Privatinsolvenz: Schufa verkürzt die Speicherfrist bei erteilter Restschuldbefreiung

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Der Datenschutz attackiert die SCHUFA.
Der Datenschutz attackiert die SCHUFA.
SCHUFA

Unter dem Eindruck eines Datenschutzprozesses vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ändert die SCHUFA jetzt ihre Geschäftspolitik. Privatinsolvenzen sind jetzt schon nach sechs Monaten gelöscht. Diese Neuregelung ist aber nur der Anfang.

  • Kein 49-Euro-Ticket bei schlechter Bonität
  • Schufa-Scoring Verfahren verstößt wohl gegen Datenschutz
  • Anpassungen bei der SCHUFA sind zu erwarten
  • Speicherdauer der Restschuldbefreiung auf sechs Monate verkürzt

Der SCHUFA-Score ist allgegenwärtig: Er entscheidet darüber, ob Banken Kredite vergeben, Telekommunikationsbetreiber Smartphone-Verträge abschließen, Vermieter den Mietvertrag unterschreiben oder Online-Shops den Kauf abwickeln. Bei der SCHUFA AG in Wiesbaden sammeln 800 Mitarbeitende die Daten von 68 Millionen Bürger*innen und sechs Millionen Unternehmen. Doch das Geschäftsmodell der Datensammlung in Wiesbaden wackelt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss klären, ob das Verfahren überhaupt mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar ist. Die Entscheidung fällt in den nächsten Monaten. Der Generalanwalt hat dazu jetzt einen weitreichenden Antrag gestellt, der aufhorchen lässt.

Kein 49-Euro-Ticket bei schlechter Bonität

Wenn du das neue Deutschlandticket kaufen willst, ist in der Regel vorher eine SCHUFA-Abfrage fällig. Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten könnten also Probleme bekommen, das 49-Euro-Ticket zu erhalten, obwohl sie es am dringendsten benötigen.

Ganz konkret bedeutet das: Beim Kauf des Tickets ist eine Bonitätsprüfung fällig. Wer aufgrund von Schulden, unbezahlten Rechnungen und Mahnungen einen negativen SCHUFA-Score hat, könnte leer ausgehen.

Die Auskunftei speichert negative Zahlungsdaten über dich, selbst wenn sie gar nicht mehr aktuell sind. Sie verschlechtern dann deinen Score. Bei deinem Bonitäts-Scoring geht es um die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass du deine Rechnungen pünktlich bezahlst. Das ist eine wichtige Information für Unternehmen (Online-Handel) oder Banken. Es hilft dabei, datenbasiert zu entscheiden, ob ein Kredit oder ein Kauf auf Rechnung zustande kommt oder nicht. So wird das Risiko eines Zahlungsausfalls für die Wirtschaft verkleinert.

Schufa-Scoring-Verfahren verstößt wohl gegen Datenschutz

Muss sich die SCHUFA bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit von Millionen von Bürger*innen neu aufstellen? Der Generalanwalt beim EuGH hat in seinen Schlussanträgen zum SCHUFA-Scoring jedenfalls erheblich datenschutzrechtliche Bedenken zur Frage angemeldet, unter welchen Voraussetzungen, die SCHUFA den Score-Wert an Unternehmen weiterreichen darf. Das Urteil des Gerichts steht zwar noch aus, wird aber nicht lange auf sich warten lassen. Die Stellungnahmen des Generalanwalts sind für die Richter*innen nicht bindend, oft folgen sie ihnen aber. Das Verfahren betrifft nicht nur die SCHUFA. Die Auslegungen des EuGH werden für alle Auskunfteien in Europa bindend sein. 

Im Mittelpunkt der Kritik des Generalanwalts Priit Pikamäe (Schlussantrag: Generalanwalt beim EuGH vom 16.3.2023, Az.: C-634/21) steht das von der Schufa genutzte vollautomatisierte Scoring-Verfahren. Die DSGVO schreibt in § 22 vor, dass Entscheidungen, die rechtliche Wirkung auf einen Menschen haben, nicht ausschließlich durch die automatisierte Verarbeitung von Daten (einschließlich Profiling) zu treffen sind. Im Falle des SCHUFA-Scores sieht der Generalanwalt genau dies aber als gegeben an. Die Auskunft zur Kreditwürdigkeit beruht auf der automatisierten Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts einer Kundin bzw. eines Kunden. Diese wiederum beruht auf einer nicht zulässigen automatischen Entscheidung.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Empfänger (also die Banken oder Online-Händler) der Score-Nachricht später selbst entscheiden, ob die Person kreditwürdig ist oder nicht. Der Generalanwalt verlangt, dass die Information an die SCHUFA-Kundinnen und -Kunden "hinreichend detaillierte Erläuterungen zur Methode für die Berechnung des Score-Wertes und zu den Gründen umfasst, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben."

