Die R+V-Versicherung hat untersucht, was den Deutschen den Schlaf raubt. Auch die Flüchtlinge haben es in das Ranking geschafft. Bayern liegt im Mittelfeld der Angst-Tabelle.
Antwort: in Mecklenburg-Vorpommern. Dies hat die neue Angst-Studie der R+V-Versicherung ergeben. Danach ist die Angst der Menschen im Osten der Republik generell größer als im Westen, mit einer Ausnahme: Berlin steht am Ende der Tabelle beziehungsweise an der Spitze, denn dort leben die wenigsten Angsthasen. Auf dem Angst-Index von 0 bis 100 erreicht Berlin 33, in Mecklenburg-Vorpommern liegt der Wert bei 50. Bayern liegt in diesem Ranking mit 39 auf einem mittleren Platz.
Angst und Glück
Während das Deutschland-Ergebnis laut R+V als repräsentativ gelten kann, sind die regionalen Zahlen wegen der vergleichsweise geringen Zahl der Befragten wohl mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Allerdings decken sich die Trends der Studie mit anderen Ranking; so kommt auch der von der Deutschen Post in Auftrag gegebene "Glücksatlas" zu dem Schluss, dass die Menschen im Osten weniger zufrieden und weniger zuversichtlich sind als die im Westen. Aber: Während die Thüringer in Sachen Glück auf dem vorletzten Platz rangieren, laufen sie deutlich weniger ängstlich herum als die weitaus glücklicheren Bayern ... Zahlen wollen interpretiert werden.
Seit über 20 Jahren geben jährlich 2400 Menschen für die Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen" Auskunft über ihre persönlichen Ängste, aber auch über Sorgen, die sie sich um Gesellschaft, Wirtschaft und Politik machen, sagt Brigitte Römstedt vom R+V-Infocenter.
So entspannt wie lange nicht
Sie fasst die Ergebnisse der aktuellen Studie zusammen: Die Deutschen waren demnach 2014 so entspannt wie lange nicht. Nie zuvor befürchteten so wenige Bundesbürger, dass es mit der Wirtschaft bergab geht. "Der Angstindex sank um zwei Prozentpunkte auf 39 Prozent - und damit auf den niedrigsten Wert seit 20 Jahren", sagt Römstedt.
Am meisten Sorgen machen sich die Bundesbürger um das Geld, die Umwelt und die Gesundheit. Zu den am häufigsten genannten Ängsten zählt laut Studie die Befürchtung, dass die Euro-Krise für die Steuerzahler teuer wird. Auch die Angst vor Spannungen durch die Zuwanderung von Flüchtlingen hat sich in der Studie niedergeschlagen. Trotzdem, so das Fazit des Politologen Manfred G. Schmitt aus Heidelberg: "Die Deutschen sind kein Volk von Angsthasen."
Keine Angst vor der Angst
Der Mensch soll sich nicht von Ängsten beherrschen lassen, auf der anderen Seite darf er auch keine Angst vor der Angst haben; den Angst ist auch ein Schutzmechanismus, eine "Summe von Erfahrungen und ein Zeichen von Weisheit", sagt Holger Süß, der Leiter einer psychosomatischen Reha-Klinik in Stadtlengsfeld (Thüringen). Entscheidend ist für ihn, sich Ängste klar zu machen und bewusst mit ihnen umzugehen, sie sogar für das eigene Leben nutzbar zu machen.
Das ist möglich, aber das andere Extrem ist weitaus häufiger und beschäftigt die Psychologen. Andreas J. Fallgatter schätzt, dass es etwa 15 bis 20 Millionen Angsterkrankte in Deutschland gibt. Der Professor ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Tübingen und Experte für Angststörungen.
Flucht oder Angriff
Dabei, so sagt er, ist Angst an sich erst einmal nicht negativ: "Das Gefühl der Angst dient dazu, in Gefahrensituationen schnell und angemessen zu reagieren. Wer Angst hat, ist aufmerksamer, nimmt seine Umgebung deutlicher wahr und der Körper bereitet sich auf eine mögliche Reaktion - Flucht oder Angriff - vor", zitiert die Krankenkasse AOK den Psychologen auf ihrer Homepage.
"Angst war also für unsere Vorfahren überlebenswichtig. Heute kann uns Angst zum Beispiel anspornen, bestimmte Dinge zu tun oder an seine Grenzen zu gehen und diese zu überwinden. Das alles ist positiv, wenn die Angstgefühle in einem angemessenen Rahmen bleiben. Wird die Angst zu stark, kann sie lähmen."
