keinem schnellen Preisanstieg. Allerdings: Die Nachfrage nach dem billigen Heizöl ist derzeit sehr hoch, es drohen Lieferengpässe. Branchenfachleute warnen auch hier vor "Panikkäufen", zumal die Preise für längere Zeit niedrig bleiben dürften. Und wie sieht es beim Müll aus? Wird weniger Abfall produziert - und ist die Entsorgung sicher? In einigen fränkischen Städten und Landkreisen ist die Müllabfuhr eingeschränkt; Wertstoffhöfe sind zu und das Altpapier bleibt länger zu Hause liegen, weil die Kommunen mit weniger Personal im Schichtdienst fahren. Nicht so bei dem mittelständischen Entsorgungsunternehmen von Jürgen Koppitz in Knetzgau (Kreis Haßberge): "Wir brauchen jeden Cent und arbeiten mit Hochdruck weiter." Das auch, weil Koppitz nicht nur ent-, sondern auch versorgt: Das von ihm gesammelte Altpapier ist ein wichtiger Rohstoff; für diese Zeitung, aber auch für das derzeit gefragte Klopapier.

Der Müll-Markt ist nach Koppitz' Worten zweigeteilt: Es fallen mehr häusliche Abfälle an, weil vieles, was sonst außer Haus stattfindet, in den eigenen vier Wänden passiert. Auch der Boom im Versandhandel sorgt für ein Mehr an Verpackungsabfall. Im gewerblichen Bereich führt die Flaute zu leeren Büchern - und leeren Tonnen.