Anpassungen bei der SCHUFA sind zu erwarten

Diese Auflage umzusetzen, wird den Datensammler*innen in Wiesbaden bei der SCHUFA noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Dass die Auskunftei ihr Geschäftsmodell gänzlich aufgibt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Es kann gut sein, dass der Score bleibt, aber mit einer individuellen Begründung versehen an die Banken, Firmen etc. geht. Diese dann andere Dienstleistung wäre natürlich viel aufwendiger, langsamer und mit höheren Kosten verbunden als das bisherige vollautomatisierte Verfahren. Die Auswirkungen träfe die Finanzwirtschaft empfindlich.

Hintergrund für das Verfahren ist eine Vorabanfrage, die das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden dem EuGH vorgelegt hat. Eine Frau hatte vor dem VG verlangt, einen Eintrag bei der SCHUFA zu löschen und ihr Zugang zu den gesammelten Daten zu gewähren. Der Klägerin war ein Kredit verwehrt worden. Die Auskunftei stellte sich quer, informierte nur über den Score-Wert und gab allgemeine Informationen zur Berechnung. Es kam zur Klage, die alles ins Rollen brachte.

Der EuGH entscheidet nicht über den Rechtsstreit, der den Fragen zugrunde liegt. Das muss das VG in Wiesbaden tun. Allerdings müssen die Ansagen des EuGH die Grundlage der Entscheidung bilden.

Speicherdauer der Restschuldbefreiung auf sechs Monate verkürzt

Darüber hinaus hat die SCHUFA erst kürzlich zugegeben, dass sie Insolvenzdaten von Privatpersonen (Privatinsolvenz) über drei Jahre vorhält, anstatt der zulässigen sechs Monate. Die Klage beim Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 27.3.2023, Az.: VI ZR 225/21) gegen diese Praxis ist zurückgestellt, bis der EuGH auch in dieser Frage ("Wie lange darf ein Eintrag zur Restschuldbefreiung gespeichert werden?") sein Urteil gesprochen hat. Der Generalanwalt des EuGH hat sich für eine verkürzte Speicherung der Restschuldbefreiung ausgesprochen.

Unter dem Druck der anstehenden Entscheidungen hat die SCHUFA bereits jetzt reagiert. Sie hat sich entschlossen, die Speicherdauer der Restschuldbefreiung auf sechs Monate zu verkürzen. Diese kürzere Speicherdauer ändert aber nichts am Geschäftsmodell der SCHUFA. Auch hat die Anzahl der Personen (rund 250.000), die hiervon berührt sind, keine grundlegenden Auswirkungen auf das SCHUFA-Score-Verfahren und seine Aussagekraft.

Konkret bedeutet das: Die SCHUFA wird alle Einträge zu einer Restschuldbefreiung, die zum Stichtag 28.3.2023 länger als sechs Monate gespeichert sind sowie alle hiermit verbundenen Schulden nach sechs Monaten rückwirkend zu diesem Datum löschen. Diese Löschung erfolgt automatisch. Ole Schröder, Vorstandsmitglied der SCHUFA und verantwortlich für Recht: "Mit unserer Entscheidung schaffen wir Klarheit und Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir ermöglichen so den Restschuldbefreiten einen schnellen wirtschaftlichen Neustart."

Fazit

Die Finanzwirtschaft in Deutschland wird sich wohl auf ein verändertes SCHUFA-Verfahren einstellen müssen. Die Auskunftei hat mit der Verkürzung der Speicherdauer der Restschuldbefreiung auf sechs Monate ein Zeichen gesetzt, stärker die Interessen der Wirtschaftsbürger*innen zu berücksichtigen. Ebenso gibt es beim Thema Transparenz einen neuen Ansatz. Die "Auster SCHUFA" öffnet sich. 

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