Denn, so Fallgatter: Bei einer Angststörung ist die Angst unangemessen und unrealistisch. Die Betroffenen leiden unter der Angst, sie ziehen sich immer mehr aus der Außenwelt zurück und schränken sich immer stärker ein. Das kann so weit gehen, dass sie die Wohnung nicht mehr verlassen.
(K)ein Leben ohne Angst
Das ist nicht unheilbar, sagt der Psychologe. In einer Psychotherapie könne man lernen, seine Ängste zu erkennen, zu kontrollieren und auf ein angemessenes Niveau zu regulieren. Das geht oft langsam und ist mühevoll, führt aber in der Mehrheit der Fälle zum Ziel, sagt Fallgatter. "Im ersten Schritt sollte man unter therapeutischer Anleitung seine Ängste besser verstehen lernen. Überwinden kann man sie nur, wenn man sich in der Therapie seinen Ängsten stellt und dort die Erfahrung macht, dass die Ängste nachlassen, wenn man lange genug in den gefürchteten Situationen bleibt."
60 bis 75 Prozent aller Angstpatienten können so "geheilt" werden, was nicht bedeutet, dass sie danach angstfrei durchs Leben gehen. "Darüber muss sich jeder im Klaren sein. Ziel der Behandlung ist nicht, dass man vollkommen angstfrei ist, sondern, dass die Angst auf ein normales Ausmaß zurückgeht", sagt der Arzt.
Was ist Angst?
Angst ist ein natürlicher Schutzmechanismus: Angst vor einer Gefahr führt zu einer Reaktion, Flucht oder Schutz.
Wenn die Angst allerdings das Leben beherrscht und negativ beeinflusst, kann sie zur Krankheit werde: Angststörungen sind weit verbreitet.
Die Glosse zum Thema von Redakteur Günter Flegel: Die größten Angsthasen aller Zeiten
e Angst geht um im Land, und unter allen Ängsten nimmt die Angst, in irgendeinem Ranking womöglich Schlusslicht zu sein, immer größeren Raum ein. Immerhin hat man so in der neuen Samstagabend-Show "Deutschland sucht den Super-Angsthasen" halbwegs gute Chancen auf den Sieg.
Bayern braucht da gar nicht erst anzutreten. Bayern liegt sowohl im deutschen Glücksatlas als auch beim Angst-Ranking auf einem langweilen Mittelplatz, muss also nicht einmal Angst vor dem Abstieg in die zweite Angstliga haben.
Was ist los mit dem Freistaat? Die Angst vor den neuen Stromtrassen hat die Bayern womöglich ebenso gelähmt wie die vor einem Blackout des Ministerpräsidenten, denn auch in der aktuellen deutschen Bier-Hitparade belegt das weiß-blaue Land nur noch den zweiten Rang in Deutschland. Wie kann man glücklich sein, wenn man so wenig säuft?
Dazu muss man ein wenig tiefer in das Dickicht der Statistiken einsteigen. Vergleichsweise angstfrei und weitaus glücklicher als im Bundesdurchschnitt lebt man in Hamburg. In diesem Stadtstaat leben aber auch die größten Stromverbraucher und die Wasserverschwender der Bundesrepublik. Macht es also glücklich, sich mehrmals täglich bei Festbeleuchtung warm zu duschen? Vermutlich, denn bei den Angst-Meistern in Mecklenburg-Vorpommern kommt weitaus weniger Wasser aus den Hähnen und Strom aus den Steckdosen.
Verwirrung stiftet die Tatsache, dass im ängstlichen Meck-Pom viel mehr Kinder zur Welt kommen als in Happy Hamburg, ein Ranking, bei dem Bayern Richtung Tabellenende rutscht. Männer in Bayern: Duscht öfter und trinkt wieder mehr Bier, dann habt ihr weniger Angst vor den Frauen!
Andererseits ist Bayern sowohl beim Wasser als auch beim Strom alles andere als ein Kostverächter, was wiederum beweist, dass eine warme Dusche alleine auch noch nicht glücklich und fruchtbar macht.
Freilich muss man differenzieren: Bayerns größte Stromverschwender sitzen in Bamberg und in Garmisch, während die Schweinfurter offenbar im Dunklen kalt duschen; sie zählen bundesweit zu den Stromspar-Meistern; logisch, ist in und um Schweinfurt doch die Angst vor neuen Stromtrassen besonders groß, Wasser aber mehr als reichlich vorhanden, seit das Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld keinen Dampf mehr in den Himmel bläst.
Am Ende beweist der Rankingwahn, dass Zahlen nur so gut sind wie der, der sie mit voller Absicht falsch verstehen will. Wetten, dass schon bald ein Ranking publiziert wird, dass das Zeug zu Deutschland überflüssigster Statistik hat?