• Das "Cave-Syndrom" wird von Forschern der Uni Frankfurt untersucht
  • Trotz Wegfall der Corona-Regeln: Manchen Menschen fallen soziale Kontakte noch immer schwer
  • Syndrome werden durch die Digitalisierung verschärft

In den Lockdowns wurde das Zuhausebleiben zur neuen Normalität. Doch obwohl die Corona-Lockerungen eine Rückkehr aus der privaten Höhle hinein in den Alltag inzwischen wieder möglich machen, fällt es vielen schwer, sich wieder umzustellen. Forscher untersuchen nun, wie viele Deutsche tatsächlich unter dem „Cave-Syndrom“ leiden. Wichtig ist dabei: Wie schwer sind die Auswirkungen?

"Cave-Syndrom": Das Phänomen erschwert soziale Kontakte

Die Hürden bei der Rückkehr in die soziale und berufliche Normalität auftauchen, hat die Goethe-Universität in Frankfurt anhand einer Online-Befragung untersucht. Prof. Dr. Ulrich Stangier, Leiter der Klinischen Psychologie und Psychotherapie und hauptverantwortlich für die Studie, erklärt, was hinter dem Syndrom steckt.

Weil monatelanges soziales Isolieren in der Pandemie zur Gewohnheit wurde, falle es vielen Menschen noch immer schwer, wieder zwischenmenschliche Begegnungen zuzulassen. Dadurch habe der direkte Kontakt zu anderen Menschen seinen Belohnungswert verloren, erläutert der Psychologe.

Das heißt: Während man soziale Kontakte vor der Pandemie gesellschaftlich als positiv empfand, wurden sie im Corona-Lockdown zum Tabu und teilweise sanktioniert. An ihre Stelle traten dafür andere Aktivitäten, die sich bevorzugt zuhause und alleine genießen lassen, wie Kochen, Lesen oder Fernsehen.

Lässt das "Cave-Syndrom" wieder nach?

Das „Cave-Syndrom“ sei aber keine pathologische Erkrankung, sondern eine Anpassungsreaktion. Sie trete nur vorübergehend auf und lasse nach einer Umgewöhnungsphase wieder nach, bis soziale Kontakte nicht mehr als Stress, sondern als Freude empfunden werden können.

Laut Stangier werde das „Cave-Syndrom“ nach zwei bis drei Monaten nachlassen. Menschen, die schon vor der Pandemie zurückgezogen lebten und wenige soziale Kontakte hatten, könnte es schwerer fallen, sich wieder umzustellen. Bei etwa fünf Prozent habe der Corona-Lockdown aber sogar eine Depression oder soziale Angststörung ausgelöst.

Prof. Dr. Ulrich Stangier und sein Mitarbeiter Schahryar Kananian befragen für ihre Untersuchung Personen ab 18 Jahren, die im Laufe der Pandemie nicht positiv auf Corona getestet wurden und deren Test negativ ausfiel. Die Studie lief bis März 2022. Bald sollen die Ergebnisse auf der Homepage der Frankfurter Goethe-Universität veröffentlicht werden.

Die Überraschung dabei: Junge Menschen sollen besonders leiden

Die Augsburger Generationenforschers Rüdiger Maas bestätigen nicht nur die Existenz des „Cave-Syndroms“, sondern belegen auch, dass jüngere Menschen davon betroffen sind. Bei einer Befragung seines Instituts hat fast die Hälfte der befragten Unter-27-Jährigen angegeben, die neuen Freiheiten eher als Druck empfunden zu haben. Junge Menschen und Kinder leiden laut Maas besonders unter den Effekten des „Cave-Syndroms“.

Weil die Digitalisierung in ihrem Leben eine größere Rolle spiele als bei Älteren, habe diese Gruppe generell ein geringeres Bedürfnis nach direkten sozialen Kontakten. Der Lockdown habe das noch verstärkt. Obwohl sich viele Jugendliche nach Partys und Treffen mit Freunden gesehnt hatten, seien sie bei der Rückkehr zum sozialen Alltag verunsichert, sagt auch Prof. Dr. Ulrich Stangier.

Ob es jemandem leichter oder schwerer falle, wieder zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen, richte sich laut Stangier nach der psychologischen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Den meisten Menschen sei während der Pandemie jedoch bewusst geworden, wie wichtig soziale Kontakte sind, so das Fazit des Psychologen.

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